Malaria als Feriensouvenir

Menschen reisen immer mehr. Als «Souvenir» bringen sie Malaria, Durchfall oder andere Krankheiten nach Europa. Eine Studie der Universität Zürich mit Daten von 32'000 Patientinnen und Patienten, die zwischen 2008 und 2012 in Europa erhoben worden sind, zeigt, dass Malaria mit rund 60 auf 1000 registrierte Krankheitsfälle die häufigste eingeführte Krankheit ist. Die Anzahl Malariafälle in Europa steigt, obwohl die Zahlen in Afrika rückläufig sind.

Die Zunahme der Krankheitsfälle in Europa führt Patricia Schlagenhauf, Professorin am Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich, auf die Immigration nach Europa zurück. «Viele Migranten besuchen ihre Freunde und Familien in Malariagebieten.» Obwohl heute auch sehr viele Touristen nach Afrika reisen, sind 50 bis 60 Prozent der Personen, die mit Malaria zurückkommen, Migranten. «In der Schweiz sind es jährlich bis zu 300 Personen, die sich auf Reisen mit Malaria infizieren. Im Gegensatz zu Europa ist der Trend in der Schweiz sinkend», sagt Schlagenhauf. Das liege daran, dass in der Schweiz vergleichbar viele Reisende eine Malariaprophylaxe einnähmen, wenn sie in ein Risikogebiet reisten.

Afrikaner werden anfällig

«Wer in einem Malariagebiet geboren wird, entwickelt nach mehrmaligen Infektionen eine Semi-Immunität gegen die Krankheit», sagt Schlagenhauf. In Malariagebieten liegt die höchste Sterberate bei Kindern bis fünf Jahren. Danach zeigen die Menschen keine oder nur noch milde Krankheitserscheinungen, weil sie durch den konstanten Kontakt mit dem Erreger teilweise immun dagegen werden. Allerdings baue sich diese Semi-Immunität innerhalb von sechs Monaten ab, wenn man sich nicht in einem Malariagebiet aufhalte. Die nach Afrika zurückkehrenden Migranten sind der Gefahr deshalb genauso ausgesetzt wie jeder andere Tourist. Das gelte besonders für Kinder, welche unter Umständen nie in ihrem Heimatland gewohnt haben und so nie eine Semi-Immunität entwickelt haben. Auch Migranten müssten sich deshalb vor der Krankheit schützen, was sie jedoch noch zu selten tun, wie die Studie zeigt. Dazu kommt gemäss Schlagenhauf, dass sie im Gegensatz zu europäischen Touristen während des Aufenthalts in verhältnismässig einfachen Unterkünften bei ihrer Verwandtschaft wohnen.

Aber nicht nur Migranten aus afrikanischen Ländern haben ein hohes Risiko, sich in ihrer Heimat mit Krankheiten anzustecken. Auch bei innereuropäischen Migranten, beispielsweise aus Rumänien oder Russland, weisen die Krankheiten ein anderes Profil auf. «Während in Europa bei Touristen vor allem Durchfall, Grippe und Atemwegserkrankungen vorkommen, dominieren bei innereuropäischen Migranten Tuberkulose, Hepatitis C und HIV das Bild», sagt Schlagenhauf. Dafür macht die Wissenschaftlerin erneut Herkunft und bereiste Orte verantwortlich. «Migranten wohnen eher nicht in einem Hotel, sondern pflegen unter Umständen in der Heimat ihre kranken Verwandten.»

Last-Minute-Reisende als Risikogruppe

Um Infektionen auf Reisen zu vermeiden, rät Schlagenhauf, sich vorher umfassend beraten zu lassen. Die Studie der Uni Zürich konnte zum ersten Mal beweisen, dass die präventive, medizinische Beratung etwas nützt und nicht nur kostet. «Wer sie in Anspruch nimmt, erkrankt weniger an Malaria und leidet nach der Rückkehr seltener an einer ernsthaften Reiseerkrankung», sagt Schlagenhauf.

Im Beratungsgespräch erfahren Reisende, wo Gefahren lauern und wie sie sich schützen können. Bei Malaria werden je nach Aufenthaltsort Mückennetze, Insektensprays oder eine medikamentöse Prophylaxe empfohlen. «Gegen Hepatitis A ist der Impfschutz ein ‹Must-have›», sagt Schlagenhauf. Die in der Studie erwähnten rückläufigen Zahlen bei den Hepatitis-Ansteckungen seien denn auch auf die Impfungen zurückzuführen. Einzig bei Durchfallerkrankungen kann die Beratung nichts ausrichten. Hier gilt weiterhin: «Cook it, boil it, peel it or forget it.» Also kochen, schälen oder verzichten.

Das Problem mit der medizinischen Beratung ist, dass ihr gerade Risikogruppen noch fernbleiben. Zu den Risikogruppen gehören gemäss Schlagenhauf auch Last-Minute-Reisende. «Sie haben meist keine Zeit für eine Beratung und reisen ohne Vorbereitung.» Bei der Hepatitis-A-Impfung oder der Malariaprophylaxe wäre ein zeitlicher Vorlauf jedoch vonnöten.

Die Migranten für die Problematik zu sensibilisieren, ist laut Schlagenhauf nicht ganz einfach. «In der Schweiz denkt man über Flyer nach, welche Schulen vor den grossen Ferien – der Hauptreisezeit – an die Eltern abgeben.» Eine weitere Option ist für Schlagenhauf ein Hinweis auf dem Flugticket. «So erreichen wir auch diejenigen Personen, welche ihre Reise nicht mehr über ein Reisebüro buchen.»
(DerBund.ch/Newsnet)

(Erstellt: 11.12.2014, 22:17 Uhr)

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