„Ohne Lernen verlieren wir den Anschluss“

Simone Bruns lernte erst Schneiderin, dann studierte sie Psychologie und Wirtschaft. Die neue Leiterin der VHS ist ein Paradebeispiel für lebenslanges Lernen.

Simone Bruns ist die neue Leiterin der Volkshochschule in Düsseldorf – und bricht eine Lanze fürs Lernen.

Simone Bruns ist die neue Leiterin der Volkshochschule in Düsseldorf – und bricht eine Lanze fürs Lernen.

Simone Bruns ist die neue Leiterin der Volkshochschule in Düsseldorf – und bricht eine Lanze fürs Lernen.


Judith Michaelis

Simone Bruns ist die neue Leiterin der Volkshochschule in Düsseldorf – und bricht eine Lanze fürs Lernen.

Frau Bruns, welchen VHS-Kurs empfehlen Sie einer Frau, Mitte 50, Sachbearbeiterin, mit Hund und sportlichem Interesse?

Simone Bruns (lacht): Ich könnte mir vorstellen, dass sie gerne einen Kurs besucht, in dem sie andere Menschen kennenlernt. Yoga, Pilates oder Zumba, je nach Aktivitätsdrang. Oder vielleicht einen Erste-Hilfe-Kurs für den Hund. Den gibt es bei uns auch. Allerdings sagt die Erfahrung, dass Frauen um die 50 eine berufliche Fortbildung guttäte. Ich weiß, das hört sich nach Klischee an.

Stimmt.

Bruns: Ich habe viele Frauen-Coaching-Kurse gegeben und dabei festgestellt, dass Frauen ab 30 plus ihre Erfolge eher dem Glück als ihrem Können zuschreiben. Ihnen fehlt das Selbstbewusstsein. Ich habe erst begriffen, meine eigene Position realistisch einzuschätzen, als ich an dem Kurs „Gesprächs-Judo“ teilgenommen habe. Eine solche Erkenntnis ist persönlich wichtig, aber auch der Außenwahrnehmung förderlich.

In einem Interview haben Sie gesagt, Sie wollen mehr junge Kunden gewinnen. Müssen Sie sich nicht vielmehr um die geburtenstarken Jahrgänge von 1955 bis 1966 bemühen – Gut-Verdiener, gebildet, aktiv? Die bringen doch mehr.

Bruns: Diese Gruppe ist bei uns bereits etabliert und nimmt die VHS als Weiterbildungsträger wahr. Das ist bei den unter 40-Jährigen anders. Wenn sie Sport machen, gehen sie ins Fitnessstudio. Wenn Sie sich im IT-Bereich fortbilden, suchen sie sich private Anbieter. Sie wissen nichts von unserem sehr guten Angebot.

Oder misstrauen der Qualität. VHS klang immer schon ein wenig nach Hausfrauenkurs.

Bruns: Es gibt tatsächlich Menschen, die denken bei Breitenbildung nicht an Kompetenz, was absoluter Unsinn ist. Unsere Dozenten sind hochqualifiziert. Wir haben Spezialisten in so vielen Bereichen. Und: Diese Kollegen werden geliebt! Wenn einzelne die VHS aus irgendeinem Grund verlassen, gibt es fast immer Beschwerden aus der Teilnehmergruppe. Dennoch: Wir wollen unsere Wahrnehmung auffrischen, uns bei attraktiven Festen präsentieren. Und wir denken darüber nach, eine „Junge VHS“ zu etablieren. In einigen Städten gibt es sie bereits.

Der demografische Wandel beschert eine zunehmende Zahl an Senioren. Was gibt es auf diesem Gebiet für die VHS Düsseldorf zu tun?

Bruns: Wir müssen unsere Angebote für sie überdenken. Die heutigen Senioren und auch die zukünftigen sind keine betagten Menschen, die sich ein bisschen bewegen wollen. Sie nehmen Kulturangebote wahr, reisen und studieren Fremdsprachenkenntnisse. Genau da müssen wir ran, müssen den didaktischen Ansatz von Angeboten verändern. Denn es stimmt einfach nicht, dass ältere Menschen langsamer lernen. Sie wollen nur verstehen, was sie lernen; wollen lernen durch das Erleben und nicht durch das Lehrbuch.

Inwieweit ist der aktuelle Flüchtlingszustrom für die VHS ein Thema?

Bruns: Wir sind mit Deutsch-Unterricht gefordert, und die Nachfrage ist enorm. Wir hatten unfassbar lange Schlangen, als wir die Kurse eingerichtet haben. Die Menschen wollen Deutsch lernen und wir haben ein hohes Interesse daran, es ihnen so gut wie möglich beizubringen. Deswegen machen sie bei uns nicht nur einen Test, sondern unsere Dozenten beraten jeden Einzelnen, damit er in eine adäquate Gruppe kommt. Leider waren die Integrationskurse, die vom Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge finanziert werden, sehr schnell ausgebucht. Deswegen haben wir uns entschieden, einen zusätzlichen Kurs aus unseren Mitteln anzubieten. Wir hoffen, dass wir hier aufstocken können.

Was gibt es noch außer Sprachkursen für die Flüchtlinge?

Bruns: In einem Land ankommen, heißt, die Sprache zu sprechen. Jedoch haben wir gerade eine Projektgruppe gegründet, die sich mit weiteren möglichen Angebote beschäftigt, etwa musischer Art.

Ihr persönlicher Lebensweg ist abwechslungsreich: Schneiderlehre, Psychologiestudium, Wirtschaftsstudium, Coach, Hochschulleitung. An der VHS geht es eher gemächlich zu. Haben Sie keine Angst, sich zu langweilen?

Bruns: Lernen ist für mich grundlegend. Und wo würde ich dafür eine bessere Plattform finden als an der Volkshochschule. Ich glaube, meine Biografie musste so sein, wie sie ist, damit ich hier lande. Schule war nicht meine Zeit. Danach aber wollte ich alles Mögliche kennenlernen. Ich bin überzeugt, dass Menschen die Herausforderung des Lernens brauchen, um zu leben. Wir verlieren sonst den Anschluss, bleiben rückständig.

Gehört auch ein Kurs für die Herstellung von Marzipan-Pralinen dazu? Wer nimmt ein solches Angebot wahr?

Bruns: Vielleicht ist dieser spezielle Kurs aus einem allgemeinen hervorgegangen. Viele unserer Teilnehmer sind Wiederholungstäter. Und wenn sie eine Idee zu einem allgemeinen Angebot haben, das ausreichend nachgefragt wird, kommen wir den Vorschlägen gerne nach. In solchen Kursen sitzen übrigens Geschäftsmänner ebenso wie Mütter von drei Kindern, die ihre Backkünste vervollkommnen möchten.

Sie selbst haben an der VHS Düsseldorf zuletzt einen Kurs zur gewaltfreien Kommunikation besucht. Neigen Sie zu Wutausbrüchen?

Bruns (lacht): Nein. Eine Kollegin hat mir das Angebot empfohlen. Es war eine tolle Erfahrung, zu lernen, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen.



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