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Michèle Binswanger
Redaktorin Kultur


«Konservative verstehen mehr von Psychologie»

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Der amerikanische Moralpsychologe Jonathan Haidt sagt,
der Rechten falle es leichter, ans Unterbewusste zu appellieren.

«Moral hat viel mit Emotion und Intuition zu tun», sagt Psychologe Jonathan Haidt.

«Moral hat viel mit Emotion und Intuition zu tun», sagt Psychologe Jonathan Haidt.
Bild: James Duncan Davidson

Jonathan Height

Jonathan Haidt lehrt Psychologie und ­Wirtschaftsethik an der New York ­University. Sein Spezialgebiet sind die Moral sowie moralische Emotionen. In seinem Bestseller «The Righteous Mind» (Pantheon Books, New York) erklärt der 50-Jährige die ­moralischen Grundlagen der modernen politischen Ideologien. Und er geht der Frage nach, weshalb sich die Linke und die Rechte so schwer miteinander verständigen können, obschon sie letztlich beide nach dem Gemeinwohl streben. Mehrere ­US-Magazine führen ihn auf ihrer Liste der «globalen Topdenker».

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Die Masseneinwanderungsinitiative hat die Schweiz in zwei Lager ­gespalten: in ein linksliberales, weltoffenes und ein konservatives, das sich gegen die Welt abschotten möchte. Das zeigt eine eben ­veröffentlichte Analyse der ­Abstimmungsresultate.
Was ist da los?

Das Thema Immigration ist eines der kontroversesten Themen zwischen links und rechts, das gilt für die USA, die EU – und die Schweiz. Zuwanderung hat viele Vorteile, sie fördert die Kreativität und das Wirtschaftswachstum. Aber sie zieht immer auch einen kulturellen Wandel nach sich, und das widerspricht der konservativen Ideologie. Traditionen haben für Konservative einen hohen Stellenwert, es ist ein Teil ihrer Identität – und die Immigration reisst das auseinander.

Im Gegensatz zur Schweiz verstehen sich die USA ausdrücklich als ­Einwanderungsland – wie geht man dort mit dem Thema um?
Wir haben diesbezüglich eine ganz andere Geschichte. Jede Nation oder jede Gesellschaft muss etwas heilighalten. In Europa definiert man sich über Herkunft und Nationalität. Die ersten Amerikaner fanden ihre Identität als Amerikaner nicht in ihrer Herkunft, sondern hielten die Idee von Freiheit und Unabhängigkeit hoch. Amerika definiert sich über Ideale, und die Zuwanderung hatte immer einen anderen Stellenwert, auch während der gigantischen Einwandererwellen im frühen 20. Jahrhundert. Meine Grosseltern, die aus Russland und Polen hierherkamen, wurden keineswegs mit offenen Armen empfangen. Aber man liess sie gewähren. Es gab zwar auch hier Ressentiments gegen die Einwanderer, aber im Gegensatz zu Europa wurden sie nicht verfolgt.

Man liess sie gewähren, sagen Sie. Gilt das bis in die Gegenwart?
Von den 30er- bis in die 80er-Jahre war die Einwanderung niedrig. Das hatte zur Folge, dass sich die amerikanische Identität um den Typus des weissen angelsächsischen Protestanten zu formieren begann. Als es dann in den 80ern zu Wellen illegaler Immigration aus Mexiko kam, reagierte die republikanische Partei mit Protest. Die illegale Immigration wurde zu einem grossen politischen Thema. Der Protest aus dem konservativen Lager ist zwar teilweise rassistisch motiviert, aber er lässt sich nicht darauf reduzieren. Er ist komplizierter.

Inwiefern komplizierter?
Der Widerstand der Konservativen hat damit zu tun, dass Autoritäts- und Ordnungsprinzipien für sie einen sehr hohen Stellenwert haben. Insofern zielt ihr Widerstand weniger auf die Immigration im Allgemeinen als auf die illegale Einwanderung. Dass die Leute sich unter Zäunen durchzwängen – das widerspricht der konservativen Ordnungsvorstellung. Dann ist da die Frage der Kultur: Amerika hat seine Einwanderer immer assimiliert. Meine Grosseltern haben Jiddisch gesprochen, aber ihre Kinder wuchsen zu perfekten Amerikanern heran. Heute fordert man im Bildungssystem Zweisprachigkeit, was der Idee der Integration widerspricht. Wenn es ein starkes Assimilationsprogramm geben würde, eine gemeinsame Idee, dass die Kinder zu Amerikanern werden und Englisch sprechen, wäre der Widerstand gegen die Immigration schwächer.

Welche Rolle kommt in der ­Einwanderungsdebatte ­der politischen Linken zu?
Die Ausrichtung der Linken ändert sich alle paar Jahrzehnte. Bis in die 50er-Jahren war der Konflikt links gegen rechts gleichbedeutend mit dem Konflikt Gewerkschaft gegen Kapital. 1965 beendete Präsident Johnson mit dem Civil Rights Act die Rassentrennung, was wunderbar war und zu einem tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel führte. Nun formierte sich die sogenannt neue Linke, die sich auf Diskussionen um Rasse, Geschlecht und später sexuelle Orientierung konzentrierte und ihre Identität daraus schöpfte. Die Linken begannen, für die Unterprivilegierten zu kämpfen, wozu später die Immigranten zählten.

In der Schweiz wird seit dem 9. Februar viel über die politischen Unterschiede zwischen Stadt, Land und Agglomeration gesprochen. Wie beeinflusst der Wohnsitz
die politische Haltung?

Die grösste Erkenntnis der Psychologie der letzten 50  Jahre ist, dass unsere Gene fast alles bestimmen, auch unsere politischen Ansichten. Das zeigen Studien mit eineiigen Zwillingen: Wachsen solche Zwillinge getrennt auf, spiegeln sie als Kinder das politische Umfeld, in dem sie aufwachsen. Aber wenn sie in ein Alter kommen, in dem sie ihren Wohnort und ihre Freunde selber wählen können, zieht es sie in ein Umfeld, das ihrer biologischen Veranlagung entspricht. Menschen, die Veränderung, Abwechslung und Vielfalt mögen, ziehen in progressive Städte. Menschen, die Stabilität, Ordnung und Voraussehbarkeit schätzen, neigen dazu, aufs Land zu ziehen.

Von Ihnen stammt die These, dass Konservative ein breiteres ­moralisches Spektrum ansprechen als Linke. Was heisst das?
Sie müssen sich den moralischen Geist vorstellen wie eine Zunge, auf der es unterschiedliche Geschmacksrichtungen gibt. Ich habe sechs unterschiedliche, aber universelle Prinzipien gefunden, die je nach Kultur variieren. Da gibt es zum Beispiel das Prinzip der Fairness, das Prinzip der Freiheit vor Unterdrückung, das Prinzip der Fürsorge für die Schwächeren, dann Gebote wie Autorität, Loyalität und Reinheit. Das sind alles Tugenden, die sich im Lauf der Evolution entwickelt haben und unser Zusammenleben regeln sollen.

Und worin besteht nun der Vorteil der Konservativen?
Für die Linken sind vor allem drei moralische Prinzipien massgebend: Freiheit, Fairness und Fürsorge. Darauf basiert das linke Ideal von sozialer Gerechtigkeit, Solidarität mit Unterprivilegierten und politischer Gleichheit. Die andere Hälfte des Spektrums, nämlich das Gebot von Loyalität, Autorität und Reinheit lehnen sie mehrheitlich ab, weil es ihren Vorstellungen einer offenen, auf individueller Freiheit basierenden Gesellschaft widerspricht. Konservative hingegen sprechen das ganze Spektrum an. In ihrer Ideologie haben auch Werte wie Autorität, Loyalität mit der Nation und Reinheit oder besser Religion Platz. Konservative haben zudem ein besseres Verständnis von Gruppenmoral, sie appellieren sehr geschickt ans Wir-Gefühl. Nicht zuletzt zeigen die Kampagnen der Konservativen, dass sie mehr von moralischer Psychologie verstehen. Sie zielen aufs Bauchgefühl, dahin, wo moralische Entscheidungen getroffen werden.

Konservative Kampagnen, gerade zur Einwanderung, sind oft darauf ausgerichtet, Ängste zu schüren.
Das höre ich oft, aber diese Sichtweise greift zu kurz. Die Linken betonen in ihren Argumenten meistens die Vernunft. Aber wir treffen unsere moralischen Entscheidungen nicht rational sondern unbewusst und unmittelbar. Die Vernunft setzt erst in einem zweiten Schritt ein, ihre Aufgabe ist es, die unmittelbar getroffenen Entscheidungen zu rechtfertigen und zu begründen. Die Vernunft ist so etwas wie der Pressesprecher der tief in uns verborgenen Neigungen. Konservative setzen in ihren Kampagnen nicht auf Vernunft, sondern sie appellieren an Werte: dazu gehören Tradition, Familie, Patriotismus, auch Fairness. Sie meinen damit allerdings nicht, dass alle gleich behandelt werden müssen und jeder unbegrenzt Anspruch auf Fürsorge hat. Fairness hat für Konservative mit Verhältnismässigkeit zu tun. Jeder soll das bekommen, was ihm nach seiner Leistung zusteht.

Weshalb fällt es der Linken schwer, das Bedürfnis nach Tradition und Patriotismus anzusprechen?
Bis in die 70er-Jahre waren die Linken gewerkschaftlich organisiert und vertraten ein breiteres Wertspektrum: Tradition, Loyalität, Autorität und Religion spielten eine viel grössere Rolle. Das änderte sich, religiöse Menschen, die Wert auf die Ehe legten, begannen sich mit den Republikanern zu identifizieren. Säkulare und Unverheiratete gingen zu den Demokraten. In den 80ern und 90ern begann der Aufstieg der Republikaner, der eigentlich schwer erklärbar war. In Umfragen gab nämlich eine Mehrheit der Amerikaner an, dass sie in den Bereichen Steuern, Immigration und Abtreibung linksliberale Positionen unterstützten. Trotzdem wählten sie die Republikaner – weil diese die amerikanische Psychologie und Moral einfach besser verstanden.

Auch in Europa hat sich die ­politische Landschaft stark ­polarisiert. Dabei wäre es doch sehr wünschenswert, dass Linke und Konservative an einen Tisch sitzen. Warum ist das so schwierig?
Weil es hier nicht nur um einen Konflikt zwischen materiellen Interessen geht, sondern um unterschiedliche moralische Werte. Und weil Moral viel mit Emotion und Intuition zu tun hat, spielen da auch Sympathie und Antipathie eine grosse Rolle.

Für die Linken kommt erschwerend hinzu, dass sie dazu tendieren, sich in Gruppen aufzusplittern, die sich dann gegenseitig bekämpfen.
Das ist ein Teil ihrer Psychologie. Der amerikanische Poet Robert Frost brachte es so auf den Punkt: Ein Linker ist so tolerant, dass er sich in einer Diskussion sogar weigert, seinen eigenen Standpunkt einzunehmen. Das ist ein Klischee, aber es trifft zu. Ich glaube das hängt damit zusammen, dass die Linke das moralische Fundament von Loyalität weit weniger hoch bewerten als die Konservativen. (DerBund.ch/Newsnet)

Erstellt: 05.04.2014, 08:38 Uhr


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