Neuro-Marketing: Darum kaufen wir, was wir kaufen

Neurowissenschaftlern zufolge ist es unser Unterbewusstsein, das mehr als 85 Prozent aller Kaufentscheide fällt. Zwei Drittel dieser Entscheide sind nicht geplant, sondern erfolgen spontan. Einkaufen in einem Supermarkt geschieht also nicht zufällig.

«Hinter dem Eingang sollte eine Art Landezone sein», schreibt Paco Underhill, amerikanischer Supermarktforscher in seinem Buch «Call of the Mall: The Geography of Shopping». Diese «Bremszone» diene dazu, dass der Kunde sich an die Atmosphäre gewöhnt. Danach sollten verschiedene Welten kommen: Frucht und Gemüse, dann die Backwaren und schliesslich Fleisch, Fisch und Käse. Preisgünstigere Produkte sind in der Bückzone aufgestellt und in der Regel orange angeschrieben.

Supermärkte führen die Kunden linksherum durch den Markt. So müssen die mehrheitlich rechtshändigen Kunden ihren Weg korrigieren und sind länger unterwegs – wie bei Ikea. Das erhöht das Geldausgeben: «Bis zu 10 Prozent mehr Umsatz» bescheinigt der Einkaufsforscher Herb Sorensen dem Einkaufen gegen den Uhrzeigersinn.

Neurologen untersuchen mittels Magnetresonanztomographen, welche Reaktion ein Produkt im Gehirn einer Versuchsperson auslöst. Aus der Hirnaktivität können Neurologen vorhersagen, welche Reize für den Kauf eines Produktes ausschlaggebend seien und ziehen daraus Analogieschlüsse. Marketing und Werbung machen sich dies zunutze.

Vanilleduft geht immer

Nicht nur Gefühle, auch Gerüche beeinflussen den Kaufentscheid. Wo es gut riecht, hält man sich länger auf. Vanilleduft wirkt verkaufsfördernd, weil er an Muttermilch erinnere. Der Geruch von frischem Brot weckt Kindheitserinnerungen. Schweizer Detailhändler wie die Migros leiten den Geschmack aus den Hausbackstellen daher bewusst in den Verkaufsraum ab. Singapore Airlines versprüht ein eigenes Parfum in den Flugkabinen. Ein Duft, der vernetzt mit anderen Sinneseindrücken im Hirn gespeichert wird. Er soll alle positiven Emotionen früherer Flüge im Körper des Passagiers reproduzieren. St. Moritz gibt Ende Jahr einen Raumspray heraus, der Schnee, Sonne und Bergluft der Feriendestination evoziert.

Wird Geschmack mit einer Geschichte verbunden, ist das eine unschlagbare Kombination, wie ein Vergleich von Coca-Cola und Pepsi zeigt. In einem Blindtest bevorzugten Probanden nicht Coca-Cola, sondern Pepsi. Ein Hirnscanner belegte, dass bei Genuss von Pepsi das neuronale Belohnungszentrum wesentlich stärker aktiviert wurde als beim Konkurrenzgetränk. Im Vergleichstest aber, bei dem die Marke den Probanden bekannt gemacht wurde, schnitt Coca-Cola besser ab.

Musik beruhigt

Dank der Neurologie weiss man auch, dass Kunden sich am liebsten in Läden aufhalten, deren Hintergrundmusik langsamer ist als die eigene Herzfrequenz. Nach diesem Prinzip kurbelt italienische Musik im Grossverteiler den Verkauf von italienischen Weinen an, während französische Chansons den Umsatz von Bordeaux-Weinen fördern. Am besten ist laut Forschern die Musik, die wir nicht bemerken. Sie soll 72 Pulsschläge pro Minute haben – so viel wie der durchschnittliche Ruhepuls.

Der amerikanische Verhaltensökonom Dan Ariely geht weiter. In einem Artikel in der Zeitschrift «Nature» entwirft er neue Produkte, die ganz gezielt auf die maximale Stimulierung bestimmter Hirnareale hin entwickelt werden. Sogar eine Art Super-Heroin an der Nahrungsmitteltheke hält der Forscher für denkbar: ein Produkt, das so genussvoll ist, dass es selbst für die asketischsten Zeitgenossen einfach unwiderstehlich ist.

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