Mehr Akademikerkinder durch Beschränkungen

Bewerber und Bewerberinnen beim Medizin-Aufnahmetest im Juli 2013 in Wien

Die Zahl der Kinder von Akademikern hat sich durch die Einführung von Zugangsbeschränkungen erhöht. Das zeigt eine Studie, die heute bei einer Tagung der Arbeiterkammer (AK) präsentiert wurde. Die Untersuchung hat die Entwicklung in Medizin, Veterinärmedizin. Psychologie, Publizistik und Biologie analysiert.

Uni-Zugang
16.06.2015

Besonders hoch ist der Anteil der Akademikerkinder im Fach Humanmedizin. Mehr als die Hälfte der Studierenden hat Eltern mit Uni-Abschluss. Anders war dies in den Jahren 2000 bis 2004, als es noch keine Zugangsbeschränkungen gab. Damals betrug der Anteil an Kindern von Akademikern maximal 41 Prozent. Nach der Einführung stieg er dann auf fast 55 Prozent.

Zur AK-Studie:

"Zugangsbeschränkungen und Chancengleichheit im österreichischen Hochschulsystem" von Claudia Freisinger et al.

Dies kann laut den Studienautoren teilweise auch durch den Anstieg der ausländischen Studierenden erklärt werden. Sie würden generell einen höheren familiären Bildungshintergrund aufweisen. Allerdings wirkt sich dieser Umstand nicht massiv auf den Gesamtanteil aus, da es eine Quotierung der Plätze gibt. Drei Viertel sind für Österreicher reserviert, der Rest wird auf EU-Bürger und Bürger aus Drittstaaten aufgeteilt.

Ein hoher Akademikerkinder-Anteil im Medizin-Studium ist übrigens kein österreichisches Phänomen: Laut Wissenschaftsministerium stammen in Deutschland sogar 68 Prozent der Medizin-Studenten aus einem Akademikerhaushalt, in der Schweiz sind es 57 Prozent.

Ausländische Studierende als Quotentreiber

In der Veterinärmedizin, wo seit 2005 Eignungstest durchgeführt werden, ist der Anteil der Kinder von Akademikern auch erheblich, nämlich von 34 Prozent auf 46 Prozent angestiegen. Bei Human- wie Veterinärmedizin sank zudem der Frauenanteil, auch wenn er bei letzterer noch immer bei über 70 Prozent liegt.

Die Fächer Psychologie und Publizistik sind ebenfalls vom Selektionseffekt betroffen. Hier sind es aber die ausländischen Studienanfänger, die den Großteil des Anstiegs ausmachen.

Deutlich zeigte sich der Anstieg von Akademikerkindern durch die Einführung von Zugangsbeschränkungen auch im Fach Biologie. Dort sind 2005 Zugangsbeschränkungen eingeführt, 2007 dann wieder ausgesetzt worden. Im Jahr der Einführung der Beschränkungen ist der Anteil von Kindern deren Eltern einen Uni-Abschluss haben auf 43 Prozent gestiegen, was ein Plus von rund acht Prozentpunkten bedeutet. Als die Zugangsbeschränkungen wieder ausgesetzt wurden, fiel die Quote wieder auf unter 40 Prozent.

Die neuen Zugangsbeschränkungen in Architektur, Biologie, Pharmazie, Informatik und Wirtschaftswissenschaften sind in der heute präsentierten Studie noch nicht berücksichtigt. Laut einer Evaluierung des Instituts für Höhere Studien (IHS) haben sich hier keine Veränderungen in der sozialen Zusammensetzung der Studienanfänger gezeigt.

ÖH sieht sich bestätigt

Die HochschülerInnenschaft (ÖH) sieht sich durch die Studie in ihrer Überzeugung bestätigt, dass Uni-Zugangsbeschränkungen zu weniger sozialer Durchmischung führen. Auf lange Sicht würden Kinder von Nicht-Akademikern vom Studieren abgehalten.

Man habe bereits in den vergangenen Wochen davor gewarnt, "dass Zugangsbeschränkungen sich negativ auf die soziale Durchmischung auswirken werden", so der stellvertretende ÖH-Chef Florian Kraushofer (Fachschaftslisten) in einer Aussendung. Das Wissenschaftsministerium versuche momentan "durch äußerst kurzfristige Studien darüber hinwegzutäuschen". Die ÖH fordert daher einmal mehr "ein Ende der protektiven Elitenpolitik an den Hochschulen und ein Ende der Zugangsbeschränkungen".

Für die Universitätenkonferenz (uniko) bedarf es ob des Tenors der Studie einer "differenzierten und gründlichen" Analyse. Die kürzlich vom Ministerium vorgelegten Evaluierungen der Zulassungsregelungen ließen zwar "den Schluss zu, dass sich im Medizinstudium die Bildungsschicht aus Ärztinnen und Ärzten großteils selbst reproduziert". Darüber hinaus seien aber "keine Hinweise auf strukturelle Auswirkungen auf die soziale Durchmischung erkennbar", so uniko-Präsident Heinrich Schmidinger.

science.ORF.at/APA

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