Psychische Krankheiten sind nicht zum Lachen

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Psychische Krankheiten sind nicht zum Lachen

Von Sonja L. Bauer .

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Humor verträgt sich nicht mit psychischen Krankheiten. In der Psychiatrie ist er tabu. Jedenfalls in der Schweiz, wo sich Ärzte zögernd für die anderswo diskutierte Verwendung des Humors als Therapieform öffnen.

«In psychiatrischen Kliniken wird viel gelacht, auch heimlich über den Chef»: Michael Soyka, ärztlicher Direktor der Privatklinik Meiringen.

«In psychiatrischen Kliniken wird viel gelacht, auch heimlich über den Chef»: Michael Soyka, ärztlicher Direktor der Privatklinik Meiringen.
Bild: Markus Hubacher

Im Bann dunkler Gefühle: Patient und Zeichner Marco Brunori scheut nicht davor zurück, seine Depression als Cartoon darzustellen. (Bild: Marco Brunori/zvg)

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«Pro Mente Sana aktuell»

«Psychische Krankheit und Humor», Marco Brunori: «Lieber von Picasso gemalt als von der Depression gezeichnet» und «Veritas de anaesthesia» können über Kontakt@promentesana.ch bezogen werden.

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Im akuten Zustand einer schweren Depression oder der Schizophrenie haben Patienten nichts zu lachen. Und für die Psychiatrie ist Humor offenbar tabu oder zumindest kein Thema. Angeschriebene psychiatrische Institutionen im Kanton Bern äussern sich gar nicht erst auf eine Anfrage über die therapeutische Anwendung des Humors. Oder sie verstehen ihn als Therapieform, die sie «so nicht anbieten».

Desinteressierte Psychiatrie

Ausserhalb der Institutionen ist Humor als Therapieform zumindest ein Thema. So hat die Vereinigung Pro Mente Sana eine ganze Nummer ihrer Zeitschrift «Pro Mente Sana aktuell» dem Zusammenspiel von Humor und psychischer Krankheit gewidmet. Man entnimmt den Beiträgen, dass Humor als Therapieform diskutiert und auch erforscht wird. In der Schweizer Psychiatrie muss sie sich erst noch etablieren wie Jahre zuvor die Spitalclowns in der Kinderabteilung der Krankenhäuser oder in Altersheimen.
Eine Ausnahme macht die auf Depressions-, Burn-out- und Suchterkrankungen spezialisierte Privatklinik in Meiringen. Am vereinbarten klaren Wintertag scheinen die sonst nahe an Meiringen heranrückenden Berge im Sonnenlicht einen Schritt zurück zu machen. Der Empfang in der Privatklinik ist locker. Ihr ärztlicher Direktor Michael Soyka ist einer der wenigen Fachpersonen, die sich mit dem Humor in der Psychiatrie befassen. Er kommt auch in der erwähnten Pro-Mente-Sana-Zeitschrift zu Wort. Soyka und sein Team betrachten «wertschätzenden Humor» als eine Haltung und geben ihm in ihrer täglichen Arbeit Raum.

Humor baut Angst ab

Antje Kollath, Psychologin in der Meiringer Klinik, arbeitet in ihren Therapien bewusst mit dem spontan entstehenden Humor während eines Gesprächs zwischen Klient und Psychologe. «Gerade Angstzustände können über den Humor besser abgebaut werden. Eine gefühl- und humorvolle Bemerkung kann wie ein Spiegel wirken, wobei das Bild leicht und nicht belastend auf den Klienten zurückgeworfen wird und ihm sein Angstempfinden sicht- und begreifbar macht», erklärt sie.

Die Psychologin setzt den Humor aber nur bei bestimmten psychischen Krankheitsbildern ein: «Humor ist vor allem bei Patienten mit Burn-out, Depressionen oder Angstzuständen gut einsetzbar. Schwieriger ist dies bei denjenigen mit Schizophrenie.» Sie ist aber überzeugt, dass Humor und eine gewisse Situationskomik nie fehl am Platz sind. «Humor ist, neben den medizinischen Grundlagen der Psychiatrie und Psychologie, sicherlich ein gutes Alternativmedikament», sagt Kollath.

Humor und Schizophrenie

Noch gibt es kaum Tests und keine wissenschaftlichen Forschungserkenntnisse über die Auswirkung des Humors auf psychisch Kranke. Beobachtungen erfahrener Ärzte zeigen aber, dass Humor den Heilungsprozess begünstigen kann. Klinikleiter Soyka sieht sogar die Möglichkeit, Humor bei Schizophrenen einzusetzen. Er führt aus, dass psychotisch Erkrankte, zu denen die Schizophrenen gehören, an wahnhaften Gedanken, Sinnestäuschungen und Ängsten leiden und «konkretistisch» denken. Letzteres bedeutet, dass bei ihnen Begriff und sinnlich erfahrbarer Gegenstand verschmelzen, weil ihnen die Fähigkeit der Abstraktion abgeht. «Sie können so Humorvolles und Witziges häufig nicht als solches erkennen», erklärt Soyka.

Dennoch stimme für ihn die Behauptung, dass Schizophrene keinen Humor hätten, nicht ganz: «Psychotische Patienten, die sich ihren Humor als Eigenschaft bewahrten, haben eine deutlich bessere Chance, wieder gesund zu werden. Davon bin ich überzeugt!» Soyka erzählt ein Beispiel. Ein psychotisch erkrankter Patient, der sich einmal schwer verstümmelt habe und unter langjähriger Drogenabhängigkeit litt, habe ihm zum Abschied aus der Münchner Klinik einen Handfeger geschenkt. Auf die Frage hin weshalb, habe der gewitzte Patient geantwortet: «Damit Sie weiterhin Probleme unter den Tisch kehren können.»

In psychiatrischen Kliniken werde übrigens, so wie in jedem Betrieb, viel gelacht, sagt Soyka. Man lache wohlwollend über skurrile Patientinnen und Mitarbeitende, gelegentlich auch über den Chef, dann aber heimlich. Umgekehrt würden sich auch Patienten über das Fachpersonal lustig machen.

Humor und Depression

Weil es auf die Grundhaltung des Patienten ankomme, sei eine locker-humorvolle Atmosphäre zwischen Arzt und Patient nicht immer möglich, sagt der Meiringer Oberarzt Sebastian Dittert. Seine Patientin Muriel Müller* jedenfalls ist offen und lacht bereits beim Treffen mit ihrem Vertrauensarzt. Der Depressionspatientin und vierfachen Mutter geht es nach einem neunwöchigen stationären Klinikaufenthalt in Meiringen wieder gut. «Dies ist, neben den medizinischen Behandlungsmethoden, ganz sicher auch auf die humorvolle Haltung meines Arztes zurückzuführen», sagt sie.

«In schwierigen Situationen kann der zurückhaltende Humor eine Brücke von Arzt zu Patient bilden und helfen, die Kluft zu überwinden», findet Dittert. Humor habe generell eine positive Wirkung auf das Wohlbefinden und schaffe Vertrauen. «Das Lachen und Scherzen mit dem Pflegepersonal hat befreiend gewirkt und die Zusammenarbeit gefördert», bestätigt Patientin Müller. Auch Kritik lasse sich mit Humor besser aufnehmen. «Durch eine ungezwungene, scherzhafte Bemerkung fühle ich mich nicht persönlich angegriffen.»

Zynismus kann hilfreich sein

«Wenn ich den Humor nicht hätte, wäre ich nicht mehr da», sagt der 51-jährige Zürcher Marco Brunori, Verfasser des Büchleins «Lieber von Picasso gemalt als von der Depression gezeichnet.» Brunori war jahrelang Anästhesiepfleger, bevor ihn die Depression aus dem Berufsalltag katapultierte. Seit seiner Jugendzeit lebt er mit teils schweren Depressionen und hat mehrere Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken hinter sich. Er zeichnet seit Jahren Cartoons, darunter auch viele, die sich mit dem Thema Depression auseinandersetzen. Der Zeichner begegnet der «Dame in Schwarz», wie der Psychoanalytiker C.G. Jung die Depression nannte, gerne mit Humor.

Darf man sich denn über die Depression lustig machen oder gar zynisch sein? «Man darf nicht nur, man muss sogar!», ist Brunori überzeugt. «Ich werde immer zurücklächeln, wenn mich die schwarze Begleiterin anlacht.» Zurückzulächeln bedeute, sich selber nicht allzu ernst zu nehmen. Wenn ihm Geschirr runterfalle und er wegen der Depression wieder mal davon ausgehe, dass dies immer nur ihm passiere, kontere seine Frau humorvoll: «Ja, das passiert nur dir!» Dies reiche oft schon aus, um eine Situation zu entschärfen.

Selbsthilfe durch Humor

Clowns helfen in Brunoris Augen nichts gegen den rabenschwarzen Zustand der akuten Depression. «Aber der spontane Humor im Alltag kann für psychisch Kranke überlebenswichtig sein.» Brunori geht so weit, dass er Zynismus und Ironie als wichtige Bestandteile im Besserfühlprozess erachtet. «Manche von Depressionen Betroffene können damit nichts anfangen, weil sie Zynismus nicht als wertschätzend empfinden», räumt er ein. Für ihn seien ehrliche Lebensbetrachtungen wichtiger als wohl gemeinte, aber unsinnige Ratschläge Gesunder. Er stehe deshalb auf zynische, aber ehrliche Sprüche, sagt Brunori und zitiert einen: «Kaum ist man über den Berg – schon gehts bergab.»

Man müsse selbst etwas dazu beitragen, um dem «Geisterleben» während einer Depression zu entwischen, findet Brunori. Ratschläge, man solle sich doch zusammenreissen, nützten genauso wenig, wie sich unter einer Decke zu verkriechen. «Genau dazwischen liegt der Humor. Er ist eine Möglichkeit, mit sich selbst und anderen wieder in Kontakt zu treten.»

Brunori hat während seiner Klinikaufenthalte das Personal seine spitze Zunge spüren lassen. Dabei sei er oft auf Unverständnis gestossen. «Das Fachpersonal der Kliniken reagiert auch heute noch – mit Ausnahmen – am distanziertesten und unsichersten auf Humor», bedauert er. Kaum habe er eine Bemerkung gemacht, sei er gleich analysiert oder mit der Frage «Wie meinen Sie das?» konfrontiert worden.
Freud adelte den Witz
Dabei hat Brunori in Sachen Humor einen renommierten Fürsprecher. Sigmund Freud, der Entdecker des Unbewussten, hat 1905 in seiner Studie «Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten» Witze beschrieben als eine Technik zum Ersparen von Konflikten, zur Lockerung von Verdrängungen und zum Lustgewinn.

*Name der Redaktion bekannt
(Berner Zeitung)

Erstellt: 14.04.2012, 11:44 Uhr

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