Suizide sind auch ein Drama für die Hinterbliebenen. © imago/emil umdorf
Robert Enkes Tod jährt sich am 10. November zum dritten Mal. Wie er nehmen sich immer wieder Menschen das Leben. Sind sie berühmt, geht es durch die Medien. Die Betroffenheit ist zunächst groß, vieles wird jedoch schnell wieder vergessen. Selten hört man davon, wie es danach für die Partner, Angehörigen und Freunde weitergeht. Eine unserer Redakteurinnen hat Ähnliches durchlebt wie Teresa Enke. Auf ihren Wunsch hin möchte sie von ihren Erfahrungen erzählen.
"Meine Stunde null erlebe ich nur einen Monat und vier Tage, nachdem sich Robert Enke das Leben genommen hat. Es klingelt an der Tür unserer gemeinsamen Wohnung und die Polizei teilt mir mit, was passiert ist.
Es ist immer schlimm, einen geliebten Menschen zu verlieren. Scheidet dieser Mensch jedoch aus eigenem Wunsch heraus aus dem Leben, wirft das für die Hinterbliebenen mehr Fragen auf, als es ein 'natürlicher' Tod tut. Allen voran steht immer ein Wort: Warum. Es fällt mir bis heute schwer zu akzeptieren, dass Depression einen tödlichen Krankheitsverlauf nehmen kann. Andere Menschen sterben an Krebs, Depressionen sind Krebs für die Seele. Das muss ich mir des Öfteren vorsagen - vor allem in Momenten, wenn die Schuldgefühle wiederkommen.
"Ich hätte doch etwas merken müssen"
'Ich hätte doch etwas merken müssen.' In der ersten Zeit hallen diese Worte wie ein Mantra durch meinen Kopf. Ich habe viel über die Zeit vor der Tat nachgedacht. Jedes Gespräch, das wir hatten, immer wieder analysiert. Nach Hinweisen auf seine Krankheit gesucht. Aber er war ein guter Lügner und ich habe ihm vertraut. Es ist trotzdem schwer, das Gefühl loszuwerden, dass man selbst Schuld trägt. Und egal wie oft mir Menschen in meinem Umfeld sagen, dass ich nichts hätte tun können, dass er keine Hilfe wollte, es wird immer Momente geben, in denen ich ihnen das nicht glaube.
Für den Umgang mit Trauer gibt es kein Patentrezept. Viele Menschen suchen sich professionelle Hilfe bei Psychologen. Ich war bei zwei Sitzungen, aber ich bin mit dem Therapeuten nicht zurecht gekommen. Seitdem sträube ich mich, wieder eine Therapie anzufangen. Den Gedanken, regelmäßig die schlimmsten Stunden meines Lebens wieder aufarbeiten zu müssen, finde ich nicht besonders verlockend. Dennoch gibt es immer wieder Alltagsmomente, in denen mich die Vergangenheit einholt und ich Unterstützung benötige. Ich bekomme diese Unterstützung von meiner Familie und engen Freunden. Dafür bin ich sehr dankbar.
Sehnsucht nach Normalität
Neuen Bekannten erzähle ich meistens erst spät von meiner Vergangenheit. Denn natürlich löst eine solche Geschichte Bestürzung aus und vor allem auch Mitleid. Aber ich will kein Mitleid. Es ist anstrengend. Ich fühle mich dann häufig wie gebrandmarkt. Als müsste man mich mit Samthandschuhen anfassen. Das Problem an den Samthandschuhen ist, sie erschweren die Rückkehr zur Normalität.
Aber genau nach Normalität sehnt man sich. In meinem Fall konnte es gar nicht schnell genug gehen. Ablenkung war mein persönliches Zauberwort. Die bittere Erkenntnis: Eine hundertprozentige Rückkehr zur Normalität gibt es nach einem solchen Erlebnis wohl nicht. Es ist mein Päckchen, das ich mit mir herumtrage. Manchmal ist es klein und fällt kaum jemandem auf. An anderen Tagen scheint es riesig. Es kostet jedes Mal unglaublich viel Kraft, sich von solchen Tagen nicht entmutigen zu lassen. Oft hilft mir die einfache Erkenntnis: Er hat seinem eigenen Leben ein Ende gesetzt, aber nicht meinem."
Selbstmord ist nie der letzte Ausweg. Sollten Sie sich selbst betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in vielen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.
Angehörige finden Hilfe bei der AGUS-Bundesgeschäftsstelle. Diese erreichen Sie unter der 0921-1500380.