"Nehme bewusster wahr"

Herr Havener, mit welcher Berufsbezeichnung tragen Sie sich ins Hotel ein? THORSTEN HAVENER: Kommt darauf an. Krperleser, Entertainer, Autor. Momentan als Entertainer, mache ich eine Lesung, dann freut es mich, Autor einzutragen (lacht).

Die Zauberrequisiten seines verstorbenen Bruders haben in ihm die Leidenschaft fr die Illusion, die Hypnose und das Gedankenlesen geweckt. Heute sieht sich Thorsten Havener als Unterhalter, der auch als Buchautor sehr erfolgreich ist. Mit dem Mentalisten hat Sabine Ackermann gesprochen. Fotos: Sabine Ackermann

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Die Zauberrequisiten seines verstorbenen Bruders haben in ihm die Leidenschaft fr die Illusion, die Hypnose und das Gedankenlesen geweckt. Heute sieht sich Thorsten Havener als Unterhalter, der auch als Buchautor sehr erfolgreich ist. Mit dem Mentalisten hat Sabine Ackermann gesprochen. Fotos: Sabine Ackermann 

Thorsten Havener tourt mit seiner gleichnamigen Show quer ber den Kontinent und verrt dem Publikum mehr ber den Krpersprachencode.

Foto: Ufuk Arslan

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Thorsten Havener tourt mit seiner gleichnamigen Show quer ber den Kontinent und verrt dem Publikum mehr ber den Krpersprachencode. 

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Herr Havener, mit welcher Berufsbezeichnung tragen Sie sich ins Hotel ein?

THORSTEN HAVENER: Kommt darauf an. Krperleser, Entertainer, Autor. Momentan als Entertainer, mache ich eine Lesung, dann freut es mich, Autor einzutragen (lacht). Meistens ist es tatschlich so, dass ich Unterhalter reinschreibe. Ich habe lange berlegt, wie soll ich denn das, was ich in der Show mache nennen? Zaubershow? Trifft es nicht ganz, obwohl ich ja kein Hehl daraus mache, dass auch Illusionen gezeigt werden. Inzwischen hat sich das so stark entwickelt, sind vielfltige Elemente drin. Meine Fhigkeiten als Mischung aus Beobachten, Beeinflussen, Illusion und Intuition habe ich in die Show gepackt. Deshalb ist es inzwischen die Thorsten Havener Show.

Wie genau wrden Sie Ihre Fhigkeiten beschreiben?

HAVENER: Letztendlich tauche ich in Bereiche ein, die mich seit meiner Jugend interessieren. Das fngt bei der Zauberkunst an und fliet ber in Krpersprache, das Lesen von Gesichtern, Hypnose, Emotionen, Manipulation, Motivation und Psychologie. Aber auch Grenzwissenschaften wie Handlesen und die Geschichte des Schamanismus haben mich von frh an gereizt und Einfluss auf meine Programme und Bcher genommen. Das Interessante ist: Ich nehme Dinge nur bewusster wahr als andere. Beschftige mich intensiv mit meinen Mitmenschen und schau nicht stndig aufs Smartphone (lacht). Genaugenommen bemerkt jeder gewisse Details bei seinem Gegenber, meist intuitiv und unterbewusst. Insofern entsteht dann oft der Eindruck einer Person, den man landlufig als Bauchgefhl kennt. Ich denke, dass ich nicht viel mehr wahrnehme als andere Leute, ich kann es mir nur bewusst machen und deuten.

Trgt das Gefhl, dass Sie im Fernsehen oder auf Ihren Tourneen erst seit zwei, drei Jahren richtig eingeschlagen haben, man Sie zuvor nicht so wahrgenommen hat?

HAVENER (lacht): Ich feiere nchstes Jahr tatschlich mein dreiigjhriges Bhnenjubilum. Meine erste Tournee 2005 war schon recht erfolgreich und im selben Jahr lief auf SAT 1 zu einer recht familienfreundlichen Zeit die Sendung der Gedankenleser. Und ab da ging es los. Mit der Verffentlichung meines ersten Buches 2008 ging es nochmal eine Stufe nach oben. Doch ihre Wahrnehmung ist sicher richtig. Seit ungefhr drei Jahren, nachdem ich auch mein Management gewechselt habe, hat die Prsenz stark zugenommen und der Knoten ist geplatzt.

Gab es einen Auslser fr Ihr Talent, Ihre Fhigkeiten? Womglich der obligatorische Zauberkasten zum Geburtstag?

HAVENER: Im allerersten Kapitel meines ersten Buches steht geschrieben, warum ich das mache, was ich mache. Im April 1986 ist mein Bruder gestorben, er war 19, ich 13. Er hat als Jugendlicher gezaubert. Mit wenig Erfolg: Handwerklich geschickt, musste er aber bei jedem Trick grinsen. Ich war nie verblfft, seine Krpersprache verriet ihn. Monate nach seinem Tod fand ich seine Zaubertricks in einer Schublade - wahrscheinlich war das der wichtigste Moment in meinem beruflichen Leben. Ich erinnere mich noch genau daran. . . da begann meine Leidenschaft fr diese Kunstform, die mich bis heute nicht losgelassen hat. Mit seinen Requisiten habe ich sehr oft gebt. Vieles einstudiert, mir quasi alles autodidaktisch angeeignet. Dazu kam das Glck, bereits im Dezember desselben Jahres auftreten zu knnen. Aber wie berall, ist eine gewisse Begabung Grundvoraussetzung und man sollte schon viel Zeit, Ausdauer, Flei und Liebe investieren.

Wie viele Bcher haben Sie mittlerweile geschrieben?

HAVENER: Vier. Ich mag es zu schreiben. Allerdings stehe ich auch unheimlich gern auf der Bhne. Dabei bin ich sehr extrovertiert. Ich mag dieses unterwegs sein, unter Strom stehen, jeden Abend rausgehen, mit den Zuschauern feiern, denn es geht ja nur um gute Laune. Mein einziges Ziel in der Show ist, dass die Leute besser gelaunt rausgehen, als sie herein gekommen sind. Selbst bei derzeit 150 Auftritten im Jahr. Aber als introvertierter Mensch im Privaten liebe ich es genauso, mich mal zwei Monate auszuklinken, am Schreibtisch zu sitzen und zu schreiben. Dann habe ich einen ganz geregelten Tag und kann etwas mit meiner Familie, insbesondere mit meinen drei Kindern, unternehmen. Ich glaube, jeder Knstler geht nicht einfach so auf die Bhne. Die einen brauchen es als Ventil, die anderen verarbeiten vielleicht irgendetwas, was ihnen frher mal passiert ist. Ich denke, die meisten Menschen, die auf der Bhne stehen, sind dort ganz anders.

Nicht jedes Kind kann von sich behaupten, mein Papa ist Gedankenleser. Kommen da nicht stndig Stze wie: Rate mal was ich gerade denke, was ich in meiner Tasche habe?

HAVENER: Na klar, solche Spiele finden bei uns daheim auch mal statt (lacht). Dadurch, dass ich mich schon so lange mit Zauberkunst und Unterhaltung beschftigte, ist das aber fr meine Familie ganz normal, Gewohnheit eben. Fr jemanden mit einem vertrauten, gngigen Beruf, ist das bestimmt eine schillernde, besondere Welt, in der ich mich bewege. Doch ich bin daheim nicht der groe Star, um Gottes willen. Nein, Papa geht arbeiten und gut ist es. Zum Beispiel merke ich mir auf der Bhne ganz viele Sachen und privat bin ich der vergesslichste Mensch, den sie sich vorstellen knnen. Daheim hilft auch mein Wissen ber Beeinflussung nicht, da hrt nicht mal der Hund auf mich (lacht). Es ist anders, zwei vllig verschiedene Welten.

Beschreiben Sie die Welt, die Sie uns zeigen.

HAVENER: Wenn ich auf Tour bin, bewege ich mich tatschlich in einer Welt des stndigen und genauen Beobachtens und der Gedchtniskunst. Aber privat kann ich genauso gut abschalten. Mit meinen Kindern einen Fernsehtag machen oder sonntags abhngen, tolle Familienausflge, was man eben so macht. Das muss man schon sehr genau trennen. Als ich meine Frau fast auf den Tag genau vor 20 Jahren kennenlernte, war ich ja schon neun Jahre in diesem Metier. Und sie hatte sehr viel Verstndnis dafr, weil auch ihr Vater hauptberuflich Zauberknstler gewesen ist. Sie kannte diese Showwelt, stand als Jugendliche sogar selbst auf der Bhne. Sie wollte dann aber im Hintergrund bleiben und nun bert sie mich in vielen Sachen. Zum Beispiel hat sie in Stilfragen immer das letzte Wort. Meine Frau ist auch ganz oft mit dabei. Sie ist die unsichtbare Kraft hinter dem Ganzen, ohne die das auch nicht gehen wrde.

Hand aufs Herz, nerven Kollegen die ihre Tricks verraten? Fr unsereins ist es immer so ein Zwiespalt. Einerseits mchte man wissen wie's geht, andererseits fhlt man sich der Illusion beraubt.

HAVENER: Zum Teil. Man ist dann im Wortsinne "enttuscht". Das ist kein schnes Gefhl. Wobei Tuschung in meiner Show nur eine geringe Rolle spielt, es ist eher berraschung. Zuerst erklre ich etwas, zeige dann den Menschen, wie man es anwenden kann, und am Schluss kommt immer noch eine berraschung. So denkt der Zuschauer auch: "Upps, wie hat er das jetzt gemacht?" Das ist die Struktur, die alles zusammenhlt. Es war ein wahnsinniger Entwicklungsprozess, so eine Show zu konzipieren. Ich habe mal eine Zeit lang die berraschung rausgenommen, doch das Publikum hat mir klar signalisiert: Lass es drin, wir wollen das wieder.

Sie arbeiten viel mit dem Publikum. Haben Sie einen Plan B, wenn ein muffliger Miesepeter die unfreiwillige Mitarbeit verweigert?

HAVENER: Auf diese Leute konzentriere ich mich nicht. Beispiel Uhingen. Restlos ausverkauft. Von den 630 Gsten sitzen vielleicht zwei in der ersten Reihe, denen ich ansehe, die haben keinen guten Tag gehabt. Das bedeutet zwangslufig ja nicht, dass ihnen die Show nicht gefllt. Stress mit dem Chef, der Frau, den Kindern, das liegt ja nicht an mir. Ich habe die Verantwortung fr alle, die mir da gegenbersitzen, also konzentriere ich mich auf die Menschen, die gut gelaunt sind. Das Schne ist, wenn man sich auf die Leute konzentriert, ist das so ein Geben und Nehmen, dass man sich selbst als muffliger Zuschauer diesen Energien nur sehr schwer entziehen kann. Das heit: Ich knacke die dadurch, dass ich mich auf die anderen konzentriere und dann merke, irgendwann werden die locker.

Womit wir beim Thema Krpersprache wren. . .

HAVENER: Genau. So ging das Ganze los. Ich bin auf das Thema Krpersprache berhaupt gekommen, weil ich gemerkt habe, dass ich als Zauberknstler, der ich ja ursprnglich war, auch die Krpersprache der Zuschauer lesen muss. Anfangs machte ich Close up-Zauberei, also direkt am Tisch. Als Opener habe ich mir von jemanden einen Ring ausgeliehen, den verschwinden lassen und hinterher war der an meinem Schlsselbund aufgefdelt. Also, von wem am Tisch kann ich mir einen Ring ausleihen? Wer gibt mir denn berhaupt einen? Von dreiig Tischen, welchen spreche ich da als erstes an? Wenn der erste Tisch nicht richtig funktioniert, bertrgt sich das ganz schnell, funktioniert der aber super, bertrgt es sich ebenso schnell, aber nur positiv. Der Schlssel ist, genau den Tisch mit den Gsten anzusprechen, wo man merkt, die gehen voll mit. Und das A und O um das herauszufinden, ist die Krpersprache.

. . .was ja genaugenommen wieder den berraschungseffekt hervorruft?

HAVENER: Richtig. Meine Erfahrungen haben gezeigt, dass ich Gste berraschen kann, indem ich ihnen die eigene Krpersprache bewusst mache. Dann dachte ich mir, dieses Gefhl der berraschung kann ich auch mit diesem Thema genauso wachrufen, wie mit einem sehr guten Trick. . .dann verbinde ich das doch miteinander. Das was die Zuschauer jetzt sehen ist Psychologie und Illusion, wobei die Psychologie manchmal aussieht wie eine Illusion und die Illusion wie Psychologie. Ich vermenge das miteinander und das macht mir groen Spa.

Gab es eigentlich schon jemanden, den Sie absolut nicht lesen konnten?

HAVENER: Es gibt immer wieder Momente, in denen man Leute trifft, die nicht zu knacken sind. So sind Schauspieler perfekt geschult, den Schein zu wahren. Auch Menschen mit psychischen Strungen sind undurchschaubar und als solche schwer zu lesen. Oder Menschen, die eine erfundene Geschichte so oft erzhlt haben, dass sie diese am Schluss selbst glauben.

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