Mehr haben, weniger geben?

Neue Studienergebnisse widersprechen den Vorurteilen gegenüber den „geizigen Reichen“: Die Ober- und Mittelschicht ist nicht weniger hilfsbereit.


Zeigen Menschen der oberen sozialen Schichten weniger soziales Verhalten als Personen aus der Unterschicht? Bisherige Studien legten tatsächlich die Vermutung nahe, dass sich Menschen, die selbst in eher schwierigen Verhältnissen leben, stärker um das Wohlergehen anderer kümmern als Personen in einer privilegierteren Lebenssituation. Psychologen der Universitäten Leipzig und Mainz konnten dies in einer aktuellen Studie allerdings nicht bestätigen.

Internationale Daten aus 30 Ländern

Sie analysierten die internationalen Daten groß angelegter, repräsentativer Erhebungen, die in ihrem Charakter dem deutschen sozio-ökonomischen Panel (SOEP) ähnlich sind. Insgesamt wurden die Angaben von rund 37.000 Personen betrachtet: zum Bildungsstand, zu Einkommen und Berufsprestige sowie auch zu prosozialen Verhaltensweisen wie Spenden, ehrenamtlichen Tätigkeiten oder zur Unterstützung anderer in alltäglichen Situationen, wenn es etwa darum ging, einem Unbekannten in der Supermarktschlange den vorderen Platz anzubieten.

Oberschicht eher gemeinnütziger

Interessanterweise zeigten sich die Personen aus den oberen Schichten zumeist gemeinnütziger, vertrauensvoller, hilfsbereiter und freigiebiger als die Menschen aus den unteren sozialen Schichten. Dieser Befund war weitestgehend unabhängig davon, welches Land untersucht wurde: Deutschland, USA oder eines von 28 weiteren Ländern. Ebenso spielte es keine Rolle, welches Maß für die soziale Schicht (Einkommen, Bildung, Jobprestige oder eine subjektive Einschätzung des eigenen sozialen Ranges) genutzt wurde.

Den Widerspruch zu früheren Studien, denen zufolge Menschen aus unteren sozialen Schichten sozialer eingestellt sind, erklären sich die Autoren durch die bisher verbreitete Verwendung überwiegend kleiner und vor allem oft durchweg studentischer Stichproben.

Den sozialen Anforderungen gerecht werden

Die Forscher betonen, prosoziales Verhalten sei immer abhängig vom konkreten Kontext. Allerdings lege ihre Studie nahe, dass die bisher aufgestellte Behauptung, die Oberschicht sei generell weniger hilfsbereit, in dieser Form vermutlich nicht zutreffe. Mit Blick auf immer größer werdende soziale Ungleichheiten, sei es ermutigend, dass die Angehörigen der mittleren und oberen sozialen Schichten den sozialen Anforderungen in größerem Maße gerecht würden, als man dies nach den Ergebnissen bisheriger psychologischer Studien hätte erwarten können.

Literatur

Korndörfer, M., Egloff, B. Schmukle, S.C. (2015). A large scale test of the effect of social class on prosocial behavior [PDF]. PLoS One, 10 (7), e0133193.

21. August 2015
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft
Foto: © Annika Strupkus

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