Moralisch verwerflich? – Leipziger Psychologen erforschen das Spicken – Leipziger Internet

Leider aber sieht die Realität oft anders aus: Da das Thema Spicken nicht zum Lehrplan in der Lehrerausbildung gehört, setzten sich viele Pädagogen damit zu wenig auseinander. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Reaktionen der Lehrkräfte, wenn sie einen mogelnden Schüler erwischen: Die einen nehmen sofort die Klassenarbeit weg und bewerten sie mit einer Sechs, andere ermahnen nur ohne weitere Folgen und ein Teil der Lehrer schaut weg, wie Latzko, Fischer und ihr Team erforscht haben.

Frühere Befragungen zu diesem Thema unter Schülern und Lehrern ergaben, dass Jungen eher spicken als Mädchen, weil sie weniger ängstlich sind als ihre Mitschülerinnen. Zudem habe ein Pädagoge, der mit seinen Schülern offen über das Mogeln spricht, weniger Probleme damit als seine Kollegen, die dieses Thema nicht mit ihrer Klasse diskutieren. "Jeder Lehrer muss sich selbst zu seinem Erziehungsziel positionieren", betont Latzko.

Wie erfinderisch Schüler beim Spicken sein können, beweist eine Ausstellung im Leipziger Schulmuseum zu dem Thema. "Dort ist zum Beispiel das Etikett einer Fantaflasche mit Informationen von einer Klassenarbeit bedruckt", erzählt Fischer. Im Zeitalter der Tattoos schreiben besonders Dreiste das Abgefragte einfach zur Tarnung in der Farbe des Körperschmucks auf die Haut. Ein Delinquent hatte mathematische Formeln in seine Schokolade geritzt. "Wenn der Lehrer gekommen wäre, hätte der Schüler die Schokolade einfach aufgegessen und weg wäre der Beweis", sagt Fischer, die vor einem Jahr in das Forschungsprojekt eingestiegen ist.

Sie gehört zum Team um Latzko, die die Vertretungsprofessur für Psychologie in Schule und Unterricht an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät inne hat. Gemeinsam erforschen sie das Spannungsfeld der unterschiedlichen Betrachtungsmöglichkeiten des Mogelns und gehen Fragen nach wie: Ist Spicken als besondere Geschicklichkeit oder Betrug, als Strategie für Wissenserwerb oder als moralisches Vergehen zu werten?

Die Psychologinnen wollen ihre Befragung von Lehramtsstudierenden in den kommenden Monaten fortsetzen und die Ergebnisse im kommenden Jahr in einem Fachjournal veröffentlichen. "Das Mogeln per se ist schon sehr spannend", meint Latzko. Wenn die Studierenden bei ihr eine Klausur schreiben, sind die Regeln klar: Handys und Taschen sind vor Beginn bei ihr abzugeben. Nur Stift und Papier sind erlaubt.

Quelle: Universität Leipzig

www.uni-leipzig.de/~erzwiss
www.uni-leipzig.de
www.schulmuseum-leipzig.de

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