Psychische Probleme – Brauche ich Medikamente, Psychotherapie oder beides?

Was wirkt besser bei psychischen Leiden, eine Psychotherapie oder Medikamente wie Psychopharmaka? Die Frage lässt sich oft nicht einfach beantworten. Gegen Depressionen oder Angststörungen zum Beispiel wirkt eine Kombination aus beiden Behandlungen am besten.

Lohnt es sich, lange auf einen Termin bei einem Psychotherapeuten zu warten? Das hängt vor allem von der Art und Schwere der psychischen Störung ab. Aktuelle Studien zeigen: Manchmal ist Reden Gold, manchmal können Psychopharmaka die bessere Alternative sein. Häufig verspricht die Kombination von Psycho- und Arzneimitteltherapie die beste Hilfe.

„Im Endeffekt wirken eine psychotherapeutische Behandlung und ein Medikament im Gehirn ähnlich“, erklärt Prof. Klaus Lieb, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz. „Das Gehirn wird in beiden Fällen neurobiologisch verändert, entweder durch Chemie oder durch die Interaktion mit dem Therapeuten.“ Nur der Zugangsweg sei unterschiedlich - und der Aufwand: Um eine Pille zu schlucken, ist viel weniger Zeit notwendig als für einen wöchentlichen Termin beim Psychotherapeuten.

Medikamente gegen Anspannung und Schlaflosigkeit

Ob Pillen oder Gespräche das Mittel der Wahl sind, hängt dem Experten zufolge von vielen Faktoren ab: „Verschiedene Krankheitsbilder sprechen unterschiedlich auf eine Psychotherapie oder auf Medikamente an.“ Und Psychopharmaka, die beruhigen, verringerten in Akutphasen häufig erst die Anspannung und Schlaflosigkeit. Ein weiteres Kriterium ist dem Experten zufolge der Schweregrad der Erkrankung. „Grob gesagt ist es so: Je schwerer die Erkrankung, desto eher setzt man Medikamente ein.“ Und häufig wirke die Kombination aus Medikamenten und Psychotherapie besonders gut.

Ob und in welchen Fällen Pillen oder eine Psychotherapie helfen, haben Maximilian Huhn von der Klinik und Poliklinik der TU München und seine Mitarbeiter untersucht. In ihre Analyse flossen 61 Übersichtsarbeiten - sogenannte Metaanalysen - mit 852 Einzelstudien und fast 140 000 Patienten ein. Das Ergebnis: Viele Psycho- und Arzneimitteltherapieverfahren sind tatsächlich wirksam. Ihre Wirkstärken liegen aber nur in einem mittleren Bereich.

Depression, Soziale Phobie, Panikstörungen

Wissenschaftlich signifikante Unterschiede konnten Maximilian Huhn und seine Mitarbeiter nur bei wenigen der untersuchten 21 Krankheitsbilder feststellen: Bei der Schizophrenie zeigte sich die Arzneimitteltherapie im Direktvergleich der Psychotherapie zwar überlegen, die Kombination der Medikamente mit einer kognitiven Verhaltenstherapie ist der Untersuchung zufolge jedoch noch besser als das alleinige Pillenschlucken. Bei Depression, Sozialer Phobie und Panikstörungen ist eine Kombinationstherapie ebenfalls am besten.

Welche Patienten von einer zusätzlichen Verhaltenstherapie profitieren könnten, haben US-Forscher der Vanderbilt Universität in Nashville bei Depressiven untersucht: Bei einer schweren Depression mit ausgeprägten Symptomen sei die Kombination von Psycho- und Arzneimitteltherapie der alleinigen Einnahme von Antidepressiva überlegen, lautet ihr Fazit.

Faktor Zeit ist entscheidend

Sie hatten insgesamt rund 450 Patienten maximal drei Jahre lang behandelt - eine Hälfte der Studienteilnehmer bekam ausschließlich Medikamente, die andere zusätzlich eine kognitive Verhaltenstherapie. Bei Patienten mit einer leichten Depression stellten die Wissenschaftler keine bedeutsamen Unterschiede fest.

Für eine effektive Therapie ist auch der Faktor Zeit entscheidend: „Je länger man wartet und die Depression mit sich herumträgt, desto schwieriger wird es“, sagt Maximilian Huhn. „Wenn man ein, zwei Tage schlechte Laune hat, ist es sicher keine Depression. Aber wenn es länger anhält, sollte man sich Hilfe holen.“ (dpa)

Tausende erkranken in Deutschland an Depressionen. Das Problem: Betroffene erkennen oft nicht, wie gefährlich die Krankheit sein kann. Lesen Sie hier, wie Angehörige die Krankheit erkennen und helfen können.

Die zehn wichtigsten Fragen und Antworten zu Depressionen lesen Sie in der Bildergalerie unten.

1. Was genau ist eine Depression?

Jedenfalls nicht „das Traurigsein, das Bedrücktsein, das wir aus dem Alltag kennen“, sagt Prof. Ulrich Hegerl. Und auch nicht die Melancholie oder Herbstdepression. Der Mediziner von der Universität Leipzig beschreibt die Krankheit vielmehr als „hässlichen, kalten Zustand“, verbunden mit dem Gefühl, dass „die Luft raus“ ist. Dazu zeigt er das Bild eines aufblasbaren Plastikkrokodils, das schlaff am Boden liegt.

Foto: dpa

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