Nach IQ-Test: „Das Anderssein hatte plötzlich einen Namen“

Anja Haubold ist hochbegabt und erzählt beim ersten Informationstag Begabtenförderung über ihre Erfahrungen – Wie es ist, ein Pfiffikus zu sein

Sie studiert im siebten Semester Psychologie an der Universität Konstanz, absolviert daneben eine Coachingausbildung, lebt auf einem Aussiedlerhof, liebt Tiere, Musik und Lesen: Anja Haubold. Als 15-Jährige erfuhr sie durch einen Intelligenz-Test, dass sie hochbegabt ist. „Ich fand mich schon immer anders“, sagte sie am Samstag im großen Musiksaal des Friedrich-Schiller-Gymnasiums (FSG) Marbach. Denn dort gab sie Auskunft, wie es ist, ein Pfiffikus zu sein. Das FSG richtete zusammen mit dem Landesverband Hochbegabung, dem Netzwerk Hochbegabung sowie der Initiative zur Förderung hochbegabter Kinder und der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind den ersten Informationstag Begabtenförderung aus. Zwischen 250 und 300 Eltern aus dem ganzen Land kamen nach Marbach, um Vorträge anzuhören, sich beraten zu lassen und Erfahrungen mit anderen auszutauschen.

Knapp 30 Impulsreferate gab es. Und zum Schluss eine Fragerunde mit Anja Haubold. Zuerst interviewte Studiendirektorin Ingvelde Scholz, die sich in der Förderung hochbegabter Kinder engagiert. Dann folgten die eher spärlichen Fragen von Zuhörern.

Alles begann damals mit einem Vortrag zur Begabtenförderung. Den hatte sich Anjas Mutter, selbst Lehrerin an einem Gymnasium, angehört. Und wollte es dann genau wissen: Sie fuhr mit ihrer Tochter zu einem Psychologen, der einen IQ-Test mit Anja machte. Nun wusste das Mädchen, weshalb sie immer Freunde und Spielkameraden aussuchte, die älter waren als sie. „Mit vielen der Themen, über die meine Klassenkameradinnen sprachen, konnte ich nichts anfangen“, so die jetzige Studentin im Rückblick. Positiv nach dem Test sei für sie gewesen, dass „das Anderssein plötzlich einen Namen hatte“ und Mut habe es ihr gemacht, nicht länger an ihren mathematischen Fähigkeiten zu zweifeln. Als negativ empfand sie, sich selbst ständig etwas beweisen zu müssen und den Leistungen nachzujagen.

Die Eltern waren stolz auf die hochbegabte Tochter, gingen damit aber nicht hausieren, der Bruder hielt sich eher auf Distanz („obwohl der auch nicht dumm ist“). Erst als Anja eine Klasse übersprang und zeitweise auf eine spezielle Schule ging, „war das Gerede groß“. Mit teilweise unschönen Folgen. Wusste sie einmal keine Antwort, zischelten die Klassenkameraden, sie sei doch sonst so gescheit. Auch Gewalt sei angedroht worden, wenn sie mit ihren Leistungen die Kreise anderer störte. Zuerst besuchte sie einen Hochbegabtenzug, wechselte später in die Regelklasse eines Gymnasiums und machte dort das Abitur.

Manche Lehrer betrachteten aus Unsicherheit hochbegabte Schüler als Spielverderber. „Plötzlich ist die Schulstunde schon nach zehn Minuten aus und sie hatten sich doch einen so schönen Ablaufplan zurechtgelegt.“ Anja Haubold sagt von sich, sie habe ihren Lehrern nie etwas kaputt machen wollen. „Ich wollte nur etwas wissen.“ Differenziert sieht sie das Wechseln auf einen Hochbegabtenzug. Das sei eine sehr individuelle Entscheidung. Einerseits lasse sich der Unterrichtsstoff schneller behandeln und es bleibe mehr Zeit für die Vertiefung, andererseits würden die Kinder aus ihrem normalen Umfeld gerissen. Es komme auch auf andere Fähigkeiten an. „Bei einem Manager ist der IQ zwar als Eintrittsschwelle wichtig, danach sind aber seine sozialen und emotionalen Fähigkeiten entscheidender.“ Zweifel hat Haubold an zur praktischen Umsetzung von Gemeinschaftsschule und Inklusion. „Wenn’s schief geht, geht’s richtig schief.“ Es gebe nicht genügend Material für die Förderung von Kindern, die auf unterschiedlichem Niveau stehen. „Der begabte Schüler soll plötzlich der Hilfslehrer für andere sein, die sich dabei auch noch doof vorkommen.“

Und die Partnerwahl einer hochbegabten jungen Frau? „Ich frage nicht, wenn einer meine Handynummer will, ob er einen IQ-Test gemacht hat.“

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