Lego-Psychologie: Böse Miene zum guten Spiel

Eine Studie will herausgefunden haben, dass Legofiguren immer grimmiger gucken. Dabei haben Eltern von Lego-Fans deutlich mehr Grund für finstere Mienen.

Nach „Es war einmal…“ ist „Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, dass…“ sicher einer der beliebtesten Einleitungssatz überhaupt. Wo letzterer eher die Erwartung allegorischen Weltverstehens heraufbeschwört, verspricht der erste faktenbasierte oder doch theoretisch gut begründete Erkenntnis. Wissenschaftler haben also vor einigen Tagen herausgefunden, dass die von dem dänischen Spielzeugproduzenten Lego hergestellten und weltweit verkauften Minifiguren immer finsterer dreinschauen. Ist man zunächst wahlweise schockiert oder verwundert, warum es von den täglich zu Tausenden veröffentlichten Forschungsergebnissen ausgerechnet diese bahnbrechende Erkenntnis in die Nachrichtenagenturen geschafft hat, freut man sich letztlich doch über die praxisbezogene Forschung.

Endlich mal eine klare Aussage. Die ist auch dem Laien verständlich, was bei akademischen Publikationen etwa zur hegelianischen Dialektik oder zur theoretischen Astrophysik ja nicht immer der Fall ist.

Kostenarme Werbestrategie?

Der in Neuseeland ansässige Doktor der Philosophie Christoph Bartneck hat sich laut Pressemeldung jedenfalls 6.000 Legofiguren angeschaut und eine bedenkliche Zunahme ärgerlicher, wütender und unzufriedener Gesichter ausgemacht. Und dass, so die brisante Annahme, habe sicherlich Einfluss auf das kindliche Spielverhalten, teilte er mit. Aha.

Nach Spitzenforschung klingt das nun freilich weniger. Tatsächlich scheint die Untersuchung dann auch eher ein Abfallprodukt einer anderen Tätigkeit zu sein: Cristoph Bartneck, so viel ist gewiss, hat sich bisher als Autor verschiedener Lego-Minifiguren-Sammelkataloge hervorgetan. Und da kann ein wenig mediale Aufmerksamkeit beim Abverkauf sicher nicht schaden. Über das allgemeine Interesse, welches das „Grimmige-Lego-Thema“ hervorgerufen hat, kann sich mutmaßlich auch der Hersteller freuen. Ist das Ganze also letztlich eine kostenarme Werbestrategie des Unternehmens selbst?

Strikte Geschlechtertrennung

Das wäre ziemlich originell. Weniger fantasievoll zeigte man sich bei Lego in den letzten Jahren indes bei der Produktentwicklung. Mag es bei dem vor allem auf Jungen zugeschnittenen Programm wie den asiatischen Kampfkünsten abgeschauten Serien „Ninjago“ oder „Chima“ und den enorm erfolgreichen „Star Wars“- oder „Harry Potter“-Lizenzprodukten gegebenermaßen grimmig schauende Figuren geben – in der rosaroten Lego-Mädchenwelt wird um die Wette gestrahlt.

Angesichts geschlechtsneutraler Plastikbausteine, die es mittlerweile aber kaum noch zu kaufen gibt, ein tragischer Rückfall in überholt geglaubte Rollenklischees. Dabei ist die Genderfrage längst fester Bestandteil ernstzunehmender Kinderentwicklungsforschung. Welchen Schaden ein böse schauender Lego-Polizist oder ein trauriger Lego-Dieb beim behüteten Nachwuchs verursachen könnte, ist dagegen nicht recht auszumachen.

Wohl ist Lego nicht der einzige Spielwarenhersteller, der vermehrt auf die strikte Geschlechtertrennung setzt, ein einziger Blick in die Spielwarenabteilung großer Warenhäuser mag da genügen. Während man in der pinkfarbenen Mädchenecke gern auch aus riesigen Glubschaugen angestarrt wird, das übertrieben ausgeschlachtete Kindchenschema der Puppen und Plüschfiguren wirkt in dieser Häufung fast schon bedrohlich, wird der Jungsbereich eher mit technischem bis martialischem Spielzeug bestückt. Mädchen werden in diesem Spielverständnis auf die häusliche Welt verwiesen, während knallharte Jungs das Leben draußen regeln müssen. Allein in der Stofftier- oder Gesellschaftsspielecke scheinen sich Jungs und Mädchen noch begegnen zu können, ohne in ihre vermeintlich geschlechtertypischen Schranken verwiesen zu werden.

Vorbereitung auf nächsten Konsumrausch

Nun sind Unternehmen wie Lego ja auch nicht der sinnvollen (früh-)kindlichen Bildung, sondern ihrem Gewinn verpflichtet – und der lässt sich offensichtlich nur mit den hoch spezialisierten, vermeintlich geschlechtstypischen Lego-Welten erreichen, und nicht länger mit bloßem Baumaterial.

Die gefühlt federleichten Packungen beispielsweise der „Star Wars“-Lizenzserie haben dabei ihren Preis, um die 400 Euro kostet der aktuelle Todesstern. Der Nachteil dieser Bauanleitunsboxen liegt auf der Hand: Einmal zusammengebastelt, staubt das Stück nur vor sich hin. Einmal auseinandergebaut fehlen beim nächsten Versuch jede Menge nicht austauschbarer Kleinstteile.

Zum Spielen eignen sich die komplexen Gebilde also weniger, dafür wird das Kind mit netten Lego-Star-Wars-Filmchen und assoziierten Computerspielen gleich auf den lukrativen elektronischen Spielemarkt zugerichtet. Da kann man schon mal böse gucken.

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