Notenbanken und Börsen Vieles ist Psychologie

Anleger reagierten geschockt auf die Ankündigung, dass die Fed ihre monatlichen Staats- und Hypothekenanleihekäufe in Höhe von 85 Milliarden US-Dollar reduzieren könnte. Die Liquiditätsspritzen sind der Treibsatz für steigende Aktienkurse. Doch der gute Konjunkturverlauf in den USA erfordert ein Umdenken – jedem musste das klar sein. Bernanke wird den Geldhahn langsam zudrehen – expansiv bleibt die Geldpolitik in den USA aber trotzdem. Und weil der Notenbankchef das nun auch noch einmal so gesagt hat, sind die US-Börsen wieder auf neue Rekordstände geklettert. Worte sind stärker als Taten.

Sorge bereitet den Investoren seit geraumer Zeit auch die wirtschaftliche Entwicklung Chinas. Die Ära mit Wachstumsraten jenseits der Zehn-Prozent-Marke ist endgültig vorüber. 7,5 Prozent mehr Wirtschaftsleistung sind das Ziel für dieses Jahr. Enttäuschend für alle, die auf China als Weltkonjunkturlokomotive setzen. Umso schockierender waren vergangenen Freitag die Andeutungen von Finanzminister Lou Jiwei, das Wachstum könne mit sieben Prozent noch geringer ausfallen. Der Kurseinbruch an den Börsen blieb aus. Im Gegenteil: Für das zweite Quartal meldete das Statistikamt in Peking zu Beginn dieser Woche 7,5 Prozent Wachstum. Weil die Anleger zuletzt mit Schlimmerem gerechnet hatten, verhalf der schwächste Zuwachs seit 20 Jahren am Ende den Aktien noch zu Kursgewinnen. Worte sind stärker als Daten.

Weitere Senkung des EZB-Leitzinses? Die Wahrscheinlichkeit wächst

In Europa schwelt die Schuldenkrise weiter. Mit einem Flächenbrand ist vorerst nicht mehr zu rechnen – auf die Europäische Zentralbank ist als Feuerwehr Verlass. Sicher, die Konjunktur in Italien, Spanien und Frankreich schwächelt. Dringend notwendige Strukturreformen werden nicht konsequent umgesetzt. Fast könnte man meinen, die Investoren sind froh über die geringen Fortschritte. Sie sind der Garant für eine lockere Geldpolitik der EZB. Einiges spricht dafür, dass die Währungshüter in den kommenden Monaten ihren Leitzins weiter absenken und mit sogenannten unkonventionellen Maßnahmen das Finanzsystem geschmeidig halten.

Wie sehr die Investoren an den Kapitalmärkten der EZB vertrauen, belegt auch die Diskussion um Portugal. Die Regierung in Lissabon hat die Troika, eine Expertengruppe der EU, EZB und des Internationalen Währungsfonds, gebeten, die Prüfung seiner Reform- und Sparmaßnahmen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Die Angst, der südeuropäische Krisenstaat könnte von seinem Sparkurs abkommen, wurde am Rentenmarkt mit höheren Risikoaufschlägen quittiert – aber nur für portugiesische Staatsanleihen. Vor gar nicht langer Zeit hätte die aktuelle Entwicklung in Portugal noch für eine Zuspitzung im gesamten Euroraum getaugt.

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