Partydroge auf dem Vormarsch – Crystal macht sofort süchtig

Berlin (dpa) - Zuerst macht es scheinbar stark - dann wirkt es zerstörerisch. Crystal breitet sich trotz aller Gefahren aus - es macht schon beim ersten Mal süchtig, warnen Experten. Jetzt soll der Kampf gegen eine der aggressivsten Droge effektiver werden.

An Cannabis hatte sich der junge Mann aus Sachsen gewöhnt. Kiffen gehörte zum Alltag. Da geriet er an Crystal - mit zehn Euro war er dabei. Die Wirkung schien phänomenal. Müdigkeit und Hunger waren wie weggeblasen. Er stand unter Strom, fühlte sich voller Energie. Doch schnell merkte er, dass er nicht davon loskam, aggressiv war, sich für immer weniger sonst interessierte. Sein Leidensweg begann.

Schlimme Suchtkarrieren mit Crystal sind laut Experten keine Seltenheit, auch wenn der Fall nach Beschreibungen von Therapeuten konstruiert ist. Neu ist sie längst nicht mehr, doch die Droge ist derzeit offensichtlich wieder auf dem Vormarsch.

Bei synthetischen Drogen wie Crystal könne schon der einmalige Konsum süchtig machen, warnen Experten. «Crystal ist offenbar in der Lage, sehr schnell in die Hirnchemie einzugreifen», erläutert Christa Roth-Sackenheim, Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Psychiater (BVDP) in Krefeld. «Wir halten sie eigentlich für die gefährlichste Droge, die im Moment auf dem Markt ist.»

Bei Menschen, die zum ersten Mal in ihrem Leben zu Drogen greifen, reichten schon «geringste Mengen» von einem Zehntel Gramm, um abhängig zu sein. Wer schon eine Drogenkarriere hinter sich hat, also «heavy user» ist, brauche vermutlich etwas mehr, sei aber genauso gefährdet. Die Effekte des Konsums beschreibt die Psychiaterin so: «Man fühlt sich sehr gut, hat keine Schmerzen, fühlt sich geliebt, ist euphorisch.» Alle menschlichen Grundängste seien wie weggeblasen, der Betroffene verspüre weder Hunger noch Müdigkeit und sei voller Selbstvertrauen. «Das passiert auch Leuten, die sonst von der Persönlichkeit her ganz anders sind», erklärt Roth-Sackenheim.

Bei Crystal und Co. bestehe ähnlich wie bei Cannabis die Gefahr, dass Geisteskrankheiten wie Psychosen hervorgerufen werden. «Eine angeborene Neigung zum Beispiel zu Wahnvorstellungen kann dazu führen, dass sie zutage treten. Wir sehen bei den synthetischen Drogen wie Crystal sehr häufig einen Persönlichkeitszerfall.» Bei Kokain oder Heroin bleibt die Persönlichkeit laut Roth-Sackenheim dagegen einigermaßen erhalten. Abhängige könnten noch ihrem Job nachgehen.

Als körperliche Folge nehmen Crystal-Süchtige der Expertin zufolge oft ab, sind infektanfälliger oder verwahrlosen. Insgesamt sei die billig herzustellende Droge lebensgefährlich. Die Therapie ist schwierig. «Wenn wir Glück haben und die Leute sind am Anfang ihrer Suchtkarriere, kann man sie in Einzelfällen ambulant behandeln.»

In den meisten Fällen sei aber eine intensive Behandlung in einer Klinik nötig. «Es ist eine medizinische Herausforderung, die Leute davon wieder wegzubringen», sagt Roth-Sackenheim. Denn die Wirkung der Suchtsubstanzen auf das Gehirn sei oft unklar. Daher wisse die Medizin kaum, wie am besten gegenzusteuern ist.

Opposition und Regierung wollen jetzt den Kampf gegen das bedrohliche Rauschgift verschärfen. Betroffen sind vor allem Bayern, Sachsen, Mitteldeutschland. Das kristalline Methamphetamin kommt überwiegend aus tschechischen Drogenküchen.

Es sind zwar nur vergleichsweise kleine Zahlen bekannter Fälle. Was Suchtexperten wie der bayerischen SPD-Abgeordneten Angelika Graf aber Sorgen macht, ist der Anstieg. Laut Drogenbericht 2012 wuchs die Zahl der gemeldeten Sicherstellungen der Droge zuletzt auf rund 2100 - ein Plus von 164 Prozent.

«Man muss davon ausgehen, dass die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher liegt», sagt Graf. «Die Schilderungen in den betroffenen Bezirken werden immer dramatischer.» Direkt nach der Sommerpause will die SPD die Bundesregierung per Antrag im Bundestag zu einem Bündel von sieben Schritten drängen - von mehr Prävention bis zu einem europaweiten Vorgehen gegen die Produktion.

Drogenbericht 2012 als pdf-Datei

Infos zu synthetischen Drogen wie Speed, Crystal und Ecstasy

Modedroge aus dem Labor

Crystal ist wie Ecstasy ein künstlich hergestelltes Aufputschmittel aus der Gruppe der Amphetamine. Gängige Abkürzungen in der Szene sind «C», «Meth», «Ice», «Crank» oder «Ruppe». Die synthetische Droge (Methylamphetaminhydrochlorid) wird zumeist in Privatlaboratorien produziert, besonders häufig in Tschechien. Die sächsische Grenzregion zählt deshalb verstärkt zu den Umschlag- und Konsumorten. Das Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte Methylamphetamin wurde unter anderem von Soldaten im Zweiten Weltkrieg eingenommen, um Angstzustände zu unterdrücken und die Konzentration zu erhöhen.

erschienen am 15.08.2012 um 13:56 Uhr

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