OWL: Psychologie-Professor über "Ehrenmorde" und den Fall Arzu Özmen

Wer ist für Sie ein "Ehrenmörder" und welche Vorstellungen von Ehre hat so jemand?
Das sind Personen, die ihre Normen und Werten so sehr verletzt sehen, dass sie sich sich dazu legitimiert fühlen, sie durch die Tat wieder herzustellen. Diese patriarchische Vorstellung von Ehre ist eng verbunden mit der Sexualität. Wenn sich eine Frau abnabelt und sich sexuell frei verhält, fühlt sich der Mann verpflichtet zu handeln, um die Ehre wieder herzustellen. Es geht in hohem Maße immer um Besitz: Er will zeigen, dass er die Kontrolle über sein Eigentum, die Frau, hat, ansonsten gilt er für die Gesellschaft als schwach und wird von ihr abgelehnt.



Sind die Taten religiös bedingt?
Sie werden so interpretiert. Dabei sind sie eine viel ältere Tradition, die in manchen Gesellschaften noch akzeptiert wird. Solche Fälle gibt es sogar in manchen christlichen Kulturen.

Bei einem Mord innerhalb einer Familie deutscher Herkunft würde man von einer Beziehungstat sprechen. Was ist hier anders?
Da gibt es psychische Unterschiede. Bei einem deutschen Ehemann geht es um einen inneren Konflikt, ausgelöst durch Eifersucht oder Verlust. Bei einem Ehrenmörder spielt auch der soziale Konflikt eine Rolle, die Gruppe. Es dreht sich alles um die Frage: Was denken die Verwandten? Sind wir schwach?

In Ihrer Studie sagen sie voraus, dass die Zahl solcher Morde in Deutschland in den nächsten 15 Jahren weiter steigen wird. Woran machen Sie das fest?
Es geht dabei um einen Generationenkonflikt. Die ältere Generation verliert an Macht, die nachfolgende Generation will ihre behaupten. Das führt zu einer Übergangsphase mit Krisen. Erst wenn die dritte oder vierte Generation selbst erwachsene Kinder hat, kann ein e Mentalitätsänderung erfolgen.

Was kann getan werden, damit es nicht zu "Ehrenmorden" kommt?
Verhindert wird das nur durch Mentalitätsänderung. Durch Aufklärung in Schulen, Kindergärten. Jugendliche müssen zu Multiplikatoren werden. Die meisten haben keine wirkliche Kenntnis über den Ehrbegriff, sondern führen einfach Taten aus. Die Aufklärung muss auf jeden Fall von innen, aus der eigenen Kultur, kommen - über Dritte wird es schwierig. Aber so lange einige Menschen solche Morde heimlich begrüßen, wird es sie weiter geben.

Hätte der Mord an Arzu Özmen verhindert werden können?
Sie hätte sich vielleicht von ihrer Familie komplett abnabeln und weit wegziehen müssen. Die erste Phase nach der Trennung ist die gefährlichste. Sie hat die Warnungen im Frauenhaus offenbar nicht ernst genug genommen.

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