Leicht verständliche Psychologie – Reutlinger General

Von Joachim Kreibich

TÜBINGEN. Die Fangfrage ist beliebt. »Was ist schwerer: Ein Kilo Federn oder ein Kilo Stahlkugeln?« Drängt man Schulkinder im Alter von neun Jahren zu einer raschen Antwort, fallen viele drauf herein und merken nicht, dass beides gleich viel wiegt. Besucher im Psychologischen Institut sind an dieser Station längst gewitzter. Sie haben kurz davor schon optische Täuschungen erlebt und wissen, dass man besser zweimal hinschaut und nachdenkt, bevor man ein Urteil abgibt.


»So viele interessante Objekte sind sonst nirgends zu sehen«, haben sich die Macher des Uni-Museums beim Blick in die Sammlung des Instituts gesagt und dann die zündende Idee gehabt. Mitarbeiter Frank Duerr schrieb ein Praxis-Seminar aus und stieß auf »unglaublich motivierte Studierende«.

Unter seiner Anleitung wurden die 400 Objekte im Depot neu sortiert, mit Inventar-Nummer versehen und digital erfasst. In verschiedenen Arbeitsgruppen wurden Sponsoren ausfindig gemacht, Konzepte erarbeitet und die Vorschläge umgesetzt.


36 Objekte sind ausführlich im Katalog beschrieben. 24 werden nun in einer Dauer-Ausstellung präsentiert und dokumentieren zugleich 100 Jahre der Geschichte des Faches in Tübingen. Während anderswo noch um Anerkennung gerungen wurde, war man in Tübingen schon auf dem Weg zur eigenständigen Disziplin.

Wie man Stress misst

Keine ganz einfache Sache, die Apparate und Schautafeln auf einem Flur ansprechend zu platzieren. Doch Duerr und die Teilnehmer in seinem Kurs haben sich dafür entschieden, auch Laien mit leicht fasslichen Fragen auf die Phänomene aufmerksam zu machen. Und sie verschweigen dabei nicht die dunkle Seite der Instituts-Geschichte.

Der erste Lehrstuhl-Inhaber wurde auf Druck der Nazis wegen »politischer Unzuverlässigkeit« zwangsweise in den Ruhestand geschickt. Sein Nachfolger setzte einiges daran, Konstitutions-Forschung, Vererbungslehre und »Rassenseelenkunde« zu einer völkischen Anthropologie zu verbinden.



Auch von diesen Vorgängen ist im Katalog und auf den Tafeln die Rede.

Die meisten Stationen sind jedoch psychologischen Phänomenen und den zur Erforschung verwendeten Apparaten gewidmet. So gibt's Antwort auf Fragen wie »Warum kann ich mich nicht selbst kitzeln?« oder »Wie schnell reagiert ein Idiot?« Letzteres bezieht sich auf ein Gerät, das bei der medizinisch-psychologischen Untersuchung von Autofahrern, die ihren Führerschein wiederhaben wollen, zum Einsatz kam - dem sogenannten Idiotentest. Wer sich den Psycho-Galvanometer von 1920 anschaut, erfährt wiederum, dass man Stress auf der Haut messen kann. »Verpasste man einem Probanden eine Ohrfeige oder kritisierte ihn vor Kollegen scharf, zeigte dieses Messgerät den gleichen Wert an.«

Duerr betont, dass man sehr auf allgemeine Verständlichkeit geachtet hat. Vorkenntnisse der Psychologie sind nicht notwendig. Und auch Schulkinder sollen ihren Spaß daran haben. (GEA)

Mind/Things - Kopf/Sache

Führungen und Katalog im Institut an der Schleichstraße

Die Dauerausstellung "Mind/Things - Kopf/Sache" ist im Psychologischen Institut zu sehen (Schleichstraße 4, im ehemaligen Gebäude der Frauenklinik). Zugänglich ist sie über den Haupteingang an der Liebermeisterstraße. Die Öffnungszeiten sind: Montag bis Freitag, 9 bis 18.30 Uhr. Führungen gibt es immer freitags um 15 Uhr und nach Vereinbarung. Der Katalog hat 132 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen und Beiträge zur Instituts-Geschichte und zur neuesten Forschung. Er kostet 14,90 Euro. (-jk)
0 70 71/2 97 64 39
www.mindthings.de


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