Lernen von Friedemann W. Nerdinger: Emotionsarbeit

2. März 2012

Friedemann Nerdinger, Wirtschaftspsychologe an der Universität Rostock, hat in der Zeitschrift Report Psychologie Forschungsergebnisse zur Emotionsarbeit zusammengetragen. Wenn Kundenberater ständig lächeln sollen, kann das langfristig zur Erschöpfung führen. Es gibt aber auch eine konstruktive Emotionsarbeit: Tiefenhandeln. Dabei wird versucht, negative Gefühle abzubauen, sodass Erleben und Verhalten wieder im Einklang stehen.

Ein Merkmal von Dienstleistungen ist, dass diese nur im Kontakt mit Kunden möglich sind. Sie verlangen damit vom Dienstleister besondere Fähigkeiten zur Gestaltung der Kundenbeziehung. Positive Gefühle spielen dabei eine zentrale Rolle. Der Dienstleister ist angehalten, gut gelaunt zu wirken, egal ob er es innerlich ist oder nicht.

Dieser nach bestimmten Regeln produzierte Gefühlsausdruck im Tausch für Lohn macht die sogenannte Emotionsarbeit von Servicemitarbeitern aus. Verkäufer, Callcentermitarbeiter, Krankenpfleger – sie alle kennen den Druck, ungeachtet der anstrengenden Arbeit möglichst zu lächeln und Optimismus zu verbreiten.

Friedemann Nerdinger arbeitet heraus, dass es zwei Arten von Emotionsarbeit gibt: Oberflächenhandeln und Tiefenhandeln. Beim Oberflächenhandeln ist die Person bestrebt, nur die gezeigten Gefühle zu verbessern. Die erlebten negativen Gefühle wie Ärger, Enttäuschung oder Langeweile bleiben. Dieser Unterschied zwischen Erleben und Verhalten führt zu emotionaler Dissonanz, die den Mitarbeiter oft zusätzlich belastet.

Beim Tiefenhandeln versucht die Person, negative Gefühle in positive umzuwandeln und diese zu zeigen. Erleben und Verhalten stimmen dann überein. Folgende Techniken fürs Tiefenhandeln wurden beschrieben:

  • Aufmerksamkeitsfokussierung: Man denkt gezielt an angenehme Erlebnisse oder Situationen. Damit sollen positive Gefühle wie Freude, Entspannung oder Hoffnung hervorgerufen werden. So kann sich ein Flugbegleiter anstrengende Fluggäste als ängstliche Kinder vorstellen, die seines Mitgefühls bedürfen – und er wird ruhiger und entspannter.
  • Kognitive Umdeutung: Hierbei soll man anstrengende Situationen möglichst positiv sehen. Kommt es zu einem unangenehmen Wortwechsel zwischen Kunde und Kundenberater, kann letztere die Ursache darin sehen, dass der Kunde gestresst und es nicht sein Fehler war. Das entlastet ihn und macht ihn offen für Lösungsmöglichkeiten.
  • Entspannung: Schließlich helfen entspannende Gedanken, die man vom Autogenen Training, von der Progressiven Muskelrelaxation oder der Meditation her kennt: „Ich atme mit dem Bauch und achte darauf, wie sich meine Bauchdecke hebt und senkt.“ oder „Meine Hände werden ganz warm.“ Entspannung und Angst sind körperlich unvereinbar und wenn man durch diese Gedanken entspannt, verringern sich auch die negative Gefühle.

Friedemann Nerdinger trägt schließlich Forschungsergebnisse zu Oberflächen- und Tiefenhandeln zusammen. Oberflächenhandeln löst emotionale Dissonanz aus. Diese wiederum hat weitreichende negative Folgen:

  • Mitarbeiter fühlen sich erschöpft und ausgelaugt
  • sie sind gesundheitlich beeinträchtigt und fühlen sich selbst nicht mehr leistungsfähig
  • sie zeigen Rückzugsverhalten: nehmen längere Pausen, beschäftigen sich mit privaten Dingen, sind weniger engagiert
  • sie sind unzufrieden mit ihrer Arbeit
  • langfristig kann daraus ein Teufelskreis mit Burnout entstehen

Mit Tiefenhandeln können diese unangenehmen Folgen vermieden werden:

  • Mitarbeiter können damit die Dissonanz zwischen erlebten und gezeigten Gefühlen abbauen
  • sie fühlen sich dadurch leistungsfähiger
  • die Kunden sind zufriedener

Fazit: mehr Tiefenhandeln

Emotionsarbeit ist also nur dann bedenklich, wenn der Dienstleister seine negativen Gefühle mit vorgespielter guter Laune kaschieren will. Besser ist es, in die Tiefe zu gehen und Angst oder Ärger durch positive Gedanken abzubauen.

Für Personaler im Dienstleistungsbereich hat der Autor schließlich noch den Tipp, Emotionsarbeit bei Personalauswahl und -entwicklung unbedingt zu berücksichtigen. Bewerber sollten zu ihrer Einstellung hinsichtlich der Emotionsarbeit befragt werden. Mitarbeiter sollten in Trainings die Techniken der Gefühlsarbeit lernen.

Wirtschaftspsychologie-aktuell.de

Weiterführende Informationen:

Friedemann W. Nerdinger (2012). Emotionsarbeit im Dienstleistungsbereich (PDF). Report Psychologie, 37, 8-18.

Service-Orientierung unter Stress

Sollte man Gefühle vortäuschen?

Was bringt emotionale Intelligenz im Job?

Lernen von Barbara Fredrickson: Aufblühen – bei der Arbeit und im Alltag

Zur Ausgabe „Professionelle Personalauswahl“

Zur Ausgabe „Coaching im Aufwind“

Zum Schnupper-Abo der Wirtschaftspsychologie aktuell

Zur Newsletter-Anmeldung

Zum
Archiv

Open all references in tabs: [1 - 7]

Leave a Reply