"Krank macht es vermutlich nicht"

23.12.11 –
Udo Flohr

Der Sinnesforscher Martin Banks über die Frage, warum 3D-Darstellungen manchen Menschen Probleme bereiten.

Banks lehrt Optometrie, Vision Science und Psychologie am Helen-Wills-Institut für Neurowissenschaften der University of California in Berkeley.

Technology Review: Professor Banks, wie vielen Menschen wird schlecht von 3D-Displays?

Martin Banks: Das hängt sehr vom Alter der Person ab. Außerdem vom gezeigten Inhalt und davon, ob es sich um Kino, Fernsehen, Videospiele oder Computeranwendungen handelt.

TR: Welche Probleme erleben die Zuschauer?

Banks: Überanstrengung der Augen, verschwommenes Sehen, Ermüdung, Kopfschmerzen. Seltener auch Übelkeit.

TR: Was sind die Hauptursachen?

Banks: Am besten erforscht ist der Vergenz-Akkommodation-Konflikt: Unsere Augen müssen sich zueinander nach innen drehen, um ein sich näherndes Objekt zu verfolgen; das ist Vergenz. Gleichzeitig müssen sie auf die sich verringernde Entfernung fokussieren, das ist Akkommodation. Doch da die Entfernung zum Bildschirm immer gleich bleibt, ist vor einem 3D-Display eigentlich gar keine Neufokussierung nötig. So kommt es zum Konflikt. Die Störung des Gleichgewichtssinns kann ebenfalls unangenehm sein – wenn die Augen melden, dass der Zuschauer sich bewegt, aber sein Innenohr das Gegenteil sagt.

TR: Welche Rolle spielt dabei das Alter?

Banks: Mit dem Alter verschlechtert sich die Akkommodationsfähigkeit. Ab 50 können die meisten Menschen praktisch gar nicht mehr akkommodieren. Sie leben in der realen Welt mit einem Vergenz-Akkommodation-Konflikt und haben sich daran gewöhnt. Die 3D-Welt bereitet ihnen also deutlich weniger Probleme als jüngeren Menschen.

TR: Kann 3D auch bleibende Schäden verursachen?

Banks: Bisher gibt es dafür jedenfalls keine stichhaltigen Belege. Aus Japan gibt es zwar einen älteren Bericht über ein Kind, das nach Gebrauch eines 3D-Displays zu schielen begonnen haben soll, aber ich halte ihn nicht für besonders glaubwürdig.

TR: Sollte man 3D besser im Kino als zu Hause auf dem Fernseher genießen?

Banks: Generell minimiert ein größerer Betrachtungsabstand das visuelle Unbehagen. Im Kino haben die meisten Menschen also tatsächlich weniger Probleme als zu Hause. Doch die Produzenten könnten 3D-Inhalte auch so gestalten, dass sie unabhängig von Displaytechnik und Betrachtungsabstand erträglicher werden.

TR: Wie wäre das möglich?

Banks: Sie sollten eine Vorstellung davon haben, wohin der Zuschauer schaut – zum Beispiel eher auf das Gesicht einer Person als auf den Hintergrund. Die virtuelle Position dieses fixierten Objekts sollte möglichst nahe an der Leinwand- beziehungsweise Bildschirmebene liegen. Andere Objekte können sich trotzdem weit hinter oder weit vor der Leinwand befinden – solange nicht damit zu rechnen ist, dass der Zuschauer sich auf sie konzentriert. Wesentlich schwieriger wäre es, die Displays zu verändern; das erfordert einiges an technischer Innovation. Daran arbeiten wir zwar auch, aber es dauert noch ein paar Jahre.

Dieser Text ist der Zeitschriften-Ausgabe 11/2011 von Technology Review entnommen.

Das Heft kann, genauso wie die aktuelle Ausgabe, hier online portokostenfrei bestellt werden.


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