Kriegsbetroffene Jugendliche in Uganda stark traumatisiert

Psychologen der Universität Konstanz untersuchten die psychischen Belastungen von kriegsbetroffenen Jugendlichen in Uganda.


Über mindestens zwei Jahrzehnte war die Zivilbevölkerung in Norduganda organisierter Gewalt ausgesetzt, bis ab dem Jahr 2006 die Häufigkeit von Gräueltaten der paramilitärischen Widerstandsgruppe Lord's Resistance Army (LRA) langsam zurückging. Doch die Erinnerungen an den Krieg bleiben – und mit ihnen die durch die Traumatisierungen ausgelösten psychischen Erkrankungen. Psychologen der Universität Konstanz untersuchten gemeinsam mit einem internationalen Wissenschaftlerteam und der Hilfsorganisation Vivo International die psychische Gesundheit von Jugendlichen im Norden von Uganda.

Klinische Interview in den Jahren 2008 und 2009

Unter Anleitung der Forscher führten Traumaberater vor Ort klinische Interviews mit insgesamt 843 Schülern und Auszubildenden aus weiterführenden Schulen und Berufsausbildungszentren in den Regionen Gulu und Amuru. Der Fokus wurde auf Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), Depression und auf Suizidgedanken gelegt. Zudem wurden die Jugendlichen nach verschiedenen traumatischen Erlebnissen – wie etwa Entführung, Vertreibung, bewaffnete Angriffe, sexuelle Gewalt, lebensbedrohliche Verletzungen oder das Mitansehen von gewaltsamem Tod – gefragt.

Vielfältige Traumatisierungen

Es zeigte sich, dass 84 Prozent der Mädchen und 89 Prozent der Jungen aufgrund des Krieges aus ihren Heimatdörfern vertrieben worden waren. 30 Prozent der Mädchen und 50 Prozent der Jungen wurden von der LRA entführt, um als Kindersoldaten zu kämpfen. Ungefähr die Hälfte der Kindersoldaten wurde gezwungen, Gewalt auszuüben – beispielsweise andere Kinder zu entführen oder Menschen zu verletzen. Die Entführungen hatten im Durchschnitt eine Dauer von zwölf Monaten und dauerten bis zu elf Jahre an.

Psychische Probleme weit verbreitet

PTBS, Depressionen und Suizidgedanken waren nicht nur bei den ehemaligen Kindersoldaten weit verbreitet: Bei rund 32 Prozent der ehemals entführten Jugendlichen und bei rund zwölf Prozent der nicht entführten Teenager beobachteten die Wissenschaftler die Symptome einer PTBS. Der höchste Anteil an PTBS-Diagnosen wurde bei ehemals Entführten gestellt, die als Kindersoldaten selbst Gewalt ausüben mussten und mehr als 25 traumatische Erlebnisse gehabt hatten. Bei den ehemals Entführten mit PTBS wurde bei 30 Prozent der Mädchen und 17 Prozent der Jungen die Diagnose Depression gestellt. 57 Prozent der ehemals entführten Mädchen und 34 Prozent der Jungen berichteten, dass sie momentan Suizidgedanken hätten.

„Baustein“-Mechanismus

Nach Einschätzung der Forscher legen die Ergebnisse einen stufenweisen „Baustein“-Mechanismus bei der Entstehung der PTBS nahe, bei dem das Risiko der Erkrankung mit jeder traumatischen Erfahrung steigt. Sie befürchten, dass die weite Verbreitung von psychischen Problemen unter Jugendlichen ein Nährboden für gewalttätige Gangs und bewaffnete Gruppen sein könnte und letztlich zu einem Zirkulieren von Krieg und Gewalt führen könnte. Die psychische Gesundheitsvorsorge dürfe sich daher nicht nur auf ehemalige Kindersoldaten beschränken.

Literatur

Winkler, N., Ruf-Leuschner, M., Ertl, V., Pfeiffer, A., Schalinski, I., Ovuga, E. et al. (2015). From war to classroom: PTSD and depression in formerly abducted youth in Uganda [PDF]. Frontiers in Psychiatry, 6 (2).

28. April 2015
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft
Foto: © Jonathan Stutz – Fotolia.com

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