Mehr Psychologie in Häppchen von Rolf Dobelli – Main

Wenn alle diese Tipps beherzigen würden, «resultierte ein Quantensprung an Wohlstand», schreibt der Schweizer Autor im Vorwort. Zweifel daran sind berechtigt. Keine Frage allerdings, dass der Band den Wohlstand des Autors mehren wird.

Jedem war klar, dass Dobelli ein zweites Bändchen nachschieben würde: Die Psychologie gibt allemal genug Stoff her. Der Heidelberger Sozialpsychologe Klaus Fiedler hatte sich schon nach dem Erscheinen des ersten Buches gewundert, warum der Autor gerade 52 Denkfehler ausgesucht hat - wo es doch hunderte ähnlicher Phänomene gebe.

Der zweite Band leidet am selben Defizit wie der erste: Die Texte, die Dobelli als Kolumnen für Zeitungen geschrieben hat, haben alle das gleiche Format: eine mehr oder weniger aussagekräftige Zeichnung und drei Seiten Text, meist mit einem Fazit beendet. Diese Uniformität erweckt den Anschein, dass alle Phänomene die selbe Wertigkeit haben.

Dem ist aber nicht so. Einige Beobachtungen lassen sich tatsächlich unterhaltsam auf drei Seiten präsentieren, etwa die Begründungsrechtfertigung. Sie besagt nichts anderes, als dass Menschen Anweisungen lieber folgen, wenn sie einen Grund genannt bekommen - und sei er noch so trivial. Auch der Forer-Effekt, der den Erfolg von Astrologen, Handlesern und anderen Pseudowissenschaftlern erklärt, lässt sich in wenigen Seiten darstellen: Es sind vor allem die allgemein gehaltenen Sätze und der Verzicht auf Negativaussagen.

Komplexer ist dagegen das Will-Rogers-Phänomen. Mit diesem mathematischen Taschenspielertrick lassen sich wissenschaftliche Studien, aber auch Wahlkreise, Bilanzen und vieles mehr manipulieren. Von dem US-amerikanischen Komiker Rogers ist der Witz überliefert, dass nach einem Umzug von Bürgern aus Oklahoma nach Kalifornien in beiden Bundesstaaten der IQ gestiegen sei.

Die Lösung: Aus Oklahoma waren Farmer weggezogen, die eher mittelmäßig intelligent waren. Als sie gingen, stieg der IQ-Wert. Sie waren aber noch immer intelligenter als die Kalifornier, die nun ihrerseits im Schnitt beim IQ zulegen konnten. Mit dem Verschieben von Daten zwischen zwei oder mehreren ungleichen Gruppen lässt sich viel Schindluder treiben. Auf wenigen Seiten ist das Thema nicht auszuloten. Kein Wunder, dass Dobelli bei diesem Kapitel auf ein Fazit verzichtet.

Nicht selten sind sogenannte Denkfehler auch situationsgebunden - etwa wenn Dobelli reißerisch verkündet, dass Boni Motivation zerstören. Das betrifft natürlich nicht die Banker, deren Hauptantrieb Geld ist, sondern Non-Profit-Organisationen oder Start-Ups, die ihre Mitarbeiter mit Idealismus ködern müssen.

Und nicht zuletzt gibt es Denkfehler, die Menschen sympathisch machen, etwa die Tatsache, dass wir Hemmungen haben, mit Dartpfeilen auf Fotos zu zielen. Diese Scheu lässt uns als leichte Opfer von Voodoo und ähnlich unerklärlichem Unsinn erscheinen. Aber was bedeutet es, wenn jemand ohne Skrupel - rein wissenschaftlich - die Fotos durchlöchert?

Viele der Denkmuster sind über Jahrtausende gewachsen. Sie zu benennen ist gut, und Dobelli beschreibt sie durchaus unterhaltsam. Sie zu ändern, steht auf einem ganz anderen Blatt. Deshalb der Rat: Wer den ersten Band gekauft hat und aus dem Kopf noch zehn Denkfehler aufzählen kann, der kann getrost den zweiten kaufen. Alle anderen sollten es sich überlegen und Dobellis Rat beherzigen: «Versuchen Sie, mit dem Minimum an Informationen durchs Leben zu kommen. Sie werden bessere Entscheidungen treffen.»

Rolf Dobelli. Die Kunst des klugen Handelns. 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen, Hanser Verlag, 232 S., 14,90 Euro, ISBN 978-3-446-43205-5

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