Kommunikation als "erotischer Akt"

Die Presse: Sie sind kommende Woche Keynote-Speaker beim DMVÖ-Marketing-Kongress, der unter dem Motto steht: „Die Schlacht um den Kunden“. Spielt sich denn ein Krieg um Kunden ab?

Alfred Koblinger: Die Sprache in unserer Branche ist tatsächlich kriegerisch: Das Wort „Slogan“ wurde von den schottischen Clans als Schlachtruf verwendet, wenn sie auszogen, um den Clanmitgliedern des Nachbardorfes den Schädel einzuschlagen. Und auf eine „Zielgruppe“ legt man an, um zu schießen. Dabei geht es im Marketing darum, eine Beziehung zwischen Marke und Kunden aufzubauen – das funktioniert wie bei einer menschlichen Beziehung: Ich will das Objekt meiner Begierde kennenlernen, ihm nahekommen, es vielleicht fürs ganze Leben haben. Dafür muss ich immer etwas tun – selbst wenn ich einmal verheiratet bin, reicht es nicht, meiner Frau zum Hochzeitstag Rosen zu schenken. Kommunikation ist für mich kein kriegerischer, sondern ein erotischer Akt. Werbung, aber auch Umwerbung.

Trotzdem findet eine Werbeschlacht statt: Man hört ständig „besser“, „schneller“, „billiger“.

Es gibt von allem zu viel, die Produkte sind austauschbar geworden, die meisten Bedürfnisse erfüllt. Einer senkt den Preis, und damit beginnt die Schlacht. Dann kommt es darauf an, dem Kunden die Qualität einer Marke zu vermitteln, damit er auch bereit ist, mehr zu bezahlen. Denn wo die Geiz-ist-Geil-Mentalität hinführt, hat man ja gesehen: zu einer Verrohung der Sitten.

Wie inszeniert man dann am besten eine Marke?

Was eine Marke macht und wie, das ist kaum mehr differenzierend. Es geht vor allem um das Warum. Warum soll ich diese Marke kaufen? Welchen Anspruch hat sie? Nehmen wir Nike: Die bewerben nicht das beste Sportequipment der Welt, sondern bestärken mich: Just do it! Du bist der Held, wir helfen dir nur dabei. Das schaffen aber nur wenige Unternehmen. Die meisten nehmen sich viel zu ernst und erklären mir, wie gut sie sind. Ich bin der Größte, ich bin der Schnellste. Aber die Menschen blenden diese Art von Werbung brutal aus: Unser Gehirn ist ja unser faulstes Organ – es wird nur aktiv, wenn Belohnungen versprochen werden. Beispiel Red Bull: Es verleiht Flügel – sprich: Du wirst besser.

Sie befassen sich aber nicht nur mit Gehirnforschung – auch mit Psychologie.

Ja, wir erzählen archetypische Geschichten. Die sind uns ja allen eingebrannt – von Kindheit an. Von Schneewittchen bis Aschenputtel – Märchen, Sagen, auch erfolgreiche Filme oder Bücher wie „Harry Potter“ machen diese Archetypen in uns lebendig. Die Geschichten in der Werbung funktionieren dann besonders, wenn ihnen so eine archetypische Geschichte zugrunde liegt und wenn es diesen Belohnungsreiz gibt, der all diesen Geschichten innewohnt.

Wie hat das Internet die Werbung verändert?

Früher haben wir stellvertretend für eine Marke mit dem Konsumenten gesprochen: Das ist gut, kauf es. Das funktionierte one-way. Dann ist ein Dialog mit dem Kunden entstanden – über Mailings, Telefonmarketing. In einer digitalen Welt wird massenmediale Werbung kritisch hinterfragt. Viel wichtiger für eine Kaufentscheidung ist, was Freunde und Bekannte sagen. Sich in diese Gespräche einzuklinken – über Onlinemedien, über Facebook etc. – und Empfehlungen zu stimulieren, ist eine große Herausforderung heute.

Werden wir in Zukunft mit persönlicher Werbung überschwemmt? Was passiert mit den Daten?

Big Data ist in aller Munde. Kunden hinterlassen Unmengen von Daten im Netz, mit denen wir sie dann individuell targeten können – da sind wir wieder bei der Kriegssprache. Aber die Frage ist: Wann wird es dem Konsumenten zu viel? Wenn Sie heute eine Pflanzenfibel bei Amazon kaufen, kriegen sie die nächsten dreißig Jahre wöchentlich Gartenbücher und -geräte vorgeschlagen – haben aber unter Umständen gar keinen Garten. Stellen Sie sich das gleiche Szenario am Handy vor. Die wesentlich bessere Alternative: Marken schaffen Content, der für ihre Kunden von Nutzen ist und über den sie reden – da kann ich subkutan meine Markenbotschaften dazuliefern.

Content im Internet wird auch manipuliert – z. B. durch gekaufte Likes oder Empfehlungen.

Überall, wo Schweinereien möglich sind, werden sie auch begangen. Aber wir sehen, dass auf Facebook die Likes wieder abnehmen, auch die Fälle, in denen Konsumenten mit einer Marke kommunizieren, indem sie z.B. für den neuen Burger voten. Es wird einfach zu viel. Und wenn die Jungen sagen, in Zukunft wird alles digital sein, sage ich: Okay, aber wir brauchen auch Massenmedien, über die wir Markenmagie aufbauen können.

Der Kongress „Insight Arena“ des Dialog Marketing Verbands findet am 11.September in der Burg Perchtoldsdorf statt. Unter den Vortragenden sind neben Alfred Koblinger, CEO der Werbeagentur PKPBBDO in Wien, auch sein Kollege Alvaro Cabrera von der Agentur OgilvyOne New York und der Schweizer Dialog-Marketer René Eugstair (Agentur am Flughafen in Altenrhein).
www.dmvoe.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2013)

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