Ohne Egoismus wirst Du asozial!

Von Psychologie aktuell Redakteurin Julia Heidenreich.

Was ist die Grundvoraussetzung, um einen anderen Menschen und seine Interessen achten zu können? Selbstachtung! Wer sich selbst nicht respektiert, wird niemals in der Lage sein, andere Menschen auf erwachsene und reife Weise ernst zu nehmen.

Schon die Alten wussten es!

Diese Erkenntnis ist nicht das Ergebnis eines modernen Coaching-Workshops, sondern steht schon in der Bibel. "Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst", heißt es dort - und nicht "Liebe Deinen Nächsten mehr als Dich selbst"! Das bedeutet: man soll gut für sich selbst sorgen, damit man auch dem Mitmenschen eine Fülle von Gutem widerfahren lassen kann.

Dies ist ein feiner, aber absolut elementarer Unterschied. Auch die metareligiöse Goldene Regel, "Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst", berücksichtigt genau dies.

Psychotherapeuten kennen das Problem!

"Meine Erfahrung aus der Praxis ist: Nur wer Sinn für die eigenen Interessen hat, kann auch die Bedürfnisse anderer Menschen wahrnehmen", erklärt Therapeutin Klaudia Luise Weber. "Ohne einen gesunden Egoismus im Sinne eines Gewahrseins für die eigenen Wünsche und Grenzen, ist ein empathisches Miteinander völlig undenkbar".

Ist sich jeder selbst der Nächste?

Der Mensch ist in der Tat egoistisch veranlagt, denn nur so sicherte er einst sein Überleben in der Frühzeit der Menschheitsgeschichte. Allerdings weisen neuere Untersuchungen darauf hin, dass neben dem Egoismus auch eine Fähigkeit zu Kooperation und Mitleid angeboren ist.

Ungesund wird es dann, wenn einer dieser Faktoren zu stark wird oder sich erziehungsbedingt nicht gesund entwickeln kann. In der heutigen Zeit ist dies, anders als viele vermuten, gerade beim Egoismus der Fall.

Die Spätfolgen der Antiautoritären!

Im westlichen Kulturkreis erleben wir derzeit die zweite und dritte antiautoritär aufgewachsene Generation, und viele dieser Menschen haben einen Defekt an ihrem Ego. "Die Wahrnehmung der eigenen Interessen und das impulsive Ablehnen fremder Konzepte ist zunehmend mit einem schlechten Gewissen verkoppelt worden, was die Ausbildung einer gesunden Ich-Struktur stört", warnt die Autorin Hildergard Mannheim (93).

Sie habe über Jahrzehnte wechselnde Moden der Erziehung erlebt, doch keine habe der gesunden Ich-Entwicklung so nachhaltig geschadet wie die "antiautoritäre Ideologie".

Seelisch gefesselt?

Die jüngeren Menschen sieht Mannheim als "seelisch gefesselt" und in weiten Teilen "unfähig zur respektvollen Begegnung auf Augenhöhe". Nur, wer seine eigenen Interessen, Triebe und Impulse kenne und angstfrei mit ihnen umgehe, könne auch das Erziehungsziel einer Impulskontrolle erreichen.

Einem Menschen, dem von klein auf alle Egoismen negativ besetzt werden und Selbstlosigkeit sowie bedingungslose Toleranz aufgezwungen werde, würde die Möglichkeit genommen, "zum reifen Erwachsenen heranzuwachsen, der gleichberechtigte Verschiedenartigkeit entspannt ertragen kann".

Immer mehr Rechthaber!

"Schauen Sie sich doch nur an, wieviele Rechthaber heutzutage unterwegs sind", gibt Mannheim zu bedenken. "Hoch persönliche Dinge wie etwa Fragen der Ernährung oder Lebensführung werden moralisch aufgeladen, mal im Namen der Ökologie, mal im Namen des Sozialen und dann wieder im Namen des Glaubens".

Dabei seien dies alles nur "vergesellschaftete Egoismen". Denn es gelte: "Wer gelernt hat, keine eigene Meinung haben zu dürfen, wird seinen Egoismus unbewusst zum allgemein erstrebenswerten Gut verwandeln und der Gemeinschaft aufdrücken wollen".

Der Egoismus finde bei diesen Menschen seinen Weg in die Welt nicht als erklärter persönlicher Wille, sondern "verkleidet als allgemeingültiges Dogma", und das sei "nicht nur ungesund, sondern auch asozial und ekelhaft".

Eine Generation der kastrierten Egos?

Wir hätten es als Spätfolge einer falsch verstandenen Kuschelpädagogik mit "lauter kastrierten Egos" zu tun, die zu "übergriffigen Tugendwächtern werden, oder aber zu den höchstneurotischen Stammkunden beim Analytiker".

Dagegen helfe nur: ein gesunder und ehrlicher Respekt vor sich selbst, der zum Respekt vor dem Fremden ertüchtige, sowie ein "gründliches Aufräumen mit den Spätfolgen der antiautoritären Erziehung", so Mannheim.

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