Mentale Flexibilität: Ohne geht es an der Börse nicht

Fehlende mentale Flexibilität: Warnzeichen

Eines der größten Warnzeichen für fehlende mentale Flexibilität ist es, wenn Sie sehen, dass ein Anleger nicht umschalten kann. Meist ist dies wie folgt der Fall. Jemand setzt sich sehr lange hin und versucht sich zu überlegen, was als nächstes an der Börse oder bei einem Wertpapiertitel der Fall sein "müsse". In diese Analyse ist sehr viel Mühe und Zeit hineingeflossen und in der Tat ist sie auch gar nicht schlecht.

Wenig später tritt nun das analysierte Szenario an den Märkten aus Sicht unseres Anlegers ein. Er freut sich und sieht schon vor dem inneren Auge die großen Profite. Und ein paar Tage läuft dann auch alles wie vorhergesagt. Die Stimmung ist toll.

Nun jedoch fängt der Markt an, langsam aber sicher etwas anderes zu tun. Von seiner Analyse überzeugt beginnt der Anleger jedoch zunächst damit, die aktuelle Entwicklung in Einklang mit seiner vorgefassten Meinung zu bringen. Er hat ja schließlich in mühevoller Kleinarbeit genau analysiert, was geschehen muss und es "kam ja so". Also muss die aktuelle Entwicklung doch auch irgendwie "Sinn machen"...

Doch nun läuft der Markt weiter gegen ihn. Und dabei verliert unser Anleger wertvolle Reaktionszeit, die er hätte nutzen können. Aber statt sich den neuen Realitäten anzupassen und zu akzeptieren, dass eben an der Börse hineingesteckte Arbeit und Ergebnis nicht immer direkt gekoppelt sind, wird unser Anleger mit jedem weiteren Verlust langsam aber sicher immer wütender. Und letztlich stellt er seine Positionen glatt. Die Börse wird zum gefühlten Casino.

Zwei Tage später tritt genau das Szenario ein, was der Anleger prognostiziert hatte. Die Verluste und die Wut wären völlig unnötig gewesen. Doch jetzt steigern sie sich ins über die entgangenen Profite und die unnötigen Verluste ins Unermessliche.

Was lief in diesem kleinen Beispiel falsch?

Haben Sie vielleicht selbst schon einmal eine derartige Situation erlebt? Ich auf jeden Fall, besonders in meinen Anfangsjahren an der Börse.

Man könnte nun natürlich argumentieren, der Anleger hätte einfach seiner Analyse mehr vertrauen müssen. Doch das Problem sehe ich woanders.

Denn dieses in der Tat notwendige Vertrauen kann nur kommen, wenn Sie mit der richtigen Grundeinstellung an die Märkte gehen. Und hier hat unser Anleger gedacht, weil er hart gearbeitet hat, stünde ihm auch eine "Belohnung" zu. Der Markt müsse somit tun, was der Anleger prognostiziert hat. In anderen Bereichen des Lebens läuft es ja genauso.

Fakt ist aber, dass der Markt tut und lässt, worauf er Lust hat. Sie sind ihm dabei völlig egal. Ebenso ist Fakt, dass dauerhaft kein überdurchschnittlicher Profit ohne vorherige Schmerzen kommt. Hierzu brauchen Sie sich nur den Chart einer überdurchschnittlich erfolgreichen (und damit meist entsprechend volatilen) Aktie anzusehen. Wer hoch nach oben reiten will, braucht einen "wilden Bullen" und der schlägt eben in alle Richtungen aus. Das muss man wegstecken können und kein Anleger sollte sich bei der Volatilität übernehmen.

Aber zurück zu unserem Anleger...

Hätte er von Anfang an seine Analyse (so hart er auch dafür gearbeitet hat) nur als eine Möglichkeit von vielen betrachtet und nicht unbewusst einen Zusammenhang impliziert zwischen Arbeitszeit und "fälliger Belohnung", wäre er geistig schon einmal viel entspannter geblieben. Auch hätte er sich klare Parameter gesteckt, ab denen er seine Analyse emotionslos verwirft und sich auf die neuen Realitäten des Marktes einstellt (ein einfachstes Beispiel für eine solche Entscheidung sind Stop Loss Marken. Fallen diese, ist Schluss und das ist zu respektieren).

Er hätte somit klar gewusst, welchen Betrag er bereit ist zu riskieren und diesen emotional abgeschrieben, sobald er die Position im Markt eröffnet hat.

Wäre er dann ausgestoppt, wäre das alles ohne große Emotionen erfolgt und die einzige Frage wäre gewesen, ob er den Stop hätte anders legen können bzw. müssen.

So jedoch begab sich unser Anleger auf eine emotionale Achterbahnfahrt und brachte sich selbst um die Fähigkeit, flexibel und ruhig auf die Marktsituation zu reagieren.

Dabei tritt dies übrigens nicht nur im obigen Beispiel auf. Sehr oft sehe ich auch das andere Extrem. Menschen fassen eine Meinung und handeln diese mit Gewalt am Markt. Dabei scheint dies, als ob diese Anleger dem Markt ihren Willen aufzwängen wollten (ein gutes Beispiel ist so manch ein Crash-Guru, der nach seinen Äußerungen einfach "zu früh" dran ist, und unbeirrbar in einen steigenden Markt shortet, ohne Rücksicht auf Verluste).

Ich kann Ihnen daher (sofern nicht schon vorhanden) nur empfehlen, gegenüber dem Markt keine Anspruchshaltung aufzubauen. Ich selbst betrachte ihn viel mehr als ein Meer, das mir beständig Wellen gibt, mit denen ich umgehen muss. Ich kann dabei entscheiden, ob ich auf einer surfen möchte oder nicht. Gefällt sie mir nicht, bleibe ich an der Seite. Entspricht sie meinen Parametern, springe ich auf und hoffe, die Fahrt entwickelt sich so, wie ich möchte. Dabei hilft mir meine zunehmende Erfahrung, jede Welle besser einschätzen zu können als die vorherige.

Was aber erreicht ein Surfer, der im Wasser steht und einfach nur den Ozean anbrüllt, weil dieser nicht tut, was er möchte bzw. ihm nicht exakt die Welle schickt, die er sich vorher vor seinem inneren Auge ausgemalt hat?

 

 

Leave a Reply