Penetrant

Sie gehören an Stammtischen zu den unsterblichen Mythen der Psychologie, die subliminalen Botschaften. Ende der 1950er Jahre ließ ein amerikanischer Werber in Kinofilme nur Millisekunden kurze Botschaften wie „Trinkt mehr Cola“ und „Esst mehr Popcorn“ einblenden und steigerte mit diesen – bewusst nicht wahrnehmbaren – Nachrichten angeblich den Umsatz an Cola um 18 und den an Popcorn um 58 Prozent. Das wurde wenig später platte Lüge enttarnt, das Unbewusste verwirft solche Nachrichten schlicht als nicht einzuordnenden Informationsmüll. Gut belegt ist indes die Wirkung von Penetranz in der Werbung: Egal, wie sehr Ihnen ein Slogan auf den Zünder geht (die hirnerweichende Seitenbacher-Müsli-Werbung soll ganz Deutschland schwabenfeindlich gemacht haben), so ist doch unbestritten, dass dem dauerpenetrierten Konsumenten das eingehämmerte Produkt im Zweifel als erstes einfällt. Wenn das stimmt, werden die Abgeordneten des Landtags künftig ihre Autos nur noch bei Europcar mieten. Alles, was man aus dem Plenarsaal des Stadtschlosses sieht, sind nämlich die forstgrünen Flaggen des Verleihers, der im Erdgeschoss des Mercure-Hotels sitzt und das gesamte Sichtfeld einnimmt. Da sind die Damen und Herren vermutlich froh um jeden Lkw mit einem anderen Aufdruck, der auf der Breiten Straße vorbeirauscht. Und hoffentlich über jede MAZ-Tram in Hausblau.

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Geradezu als Inbegriff von Penetranz gelten jene Damen und Herren, die im Auftrag der GEZ vorbeischauen, um zu gucken, ob alle Rundfunkgeräte angemeldet sind. Wer allerdings in dieser Woche, in der nicht nur nominell der November, sondern auch faktisch die Winterzeit und das dunkle Wetter begann, hoffte, die MAZ-Überschrift „GEZ verschont Schwarzseher“ entlaste die Haushaltskasse, weil die Herbstdepression als Ausrede zählt, den müssen wir enttäuschen: Nicht einmal ein ärztliches Attest rettet Sie vor den Rundfunkgebühren. Nachdem die Deutschen kürzlich wieder zum pessimistischsten Volk Europas gekürt wurden, hätte die GEZ andernfalls vom ersten Tag an keine Chance gehabt, und das penetrante Privatfernsehen wäre das einzige, das es gibt. Das wiederum wäre ein (weiterer?) Grund schwarzzusehen, selbst wenn es dann gar kein Schwarzsehen mehr gäbe.

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Ob ein Stein gegen bösen Blick auch gegen GEZ-Kontrolleure hilft, war vom aus Afrika zurückgekehrten Ex-Finanz-Ex-Innenminister Rainer Speer auf einer Gala diese Woche nicht zu erfahren. Speer, der nicht nur ein paar Skandale, sondern auch einige Kilo auf dem schwarzen Kontinent hinter sich gelassen hatte, präsentierte den Medien das magische Mitbringsel vermutlich nicht ohne Hintergedanken. War es doch auch der böse – das heißt: genaue – Blick der Medien, der ihn 2011 zum Rücktritt zwang. Ob das Amulett auch gegen penetrante Werbung hilft, kann Speer indes egal sein – dem Landtag im Stadtschloss wird er unter Garantie nicht angehören. Und gegen die Penetranz der Seitenbacher-Werbung ist vermutlich selbst afrikanische Magie machtlos. (Von Jan Bosschaart)

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