Mit Videogames zum Physikgenie?

(PresseBox) (Ulm, 13.01.2014)

Wie ein Computerfreak mit einer Affinität zu "Ballerspielen" und einem ausschließlich virtuellen Freundeskreis sieht sie nicht aus: Dr. Claudia Schrader, Inhaberin der neu eingerichteten Juniorprofessur für so genannte Serious Games an der Universität Ulm. Gemeinsam mit Informatikern, Psychologen und Ingenieuren forscht die 33-Jährige denn auch zu "Computerspielen, die nicht der Unterhaltung dienen, sondern Lerninhalte in virtuellen Welten vermitteln sollen."

Eine bundesweit einmalige Arbeitsgruppe "Serious Games" besteht an der Universität Ulm bereits, sie wird wie die Juniorprofessur "Serious Games - Kompetenzförderung durch adaptive Systeme" bis 2016 von der Carl-Zeiss-Stiftung mit einer Million Euro gefördert. An der Fakultät mit dem Forschungsschwerpunkt "Mensch-Maschine-Interaktion" ergeben sich zahlreiche Anknüpfungsmöglichkeiten für die beteiligten Wissenschaftler. Um lehrreiche Spiele zu entwickeln und erfolgreich einzusetzen, muss technisches Knowhow mit Expertise aus den Sozial- und Verhaltenswissenschaften kombiniert werden. Als studierte Medienwissenschaftlerin mit den Nebenfächern Psychologie und Kulturgeschichte wird Claudia Schrader sicher wichtige Impulse geben. Bereits seit Studientagen beschäftigt sich die gebürtige Erfurterin mit digitalen Lehr- und Lernmaterialien. Ihre Doktorarbeit hat Schrader folgerichtig in der mutmaßlichen Zentrale des E-Learnings verfasst - an der Fernuniversität Hagen.

In der kumulativen Dissertation untersuchte die Sozialwissenschaftlerin, was das perfekte computerbasierte Lernspiel auszeichnet. Dazu hat Claudia Schrader mehr als 200 Achtklässler ein Game spielen lassen, in dem ein entführter Wissenschaftler befreit werden soll - mithilfe von Physikaufgaben. Offenbar hängt der Lernerfolg vor allem von zwei Variablen ab: "Eine hohe virtuelle Präsenz ist wichtig - der Nutzer soll in dem Game aufgehen. Die kognitive Beanspruchung durch das Mediendesign darf allerdings nicht zu groß sein. Bei der Konzeption eines Lernspiels sollten diese Variablen also austariert werden", fasst Claudia Schrader ihre drei Studien zusammen. Darüber hinaus müsse natürlich die Motivation der Spieler stimmen, Lernhilfen können positive Effekte haben.

Nach ihrer Zeit in Hagen, wo Schrader auch zu computerbasierten Lernspielen für Analphabeten forschte, hat sie eine Professur ("Forschungsbasiertes Lernen") in Oldenburg vertreten. Jetzt ist die Medienwissenschaftlerin also in Ulm angekommen - mit zahlreichen Ideen. "Was haben Lernende für eine Einstellung, was für Assoziationen zu computerbasiertem Lernen? Wie können sie für die Games motiviert und emotional involviert werden?", sprudelt es aus ihr heraus. Themen der Juniorprofessur sind Prozesse des Spielens, des Wissenserwerbs und des emotionalen Erlebens. Entsprechenden Forschungsfragen möchte Claudia Schrader in den kommenden vier Jahren nachgehen - unterstützt von der Arbeitsgruppe Serious Games und Doktorandinnen der Informatik sowie Psychologie, die ebenfalls von der Zeiss-Stiftung finanziert werden.

Das Alleinstellungsmerkmal der Ulmer Fakultät - eine enge Vernetzung von Informatik und Ingenieurwissenschaften mit der Psychologie - ist für die Juniorprofessorin ein klares Plus. In Zukunft würde sie gerne interdisziplinäre Veranstaltungen für angehende Psychologen und (Medien-) Informatiker anbieten, in denen auch kleine Spiele programmiert werden. Schon jetzt dürften Schraders Seminare der wöchentliche Höhepunkt für alle Gamer unter den Psychologiestudenten sein. "Natürlich probieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Lernspiele zunächst aus. Dann diskutieren wir über Genre, Zielgruppe und natürlich die mediendidaktische Gestaltung", erläutert die Wissenschaftlerin den Seminarablauf.

Ihre Erfahrungen mit den anspruchsvollen Lernspielen sind an der Universität Ulm hochwillkommen - zum Beispiel im Zentrum für Lehrentwicklung in den MINT-Fächern (ZLEMM), dem Zentrum für E-Learning und natürlich in der School of Advanced Professional Studies (SAPS) zur berufsbegleitenden Weiterbildung.

Zum Hintergrund:

Arbeitsgruppe Serious Games:
In der Arbeitsgruppe Serious Games forschen Ingenieure, Informatiker und Psychologen gemeinsam zu computerbasierten Lernspielen. Diese "ernsthaften" Spiele können natürlich in Schulen und Hochschulen eingesetzt werden, aber auch überall dort, wo reale Situationen Gefahren bergen. Beispiele sind Polizei- und Feuerwehreinsätze. Die zunehmende Verbreitung von Smartphones, Videospiel-Konsolen und sozialen Netzwerken eröffnen hier neue Möglichkeiten. Die Arbeitsgruppe untersucht die Urteilsbildung des Spielers, seine Entscheidungen sowie die Entwicklung von Strategien und Techniken. Auf Seiten der Psychologie sind Informationsverarbeitungs- und Gedächtnisprozesse sowie die Aufmerksamkeitsausrichtung von Nutzern Schwerpunkte. Wie sich Serious Games der Spiellogik sowie aktuellen Bedürfnissen des Nutzers anpassen, erforschen hingegen Informatiker. Die Carl-Zeiss-Stiftung unterstützt die Gruppe inklusive Juniorprofessur für vier Jahre mit insgesamt einer Million Euro. Die Wissenschaftler vernetzen sich mit praxisorientierten Einrichtungen der Universität.

Carl-Zeiss-Stiftung
Die Carl-Zeiss-Stiftung fördert natur- und ingenieurwissenschaftliche Forschung an staatlichen Hochschulen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Thüringen. Im Zuge des Nachwuchsförderprogramms unterstützt die Stiftung hervorragende Doktoranden und Postdocs. Weiterhin werden Juniorprofessuren finanziert. An der Universität Ulm wird neben Claudia Schrader ein weiterer Juniorprofessor (Tropische Botanik) gefördert. Dazu kommen Stiftungsprofessuren für Elektronen- und Ionen-Mikroskopie sowie Hybride Quantensysteme. Außerdem wird der Mathematiker Professor Henning Bruhn-Fujimoto durch das Wissenschaftler-Rückkehrprogramm der German Scholars Organization und der Carl-Zeiss-Stiftung unterstützt. Im Programm zur Stärkung von Forschungsstrukturen an Universitäten werden an der Universität Ulm neben der Arbeitsgruppe "Serious Games" außerdem die Forschungsstrukturprojekte "Infektionsbiologie humaner Makrophagen", "Hybride Quantensysteme" und das "Forschungszentrum für kooperative, hochautomatisierte Fahrerassistenzsysteme und Fahrfunktionen" gefördert. Die Carl-Zeiss-Stiftung ist 1889 von Ernst Abbe gegründet und nach seinem Geschäftspartner Carl Zeiss benannt worden. Heute ist die Stiftung Alleininhaberin der Carl Zeiss AG Oberkochen und der SCHOTT AG Mainz. Historisch bedingt sind Heidenheim an der Brenz und Jena Stiftungssitze.

Über Universität Ulm

Die Universität Ulm, jüngste in Baden-Württemberg, wurde 1967 als Medizinisch-Naturwissenschaftliche Hochschule gegründet. Seither ist das Fächerspektrum deutlich erweitert worden. Die zurzeit rund 10 000 Studentinnen und Studenten verteilen sich auf vier Fakultäten ("Medizin", "Naturwissenschaften", "Mathematik und Wirtschaftswissenschaften" sowie "Ingenieurwissenschaften und Informatik"). Die Universität Ulm ist Motor und Mittelpunkt der Wissenschaftsstadt, in der sich ein vielfältiges Forschungsumfeld aus Kliniken, Technologie-Unternehmen und weiteren Einrichtungen entwickelt hat. Als Forschungsschwerpunkte der Universität gelten Lebenswissenschaften und Medizin, Bio-, Nano- und Energiematerialien, Finanzdienstleistungen und ihre mathematischen Methoden sowie Informations-, Kommunikations- und Quanten-Technologien.

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