Medien-Experte – Facebook macht Mädchen internetsüchtig

Ungepflegte Nerds, die Tag und Nacht Computer spielen, bestimmen unser Bild von Onlinesucht. Und tatsächlich sind ledige, arbeitslose Männer am anfälligsten. Doch auch Mädchen können abhängig werden. Für sie sind soziale Netzwerke wie Facebook die Droge.

Beim Thema Internetsucht denken viele an Onlinespiele - für Mädchen sind in dieser Hinsicht aber eher Facebook Co gefährlich. Fast alle internetsüchtigen Mädchen seien durch soziale Netzwerke in die Abhängigkeit geraten, sagt Bernd Werner von der Stiftung Medien- und Onlinesucht. „Sie denken ständig daran, was gerade im Netzwerk passiert.“ Darin fühlten sich Mädchen eingebunden. Sie nutzten es, um in der Clique mitreden zu können. „Da besteht auch ein Druck innerhalb der Peer-Group.“Noch fehle die Sensibilität dafür, dass auch dieses Verhalten abhängig machen kann, warnt Werner.

Beim Thema Computerspiele läuten bei Eltern schneller die Alarmglocken - vom Zocken werden aber eher Jungen abhängig. Eltern können die Internetsucht bei Mädchen allerdings an den gleichen Anzeichen erkennen wie bei Jungen. „Zum einem am Kontrollverlust“, beschreibt Werner. „Ich kann nicht mehr kontrollieren, wie lange ich im Internet bleibe.“ Zweites Merkmal ist die Toleranzentwicklung: „Ich toleriere bewusst, dass ich wegen meines Verhaltens Stress mit den Eltern bekomme oder schlechtere Noten in der Schule.“ Das gefährlichste Anzeichen sei aber, wenn Freunde, Hobbys oder sogar die Körperpflege zu kurz kommen.

Nicht zu früh ein eigenes Smartphone

Internetsucht ist statistisch gesehen eher ein Männerproblem. So kommen 0,7 Prozent aller 25- bis 64-Jährigen in Deutschland nach einer am Dienstag vorgelegten Erhebung nicht mehr von Online-Spielen oder Sozialen Netzwerken los. Mit 1,0 Prozent sei der Anteil bei Männern mehr als doppelt so hoch wie bei Frauen (0,4 Prozent), teilte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP) mit. Insgesamt gelten in Deutschland rund 560.000 Menschen zwischen 14 und 64 Jahren als „internetsüchtig“, wie aus einer bereits im August vorgelegten Studie der Universitäten Lübeck und Greifswald hervorgeht. Unter ihnen sind 250.000 im Alter von 14 bis 24 Jahren.

Für Eltern ist es wichtig, auch die Mediennutzung von Mädchen zu beobachten. Das sei leichter, wenn der Computer nicht im Kinderzimmer stehe. „Sondern an einem Ort, an dem die Eltern öfter vorbeigehen“, empfiehlt Werner. Auch sollten Mädchen - und Jungen - nicht zu früh eigene Smartphones bekommen. „Alle anderen haben auch schon eins“ - diesen Satz können Eltern laut Werner getrost ignorieren. Eltern sollten außerdem Zeitlimits mit ihren Kindern vereinbaren. „Und unbedingt dafür interessieren, was das Mädchen auf Facebook macht“, sagt Werner. Das können Eltern und Tochter zum Beispiel beim gemeinsamen Abendessen besprechen - „gefällt mir nicht“ reicht als Kommentar von Mutter oder Vater nicht.

Internetsucht ist wissenschaftlich umstritten

Ledige und arbeitslose Männer sind laut der Studie besonders gefährdet, sich so sehr in den Tiefen des Netzes zu verlieren, dass sie den Bezug zur Realität verlieren. Krankhafte Internetnutzung äußere sich darin, dass die Betroffenen ihr soziales Leben vernachlässigten, warnte auch die Drogenbeauftragte Mechthild Dyckmans. Darunter litten dann die Arbeit oder der Schulbesuch, mitunter auch einfache Dinge wie Essen und Waschen.

Der Begriff der Internetsucht ist jedoch wissenschaftlich umstritten. Einige Psychologen sehen in einer exzessiven Internet-Nutzung keine eigenständige Störung, sondern lediglich das Symptom einer psychischen Erkrankung wie der Depression. Andere fordern hingegen, exzessive Internetnutzung als eigenständige Krankheit einzuordnen. Bislang ist Internetabhängigkeit von der Weltgesundheitsorganisation nicht als Verhaltenssucht anerkannt.

Welche Kriterien auf Internetsucht hindeuten, lesen Sie in der Bildergalerie.






Laut einer Studie im Auftrag der Drogenbeauftragten der Bundesregierung aus dem Jahr 2011 gelten 560.000 Deutsche als Internetsüchtig. Das sind rund ein Prozent der Bevölkerung. Am häufigsten wurde die Sucht bei Mädchen zwischen 14 und 16 Jahren, (4,9 Prozent) festgestellt. Sie verbringen besonders viel Zeit in sozialen Netzwerken. Bei den gleichaltrigen Jungen gelten 3,1 Prozent als abhängig. Mit zunehmendem Alter steige allerdings das Suchtrisiko bei Männern.

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An welchen sechs Kriterien Internetsucht erkennbar ist, hat das Deutsche Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) zusammengefasst. In Online-Broschüren auf www.computersuchthilfe.info des DZSKJ stehen außerdem Tests, mit denen Jugendliche und Erwachsene herausfinden können, ob sie süchtig oder gefährdet sind. Lesen Sie hier die Kriterien.

1. Es besteht ein starker Wunsch oder eine Art innerer Zwang, der jeweiligen Aktivität im Internet (Chatten, Rollenspiele, Onlinesex) nachzugehen.

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2. Der Beginn, die Dauer und die Beendigung dieser Tätigkeiten können nur noch schlecht oder gar nicht mehr kontrolliert werden (Kontrollverlust).

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3. Bei Verzicht auf diese Aktivitäten treten Entzugszeichen wie innere Unruhe, Gereiztheit, Aggressivität oder andere deutliche Veränderungen der Gefühle und/oder des Körperempfindens auf.

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4. Um die ursprüngliche Wirkung (angenehme Gefühle, Entspannung etc.) des spezifischen Internetgebrauchs zu erreichen, muss immer länger und/oder mit immer intensiveren Reizen der Internetaktivität nachgegangen werden (Toleranzentwicklung). Im Umkehrschluss werden die ursprünglich positiven Empfindungen kaum noch oder nur noch in geringer Ausprägung und/oder für sehr kurze Dauer erreicht.

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5. Durch den erhöhten Zeitaufwand für die Computernutzung werden andere Interessen vernachlässigt oder gar nicht mehr als solche wahrgenommen. Oder anders ausgedrückt: Aktivitäten in der virtuellen Welt werden wichtiger als die Aktivitäten in der Realität.

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6. Obwohl bereits schädliche Folgen des übermäßigen Computergebrauchs auftreten, wird dieser fortgesetzt.
Dies können psychosoziale Folgen sein (wie beispielsweise Probleme am Arbeits- oder Ausbildungsplatz, Konflikte oder Trennungen in Partnerschaften, finanzielle Probleme, Vernachlässigung des Haushalts und von Behördengängen, Vereinsamung, soziale Isolation).
Oder auch körperliche Folgen (wie Erschöpfung, massive Muskelverspannungen, regelmäßig Schwielen an den Handballen, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Abmagerung /Fettsucht, allgemeine körperliche/hygienische Vernachlässigung, Schmerzen in den Handgelenken und Sehnenscheidenentzündungen, Tagesmüdigkeit mit Leistungseinbußen).

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Werden mindestens drei der sechs Kriterien erfüllt, ist eine Computersucht anzunehmen. In diesem Fall ist die Grenze der Selbsthilfe erreicht und eine professionelle Unterstützung könnte vonnöten sein.

Quelle: Deutsches Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ). (Bild: dpa)

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