Neurologie: Linkshänder können alles – außer Schönschrift – Nachrichten …

Linkshänder gibt es schon im Mutterleib, und es gab sie schon vor über einer Million Jahren. Sie sind von der Natur keineswegs benachteiligt, wohl aber von ihrer Umwelt: Viele Gegenstände des Alltags sind für Rechtshänder konstruiert, und die rechtshändige Gesellschaft hält sich selbst für etwas Besseres.


Barack Obama: Ein Beispiel für einen erfolgreichen Linkshänder.

Foto: dpa
Er ist der wohl mächtigste Linkshänder der Welt: US-Präsident Barack Obama unterzeichnet mit der linken Hand...


Bill Clinton

Foto: pa
... sein Amtsvorgänger tat Gleiches: Auch Bill Clinton ist ein überaus erfolgreicher Linkshänder.


Foto: akg
Schon von Alexander dem Großen I ist bekannt, dass er Linkshänder war.


Foto: picture-alliance / ©Leemage
Genau so auch Julius Caesar.


Foto: picture-alliance / dpa
Sergej Wassiljewitsch Rachmaninow komponierte und dirigierte mit der Linken.


Foto: KPA
Charlie Chaplin war Linkshänder und daher auch Linksraucher.


Foto: A_0001_upi
Jimi Hendrix brauchte als Linkshänder genau so eine besondere Gitarre ...


Foto: AP
... wie Ex-Beatle Paul McCartney sie noch heute spielt.


Foto: Zephir
Linkshänder Klaus Kinski geht bei Dreharbeiten im Jahr 1987 dem Regisseur Werner Herzog an den Hals.


Foto: picture-alliance / dpa
In der Welt der Simpsons gibt es viele Linkshänder - schließlich ist auch ihr Erfinder Matt Groening einer.


Foto: APA
Linkshänder, aber Beidfüßer: Fußballstar Pelé.


Foto: RTL
Uri Geller hält den Löffel in der linken Hand - zum Verbiegen benutzt er allerdings angeblich nur seine geistige Kraft.


Foto: AP
Sie genießt es, anders zu sein. Klar, dass auch Angelina Jolie Linkshänderin ist.

Völlig zu Unrecht, stellen Wissenschaftler der Berliner Charité fest: Linkshändigkeit ist eine völlig gleichwertige Variante der Norm. Links- und Rechtshänder haben mit wenigen Ausnahmen die gleichen gesundheitlichen Chancen und Risiken und keinen Grund, auf den anderen herabzuschauen.

Stefan Gutwinski und sein Team aus Neurologen und Psychiatern der Charité haben im „Deutschen Ärzteblatt“ die bisherigen Erkenntnisse der Wissenschaft zusammengefasst. Sie stießen dabei auf verblüffende Fakten. So variiert etwa die Zahl der Linkshänder je nach Kultur und Region zwischen fünf und 25,9 Prozent und ist bei Männern höher als bei Frauen. Eine Erklärung dafür fanden sie jedoch nicht. Dass es bereits vor einer Million Jahren Linkshänder gab, beweisen die Handabdrücke und Malereien an urzeitlichen Höhlenwänden.


Henry Maske, Profi-Box-Weltmeister

Foto: dpa
Linkshänder haben Vorteile im Sport: Ex-Boxer Henry Maske boxte meist mit links.


Foto: EPA
Linkshänder und Tennis-Crack Rafael Nadal.


Boll

Foto: EPA
Timo Boll (Einzel und Mannschaft), Medaillenchance.


Foto: DPA
Diese Hände gehören Golf-Profi Phil Mickelson (USA). Auch er ist Linkshänder.


Baseball - Chinese Kai Liu zu den Yankees

Foto: Landov
Der chinesische Linkshänder und Baseball-Pitcher Kai Liu von den Guangdong Leopards durfte jüngst mit Genehmigung des chinesischen Verbandes von den New York Yankees verpflichtet werden.


Foto: Landov
Cole Hamels, Starting Pitcher der Philadelphia Phillies, wirft hier mit links im Busch Stadium in St. Louis.


Foto: APA
Linkshänder: der australische Golf-Profi Richard Green.


Tennis BMW Open in München - Jarkko Nieminen

Foto: dpa
Der finnische Tennisprofi Jarkko Nieminen ist ebenfalls Linkshänder.


Handball-WM Deutschland - Frankreich 32:31

Foto: dpa
Viele Handballer sind Linkshänder - hier strebt Florian Kehrmann zum Torwurf.

Die Vorliebe für links kann vererbt werden: Linkshändige Menschen haben häufiger linkshändige Eltern, insbesondere linkshändige Mütter. Eineiige Zwillinge haben zu 81,2 Prozent die gleiche Händigkeit, zweieiige dagegen nur zu 73,3 Prozent. Die Händigkeit adoptierter Kinder entspricht häufiger jener der biologischen als der Adoptiveltern.


Kinder, die im Frühjahr und Sommer geboren werden, bevorzugen häufiger ihre linke Hand. Die Ursache liegt möglicherweise am Mangel an Sonnenlicht während der Schwangerschaft und dem dadurch veränderten Vitamin-D-Haushalt der Mutter.

Die Vorliebe für eine Hand entsteht nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits im Mutterleib: Die Mehrzahl der Ungeborenen lutscht am rechten Daumen, bewegt häufiger den rechten Arm und hält den Kopf nach rechts gedreht. Linkshändigkeit kann durchaus von Vorteil sein, betont Gutwinski: Unter bedeutenden Musikern und erfolgreichen Sportlern gibt es viele Linkshänder. Linksausleger gelten besonders unter Tennisspielern, Judoka und Boxern als gefürchtete Gegner.

Freie Hand für den Degen

Die Wendeltreppen in mittelalterlichen Festungen waren rechtsdrehend ausgelegt, sodass der in der Regel rechtshändige Verteidiger freie Hand für die Degenführung hatte, während ein rechtshändiger Angreifer im Nachteil war. Nur wenn der Eindringling mit links zu fechten verstand, während er die Stufen hochstürmte, hatte er eine Chance.

Doch meist steckt unsere „rechtsdrehende“ Welt für Linkshänder voller Fallen. Wer jemals versucht hat, einen normalen Dosenöffner mit der linken Hand zu bedienen, mit einem normalen Soßenlöffel „links“ Bratensaft zu schöpfen oder mit der linken Hand einen Korkenzieher zu benutzen, weiß um die Schwierigkeiten linkshändiger Menschen. Sie reichen von den Arbeitsplätzen, wo viele Griffe für Rechtshänder angebracht sind, bis in die Freizeit: Selbst die „einarmigen Banditen“ in Spielkasinos sind rechts zu ziehen. Einige Studien weisen für Linkshänder ein erhöhtes Unfallrisiko auf.

Diese Nachteile dürfen allerdings kein Grund dafür sein, ein linkshändig veranlagtes Kind auf rechts umzugewöhnen, was bis in die 1960er-Jahre beim Schreibunterricht gang und gäbe war. Man weiß nämlich mittlerweile, dass solche Umschulungsversuche von linkshändigen Kindern oft Sprachstörungen und auch Verhaltensstörungen zur Folge haben, weil die beiden Hirnhälften des Kindes, in denen die intellektuellen Leistungen gesteuert werden, bei dieser „Umschaltung“ gleichsam miteinander in Konflikt geraten.


Über die Zahl der Linkshänder in Deutschland gibt es keine zuverlässigen Angaben. In Statistiken ist von sieben bis zehn Prozent der Bevölkerung die Rede, aber manche Forscher gehen davon aus, dass es ebenso viele Links- wie Rechtshänder gibt.

Die Händigkeit - also welche Hand bevorzugt benutzt wird - ist angeboren.

Viele Eltern sind verunsichert, wenn sie feststellen, dass ihr Kind ein Linkshänder ist. Im folgenden einige Ratschläge der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung:

Dominante Hand erkennen:


Anfangs benutzen viele Kinder beide Hände etwa gleich häufig. Bis zum Schulbeginn sollte die dominante Hand bekannt sein. Im Zweifelsfall kann ein Experte die Händigkeit des Kindes abklären.

Lockere Haltung beibringen:


Linkshändigen Kindern sollte man eine lockere Schreib- und Malhaltung zeigen und mit ihnen üben, wie sie Stifte halten und das Mal- und Schreibpapier legen können. Denn das Schreiben von links nach rechts führt bei Linkshändern leicht zu einer verkrampften Haltung, die langfristig Haltungsschäden verursachen kann.

Freie Wahl beachten:


Früher wurden Linkshänder zu Rechtshändern "umgeschult". Davon raten Wissenschaftler heute ab. Eltern sollten also darauf achten, dass das Kind von Anfang selbst wählen darf, mit welcher Hand es etwas tut, und dies auch vor anderen Personen durchsetzen.

Gefahren erkennen:


Die Alltagswelt ist für Rechtshänder gemacht - Linkshänder müssen immer wieder umdenken und sind deshalb womöglich oft unkonzentriert. Eltern von linkshändigen Kindern sollten deshalb drohende Gefahren rechtzeitig erkennen.

Spezielles Werkzeug besorgen:


Es gibt bestimmte Gebrauchsgegenstände, die Linkshändern das Leben erleichtern, wie spezielle Scheren, Spitzer oder Stifte.

Heute wird in den Schulrichtlinien fast aller Bundesländer ausdrücklich vor der Veränderung einer bestehenden Linkshändigkeit gewarnt. Linkshändige Kinder sollten ihre Veranlagung als natürlich und gleichberechtigt erfahren.

Seit vielen Jahren kämpft die Münchner Psychologin Johanna Barbara Sattler, Leiterin der ersten deutschen „Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder“ für die Rechte von Linkshändern zur Benutzung ihrer bevorzugten Hand. Sie sagt: „Eine Umschulung der Händigkeit bedeutet einen unblutigen, zum Teil massiven Eingriff in das menschliche Gehirn.

Folgen der Umschulung der Händigkeit können sein: Gedächtnisstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten, Unsicherheiten bei der Orientierung im Raum, feinmotorische Störungen oder Sprachstörungen wie etwa Stottern.“ Um einem eventuellen Drall nach links auf die Spur zu kommen, sollten Eltern darauf achten, mit welcher Hand ihr Kind bestimmte Bewegungen am liebsten ausführt – etwa beim Malen, Blumengießen oder Zähneputzen.


Foto: Okapia
Die Doppelhelix der DNA ist links gewunden: Würde sich ein winziges Auto auf einem Strang aufwärts bewegen, müsste es immer eine Linkskurve fahren. In Analogie zur technischen Schraube wird sie aber auch als rechts geschraubt bezeichnet. Diese Form der Doppelhelix ist bei allen Lebewesen identisch. Nur so lassen sich die biochemischen Bausteine kombinieren.


Foto: pa
Schneckenhäuser drehen gegen die Uhr. Die extreme Schraube von Schneckenhäusern hat sich über Jahrmillionen entwickelt. Die Schale der Weinbergschnecke windet sich linksherum, gegen den Uhrzeigersinn. Nur eine von 20.000 Schnecken hat eine Rechtsschraube. Solche "Schneckenkönige" entspringen einer genetischen Veränderung, durch die auch die Organe im Körper andersherum angeordnet sind. Unter Sammlern sind sie sehr begehrt.


Foto: pa
Seezungen liegen auf der linken Seite. Plattfische sind nicht von Anfang an flach. Als Larven sehen sie wie alle Fische torpedoförmig aus. Erst später verschiebt sich der Schädel, und ein Auge wandert auf die Oberseite. Butte liegen nach der Umwandlung mit ihrer rechten Körperseite auf dem Boden, Schollen und Seezungen (Foto) mit ihrer linken Seite. Der abgeflachte Körper ist eine Anpassung an das Bodenleben in guter Tarnung.

Linkshändige Kinder sind weder linkisch noch dumm, sondern genauso normal wie rechtshändige Kinder. Untersuchungen haben allerdings ergeben, dass Linkshänder und Beidhänder häufiger Sprachentwicklungsstörungen aufweisen und auch beim Lesenlernen Schwierigkeiten haben. Sie bedürfen einer sorgfältigen Führung, Geduld und Ermutigung in der Erziehung.

Eltern und Lehrer sollten diesen Kindern entgegenkommen und an Schreibgeschwindigkeit, Schönheit und Exaktheit keine übertriebenen Forderungen stellen. Hier hapert es allerdings: Viele Lehrer sind für eine richtige Förderung links schreibender Kinder nicht ausgebildet worden.

Besonders wichtig ist: Das linkshändige Kind muss eine positive Einstellung zu seiner Linkshändigkeit bekommen. Es sollte wissen, dass es weder behindert noch gestört ist. Linkshänder sind sogar deutlich überrepräsentiert im Klub der Intelligenzbestien („Mensa“) und sehr häufig Künstler und Wissenschaftler.

Goethes „Faust“, die Relativitätstheorie (Einstein), das Lächeln der Mona Lisa (Leonardo da Vinci), die Sixtinische Kapelle (Michelangelo) und Beethovens Neunte verdankt die Menschheit Linkshändern. Bemerkenswert auch, dass es unter den letzten fünf Präsidenten der USA vier Linkshänder gab beziehungsweise gibt: Ronald Reagan, George Bush senior, Bill Clinton und Barack Obama.

Open all references in tabs: [1 - 5]

Leave a Reply