Sie sind sicher der Meinung, dass Sie Ihre Kaufentscheidungen vollkommen rational treffen. In Ansätzen mag das ja noch zutreffen, wenn es um größere Anschaffungen geht. Vor dem Auto-, Computer- oder Waschmaschinenkauf werden Fachzeitschriften gewälzt, Online-Portale durchforstet, Stiftung-Warentest-Ergebnisse gelesen und Preisvergleiche angestellt. Alltägliche Kaufentscheidungen aber fällen die meisten Konsumenten weit weniger rational – schon allein, weil vollkommen rationale Entscheidungen unendlich zeitaufwändig sind und die notwendigen Informationen Mangelware. Nach welchen Kriterien aber entscheiden sich Kunden dann?
Der Mythos vom rationalen Entscheiden
Im 18. Jahrhundert gingen Ökonomen davon aus, dass wirtschaftliche Entscheidungen rein rationalen Kriterien gehorchen (sollten). Soziologie, Verhaltensökonomie und die Wirtschaftswissenschaften selbst sind jedoch mittlerweile zu der Erkenntnis gelangt, dass rationale Entscheidungen unmöglich sind – ganz egal, ob es sich um Kaufentscheidungen oder andere Entscheidungen aus der ökonomischen Sphäre handelt.
Grund 1: Die notwendigen Voraussetzungen sind nicht erfüllbar.
Damit Kaufentscheidungen tatsächlich rational werden, müsste der Kunde lückenlos über alle seine Möglichkeiten und ihre Folgen informiert sein. Dann muss er in der Lage sein, daraus seine Präferenzen zu schließen und diese in eine stabile Reihenfolge zu bringen. Umentscheiden oder gleichwertige Alternativen kommen in der Theorie vom Homo oeconomicus nicht vor.
Grund 2: Menschen sind irrational.
Sie achten bei Ihrer Ernährung auf gesunde Inhaltsstoffe, kaufen am liebsten Bio und bewegen sich viel, um Übergewicht und Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems vorzubeugen. Aber auf der Autobahn fahren Sie am liebsten 200 Kilometer pro Stunde aufwärts, weil es Ihnen gefällt, wenn Sie durch die Geschwindigkeit nach hinten in Ihren Sitz gedrückt werden? Während Sie sich in dem einen Lebensbereich gesundheitsorientiert verhalten, verhalten Sie sich in dem anderen hochriskant. In seiner Struktur ist der Mensch eben irrational und deshalb – Gott sei Dank! – nur schwer durchschaubar. Genauso irrational trifft er auch seine Kaufentscheidungen.
Grund 3: Menschen sind Produkte ihrer Sozialisation.
Rollenmuster, Einstellungen, kulturelle Prägung – alle Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens machen, beeinflussen unser Verhalten und unsere Entscheidungen. So entstehen verschiedene Charaktere mit verschiedenen Einstellungen, die unsere Entscheidungen beeinflussen – und sie nicht unbedingt rationaler machen.
Wie treffen wir Kaufentscheidungen dann?
Rationale Entscheidungen scheinen also Fehlanzeige zu sein. Aber wie treffen wir unsere Entscheidungen denn dann? Die schlechte Nachricht: Es gibt nicht den Knopf, auf den Sie drücken können, damit Kaufentscheidungen zu Gunsten Ihres Produkts getroffen werden. Die gute: Es gibt ein paar Knöpfe, die Sie drücken können, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass Ihr Angebot den Zuspruch von Kunden und Konsumenten findet.
1. Marken
Wir alle scheuen das Risiko, vor allem, wenn es darum geht, Geld auszugeben. Bekannte Marken können deshalb so schlecht nicht sein, denken Kundengehirne: Schließlich haben sie sich meist über einen langen Zeitraum bewährt, einen guten Ruf aufgebaut, der auf stabilen Leistungen basiert und eine große Kundenschar kann sich ja nicht irren. Dass das nicht immer stimmen muss, zeigt der aktuelle VW-Skandal. Doch, wie oben beschrieben: Rationale Entscheidungen treffen wir nunmal in den seltensten Fällen.
2. Emotionen
Sowohl mit dem Produkt-Auftritt als auch im Verkaufsgespräch müssen Sie Ihre Kunden emotional ansprechen. Die Werbepsychologie unterscheidet zwischen verschiedenen Kundentypen, die Sie jeweils verschieden ansprechen können:
- Der dynamische Performer will durch Produkte seinen Status betonen und sich einen (Karriere-) Vorsprung verschaffen
- Der Controller will Sicherheit: Zertifikate und Garantien überzeugen ihn.
- Der Bewahrer will ein Produkt, an dem er weiß, was er hat – bloß kein neumodischer Schnick-Schnack, der vielleicht noch an diversen Kinderkrankheiten leidet!
- Der Innovator will etwas Neues, Exklusives, etwas, das noch keiner hat. Er ist risikoaffin und probiert gern aus.
Außerdem gilt für alle Kunden: Sie wollen sich gut fühlen, wenn sie etwas kaufen. Kaufentscheidungen werden heute zunehmend auch von moralisch-ethischen Gesichtspunkten beeinflusst. Die Pleite von Schlecker und der Erfolg von dm, deren Gründer Götz Werner sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetzt, sind dafür gute Beispiele.
3. Sprache
Im Verkaufsgespräch achten Sie darauf, konkrete Begriffe zu benutzen und Wörter, die mit positiven Empfindungen verknüpft sind. Sprechen Sie das haptische, optische und akustische Erleben mit Worten wie „streicheln“, „glatt“, „weich“, „fest“ etc. an. Beim Kunden muss sofort ein Bild entstehen. Und: Formulieren Sie positiv. Wenn Sie sagen: „Mit diesem Auto werden Sie so schnell keine Panne haben“, hört unser Gehirn nur „Panne“ – und ist gegenüber dem Produkt negativ eingestellt. Formulieren Sie lieber „Dieses Auto ist sehr zuverlässig, Service- und Scheckheft-geprüft, TÜV hat es gerade neu bekommen. Der Vorbesitzer war sehr zufrieden.“
Viele Kleinigkeiten
Zu einem positiven Kauferlebnis gehören außerdem noch viele Kleinigkeiten: Die richtige Musik, der richtige Geruch, die passende Haptik: All das transportiert Botschaften zum Kunden, die seine Kaufentscheidungen beeinflussen. In einer losen Serie beschäftigen wir uns auf AGITANO in den nächsten Wochen mit diesen Aspekten. Denn neue Ergebnisse aus der Kunden- und Konsumentenpsychologie haben hier Spannendes zu Tage gefördert, das auch Ihrer Verkaufsperformance im kommenden Weihnachtsgeschäft nützen kann.
Ähnliche Artikel
« Reichtum ist ein Gefühl – Wolfgang Sonnenburg im Interview Kommunikation am Arbeitsplatz – Der richtige Umgang mit dem Faulpelz »