Mein Hund versteht mich

Jeder Hundebesitzer weiß, dass das nicht stimmen kann, dass da nichts ist. Aber dieser unverwandte, traurige Blick von unten herauf und direkt ins Herz – jeder Mensch, der einen Hund in sein Leben aufnimmt, glaubt, obwohl er es eigentlich besser weiß: Mein Hund fühlt mit mir. Er leidet, freut sich, versteht mich. Er ahnt und spürt, was mich bewegt.

Haben Tiere eine Seele?

Als schärfste Grenze zwischen Mensch und Tier hat die Zoologie bislang erkannt, dass alle Reflexe, Motive, Verhaltensmuster der Tierwelt auf vier Dinge zurückgehen: Fressen, Fortpflanzung, Hierarchie und Überleben. Mitgefühl galt bisher als reine Menschensache.

Eine gerade veröffentliche wissenschaftliche Untersuchung aus Großbritannien weist jetzt nach, dass die Menschheit eines ihrer wichtigsten Alleinstellungsmerkmale mit einigen Tierarten teilt: Der traurige Aufblick vom Hund zum deprimierten Herrchen ist echt, keine Einbildung und keine Wunschvorstellung. Hunde sind fähig, psychische Grundmuster beim Menschen zu erkennen – und Anteil daran zu nehmen. Sie haben tatsächlich Mitgefühl.

Haben Hunde, Katzen, Pferde und Schweine womöglich eine größere Gefühls- und Gedankenwelt als bislang angenommen? Wissen Hunde, was Tränen sind, was sie bedeuten? Zwar hat sich die Zoologie inzwischen weit von dem französischen Philosophen René Descartes abgesetzt, der Anfang des 17. Jahrhunderts die Zoologie prägte und Tiere nur als von Instinkten getrieben beschrieb.

Aber so eindeutig, so bahnbrechend wie jetzt bei den Untersuchungen von zwei Londoner Verhaltensforscherinnen waren die wissenschaftliche Belege noch nie. Sie beweisen, dass es offenbar tatsächlich so etwas wie eine Hundeseele gibt, dass der Eindruck "Mein Hund versteht mich" keine Wunschvorstellung sein muss.

Schwierig nachzuweisen

Deborah Mayer und Jennifer Custance vom psychologischen Institut der Londoner Goldsmiths Universität haben 18 Haushunde – vom Golden Retriever bis zum Pudel – einem Psycho-Test unterzogen. Die Untersuchung stieß in der Fachwelt auf große Anerkennung.

Die Forscherinnen hatten das Verhalten von Testhunden beobachtet, während Menschen neben ihnen überraschend zu weinen begannen. Den Forscherinnen war klar, dass es schwierig werden würde, die Tierreaktion eindeutig nachzuweisen.

In mindestens 15.000 Jahren des Zusammenlebens haben Hunde instinktiv gelernt, es dem Menschen recht zu machen. Das legt nahe, dass sie nur das Verhalten ihrer Besitzer spiegeln: Freut sich der Mensch, freut sich der Hund, der auf eine Belohnung dafür hofft. Ärgert sich der Mensch, klemmt sein vierbeiniger Freund die Rute zwischen die Beine – und will sich durch gespielte Zerknirschung vor einer Strafe (deren Grund er meist nicht begreift) bewahren. Weint der Mensch, leckt der Hund ihm die Hand – und will gestreichelt werden.

Um vorgetäuschtes taktisches Mitgefühl von echtem zu unterscheiden, brachten die beiden Forscherinnen den Hundebesitzern einen Laut bei, der eher tierisch als menschlich klingt – und irgendwo zwischen Summen, Wimmern und Brummen liegt: "So stellten wir sicher, dass die Hunde nicht aus Neugier auf die Weinenden reagierten, sondern tatsächlich Anteilnahme zeigten", schreiben die Forscherinnen im Fachmagazin " Animal Cognition".

Anteilnahme bei Tränen

In einem 20-Sekunden-Test setzten sie die Hunde vor ihren Besitzer oder eine fremde Person, die entweder Tränen kullern ließen oder den Summlaut von sich gaben. "Alle Hunde reagierten auf die Tränen mit fürsorglicher Anteilnahme, das Summen nahmen sie nur zur Kenntnis oder ignorierten es", schrieben die Biologinnen. Den Tränen maßen die Tiere eine große Bedeutung bei. Auf Weinende reagierten sie zuverlässig – beim Besitzer wie bei Fremden.

Die Studie aus London stieß auch in Wien auf starkes Interesse. Zwei Wiener Universitäten beschäftigen sich nun mit der Frage, ob und wie Hunde sich in die Gefühlswelten von Menschen hineindenken können – und wie weit sie sich dabei menschlichen Gefühlsmustern nähern.

"Allerdings sind Hundegefühle nur schwer zu deuten, sogar das Wedeln mit dem Schwanz kann vielerlei bedeuten", sagt die Verhaltensforscherin Friederike Range. Den Verlauf menschlicher Regungen können die Forscher zwar am Magnetresonanztomografen im Gehirn verfolgen. Bei Hunden ist diese Untersuchung noch ausgeschlossen.

Die Wiener Forscher fangen deshalb klein an und untersuchen erst einmal das Gähnen: Wenn Herrchen gähnt, reißt oft auch der Hund das Maul auf, sagt Frau Range. Portugiesische Kollegen wollen sogar herausgefunden haben, dass Hunde sich eher von Menschen anstecken lassen, die sie gut kennen – was ein Zeichen noch größeren Mitgefühls wäre. Auch wir können uns besser in Leute hineinversetzen, die wir sehr gut kennen. Drei Jahre soll für das Projekt nun geforscht werden. Es ist das erste Mal, dass Spezialisten für menschliche und tierische Psychologie zusammenarbeiten.

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