München / sz Es geht um Historisches in Sachen Fußball. Wenn der FC Bayern München heute Abend (20.45 Uhr/ZDF und Sky) zum Halbfinalrückspiel der Champions League gegen Real Madrid antritt, soll der Traum vom zweiten Triple hintereinander am Leben gehalten werden. In jedem Land, abgesehen vom kommunistischen Nordkorea, werden Fernsehbilder von der Partie zu sehen sein. Quasi die ganze Welt kann somit zusehen beim Duell des Titelverteidigers mit der wohl berühmteste Mannschaft der Welt, beim Versuch der Münchner, das 0:1 aus dem Hinspiel doch noch wettzumachen. „Wir wissen, dass wir mit unserem Team Geschichte schreiben können“, sagte Außenangreifer Arjen Robben am Montag, „wir können es als erstes Team schaffen, den Champions-League-Titel zu verteidigen.“
Das „Wir“ jedoch, dies haben die Spiele vor dem 5:2 am Samstag gegen Werder Bremen gezeigt, steht und fällt beim deutschen Rekordmeister auch mit der Form des Ausnahmekönners Franck Ribéry. Sieben Pflichtspiele lang hatte der Franzose, der im Februar am Gesäß operiert worden war, wie eine schlechte Kopie seiner selbst ausgesehen: kein Tor, weniger Ballkontakte, in Madrid wurde er sogar – völlig zurecht – von Pep Guardiola ausgewechselt.
Danach jedoch begann das große Aufbauprogramm des spanischen Coaches für seinen sensiblen Spielentscheider. „Lachen, lachen, lachen“ müsse der flinke Linksaußen. Am Freitag, vor dem Werder-Gastspiel, hatte der clevere Katalane dann in einer Mischung aus Ironie und Selbstkritik gesagt: „Vielleicht ist sein Trainer eine Katastrophe. Wenn Ribéry überragend in der letzten Saison spielt und in dieser Saison nicht auf diesem Niveau, dann ist das ein Problem für den Trainer.“ Und weiter: „Jeden Tag, jede Woche denke ich, was ich mit Franck machen kann, um ihn zu unterstützen.“ Es scheinen die richtigen Gedanken gewesen zu sein. Sportpsychologe Guardiola machte sich selbst klein, um Ribéry zu alter Größe zu führen.
Gegen die Hanseaten wirkte der Mittelfeldspieler wie angestachelt. Sein Tor-Comeback in Minute 20 war nur ein Aspekt, wesentlich bezeichnender war eine Szene aus der zweiten Halbzeit: Guardiola rief den Franzosen während einer Spielunterbrechung zu sich an die Seitenlinie, redete wild gestikulierend auf ihn ein, erntete Widerworte. Es wirkte, als würde sich ein Streit anbahnen. Mitnichten! Zum Schluss der öffentlichen Nachhilfeminute vom früheren Welttrainer für den verhinderten Weltfußballer tätschelte Guardiola die Wange von Ribéry. Beide klatschten ab. Am Ende der Partie konnte Ribéry, neben dem Treffer, beeindruckende 106 Ballkontakte verbuchen. Kein Spieler hatte an diesem Nachmittag mehr.
Damit dies auch gegen die königlich besetzten Madrilenen, bei denen Trainer Carlo Ancelotti beide Topstars Cristiano Ronaldo und Gareth Bale aufbieten will, so sein wird, setzte Guardiola seine Ribéry-Revitalisierungs-Rhetorik am Montag fort – mit einer neuen Variante. Es könnte nämlich passieren, dass der perfektionistische Fußballlehrer dem französischen Filou bis zum heutigen Abend etwas auf die Nerven geht, damit dieser „Energie und Aggressivität“ entfaltet. „Franck muss sauer sein“, sagte Guardiola lachend, „mit dem Trainer, dem Publikum, vor allem mit sich selbst.“ Und ernsthaft ergänzte er: „Wir brauchen seine beste Leistung, um dieses Finale zu erreichen.“
Damit kein falscher Eindruck entsteht, richtete Guardiola Forderungen natürlich an all seine Spieler. Entscheidend werde vor allem „der größere Wille“ oder „die Passion“ der Akteure sein, wie es der Spanier ausdrückte. Diese Hingabe sei bei seinen Bayern eben besonders ausgeprägt. „Wir haben diesen Traum, weiterzumachen, wir haben diesen Traum, nach Lissabon zu fliegen.“ Danach wurde er wieder pathetisch und wiederholte seinen Spruch vom „Spiel um Leben und Tod“. Guardiola sagte: „Jede Flanke, jede Vorbereitung kann uns nach Lissabon bringen. Die Chance, nochmal ein Finale zu spielen, muss uns beflügeln.“
„Ich mag es einfach gerne, wenn meine Mannschaft den Ball hat“
Somit bleibt insbesondere eine Frage an den Trainer: Wer darf sich gegen Madrid von Beginn an zur Großtat aufschwingen? „Da muss ich noch eine Nacht drüber schlafen“, sagte er. Vieles deutet darauf hin, dass der unberechenbare Thomas Müller in die Anfangself zurückkehrt. An seiner Taktik werde sich nicht viel ändern, verriet Guardiola, darin habe ihn das Hinspiel bestärkt. „Ich mag es einfach gerne, wenn meine Mannschaft den Ball hat“, gab er zu. Schon als Spieler habe er dies geliebt, nun als Trainer sei es nicht anders, es werde immer so sein. Im Hinspiel hatte der FC Bayern München 65Prozent Ballbesitz, 15Eckbälle – und trotzdem nur eine wirklich gute Möglichkeit. Was also ist zu ändern? „Wenn wir noch ein bisschen mehr Zug zum Tor entwickeln“, erläuterte Guardiola, „wenn wir noch ein bisschen geiler auf das Tor sind, dann sind wir erfolgreich.“
(Erschienen: 28.04.2014 21:40)