Körperbild: Psychologen warnen vor neuem Trend

"Bilder aus dem Internet beeinflussen die Beziehung zum Körper in immer stärkerem Ausmaß." Das sagt die Psychologin Michaela Langer,Generalsekretärin des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen (BÖP), im Vorfeld des "Tages der Psychologie" zum Thema "Internet soziale Netze: Fluch oder Segen?" (siehe unten).



Mag. Michaela Langer, PsychologinFoto: /BÖP
Psychologin Michaela Langer

KURIER: Wieso nimmt das Thema "Internet und Körperbild" immer größere Dimensionen an?

Michaela Langer: Das Internet hat die Intensität, mit der Menschen mit idealisierten und manipulierten Bildern konfrontiert werden, ganz drastisch erhöht. Bisher hat das vor allem Bilder von Stars und Models betroffen. Doch jetzt beobachten wir zunehmend ein neues Phänomen: Junge Menschen retuschieren die Fotos ihres eigenen Körpers – etwa des Gesichts, der Brust –, bevor sie diese online stellen.

Mit welchen Folgen?

Vor allem Mädchen befassen sich intensiv mit ihren vermeintlichen Mängeln – ihr Focus liegt auf dem Negativen, nicht auf dem Positiven. Gleichzeitig sehen sie aber bei ihren Freundinnen ebenfalls retuschierte Bilder – und das erhöht den Druck nochmals: Plötzlich handelt es sich nicht mehr um entfernte Stars, sondern um den Nahraum – und dadurch verstärkt sich der soziale Vergleich untereinander. Positive Kommentare zu den Bildern bestätigen einen, negative verleiten dazu, noch mehr zu retuschieren. Dieses Sich-Vergleichen ist ganz wesentlich beim Entstehen von Körperunzufriedenheit. Das kann z.B. eine Essstörung, aber auch den Wunsch nach einer Schönheits-OP auslösen.

Das seit 2013 geltende Gesetz für ästhetische Eingriffe schreibt bei 16- bis 18-Jährigen eine psychologische Beratung vor. Bei Erwachsenen ist ein Aufklärungsgespräch vorgeschrieben. Hat sich das bewährt?

Bei den 16- bis 18-Jährigen auf jeden Fall, aber das ist eine kleine Gruppe. Viele warten jetzt, bis sie 18 sind, um sich das Gespräch beim Psychologen zu ersparen. Das Aufklärungsgespräch bei Erwachsenen durch den Chirurgen ist aber aus meiner Sicht meist sehr medizinisch-technisch. Da wird die Art des Eingriffs genau erklärt, was auch wichtig ist. Aber es bleibt oft zu wenig Zeit, um sich mit der Psyche der Frau – zumeist sind es Frauen – auseinanderzusetzen. Schlägt ein Chirurg aber einem Erwachsenen eine psychologische Beratung vor, bedeutet das für diesen eine gewisse Stigmatisierung – und der Chirurg läuft Gefahr, einen Kunden zu verlieren. Eine verpflichtende psychologische Beratung vor jedem ästhetischen Eingriff würde das verhindern. Und es ist für einen Chirurgen oft auch nicht so leicht, eine psychische Störung zu erkennen.

Wieso?

Weil das Detektivarbeit sein kann und die Hinweise oft nur für einen Experten zu erkennen sind. Ein Beispiel: Es kommt eine junge, normalgewichtige Frau in die Praxis, die realistische Vorstellungen über eine Brustvergrößerung hat. Ihr Auftreten ist eloquent, sie ist gesundheitsbewusst, ernährt sich vegetarisch, läuft bis zu zehn Kilometer an mehreren Tagen in der Woche, hat keine Krankheiten, gerade vielleicht einen etwas unregelmäßigen Menstruationszyklus – soll der Chirurg sie ablehnen? Da kann eine Bulimie dahinterstecken, die auch der Auslöser für Komplikationen bei einer Operation sein kann – aber wenn ich nicht im Detail weiß, wonach ich fragen soll, dann finde ich das nie heraus. Wenn tatsächlich ein psychisches Problem vorliegt, gilt es, zuerst die psychische Stabilität wiederherzustellen. Erst danach sollte – falls dann der Wunsch danach überhaupt noch besteht – der Eingriff durchgeführt werden.

Was raten Sie Eltern?

Dass sie ihren Kindern einen stabilen Selbstwert und Selbstvertrauen vermitteln und ihnen sagen: "So, wie du bist, bist du gut. Ja, es gibt Menschen, die sehen anders aus, sind größer/kleiner, dicker/dünner, aber das ist die Vielfalt, die unser Leben bereichert."

Tag der Psychologie

Samstag, 28. 11.10 bis 17.30 Uhr Vorträge, Diskussionen, Beratung im Wiener Rathaus (Lichtenfelsg. 2, 1010 Wien) zum  Generalthema „Internet soziale Netze: Fluch oder Segen?“.

Einige der Schwerpunkte10.15 h: „Wenn Eltern ihre Kinder nicht mehr verstehen: Babylonische Sprachverwirrung in Zeiten des Internets“; 10.45: „Zwischen Selfies, Likes und Wirklichkeit“; 11.15 h: „Handy- verbot an Schulen, Pro Contra“; 12.30 h: „Spielsucht, Kaufsucht, Internetsucht: Süchtig im Netz?“; 13 h: „Wegweiser durch den Gesundheitsdschungel im Netz“.  16 h: „Psychoterror im Internet - Hilfe und Auswege“;17 h: „Fit mit APP“ – wie das Internet Fitness und Gesundheit fördert“.

Alle Informationen: www.tagderpsychologie.at

Infografik

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