Nur zwei Psychologen im deutschen Olympia-Team

Von Britta Körber, dpa

In der Mensa des olympischen Dorfes wird Thorsten Weidig schon mal vorsichtig angesprochen. «Das läuft selten über die offizielle Schiene, eher über das Kennenlernen», erzählt der Psychologe des deutschen Olympia-Teams in Sotschi.

Er hätte jetzt Zeit für neue Aufgaben und bietet den Olympioniken seinen Rat an. Die Curler, die er vor und während Olympia intensiv betreute, sind ausgeschieden. Interesse an mentaler Beratung haben viele Leistungssportler, doch die Vorurteile sind immer noch groß. Schwächen geben die wenigsten gern zu.

Weidig ist der einzige offiziell akkreditierte Mentalcoach in Sotschi, in den Bergen ist Kollege Kai Engbert für die Snowboarder zuständig. Beide arbeiten zusammen an der Berliner Hochschule für Gesundheit und Sport und schätzen sich. «Der Kopf ist der wichtigste Muskel», heißt es auf der Homepage von Engbert. Das Potenzial wird selten ausgeschöpft, sagen die Fachleute.

Nur die wenigsten stehen so offen zu ihren mentalen Beratern wie Eiskunstläufer Peter Liebers. Er macht keinen Hehl daraus, den Durchbruch in die Weltspitze mit Hilfe des Berliners Veit Klenner geschafft zu haben. Früher war er vor dem Betreten des Eises bei großen Wettkämpfen ein Nervenbündel. «Meine Trainerin Viola Striegler ist auch immer sehr nervös, da hilft mir der Veit in der Vorbereitung enorm», sagt der 25-Jährige.

Mit Klenner arbeitete er einen Plan aus, weiß genau, wie er sich auf den Punkt konzentrieren kann. Klenner reiste nach Sotschi und besuchte Liebers regelmäßig im Olympischen Dorf. Platz sechs bei der EM und acht bei Olympia sind der Beweis für die neue Stabilität. Engbert reiste mit den Snowboardern nach Russland und arbeitet gelegentlich auch mit Fritz Dopfer zusammen. Der Skifahrer sagte einmal, dass das «ein kleines Mosaiksteinchen» seines umfassenden Trainings sei.

Genau so sieht es auch Weidig, der viele Jahre mit Tischtennis-Nationalspielern und den Nachwuchs-Fußballern beim Hamburger SV arbeitete. Er setzt nie auf kurzfristige Effekte: «Was den Erfolg ausmacht, sind viele unscheinbare Schritte.» In Sotschi leidet er ein wenig mit, wenn der HSV verliert und die Profis sogar von den eigenen Fans beschimpft werden. «Viele sind der Meinung, wenn ich nur sage, hab' Selbstvertrauen!, geht das automatisch», erzählt Weidig. In der Realität ginge das aber nicht so einfach. «Man könnte so viel dabei herausholen, wenn man nachhaltig arbeitet. Das ist alles sehr schade», betont er.

Lange arbeitete er mit Nachwuchsleuten wie Verteidiger Jonathan Tah. «Es hat mich sehr gefreut, als er den Schritt zu den Profis geschafft hat. Er ist sehr zielfokussiert und auf dem Boden geblieben», erzählt Weidig. Nach drei Jahren und vielen Führungswechseln bei dem Bundesligisten wurde seine Arbeit nicht mehr geschätzt. «Das ist schade für die jungen Fußballer, gerade im Fußball gibt es einen großen Nachholbedarf. Das Potenzial, am Kopf zu arbeiten, wird bei weitem nicht ausgeschöpft.»

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