Besonders belastende Erlebnisse in der Kindheit knnen erhebliche Folgen auf die Gesundheit und Lebensumstnde noch im Erwachsenenalter haben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des franzsischen Nationalen Instituts fr Gesundheit und medizinische Forschung INSERM (Institut national de la sant et de la recherche mdicale), die in den "Proceedings" der US-nationalen Akademie der Wissenschaften ("PNAS") verffentlicht worden ist.
Schon frhere Untersuchungen haben gezeigt, dass verschiedenste - auch gerade psychosoziale - Belastungen in der Kindheit das Auftreten von Krankheiten und die Sterblichkeit im Erwachsenenalter erhhen knnen. Die neue Studie zeichnet sich nach Ansicht eines deutschen Experten jedoch durch ihre hohe Qualitt aus und belegt, dass frhe traumatische Erlebnisse "unter die Haut gehen" knnen.
Das Team um die Medizinerin Cristina Barboza Solis untersuchte den Zusammenhang zwischen negativen Kindheitserfahrungen (adverse childhood experiences, kurz: ACE) und der sogenannten allostatischen Last (AL). Unter AL werden die Folgen aller Belastungen beziehungsweise stressauslsenden Faktoren verstanden, die ein Mensch im Leben erfhrt und die sich etwa als chronischer Stress zeigen.
Ungesundes Verhalten
Die Wissenschaftler nutzten fr ihre Analyse die Daten der britischen "National Child Development Study", in der 7535 Menschen im Langzeitverlauf erfasst sind, die 1958 in Grossbritannien geboren wurden.
Sie konzentrierten sich auf jene Teilnehmer, die im Alter zwischen 7 und 16 Jahren mehr als zwei belastende Ereignisse im familiren Umfeld erlebten. Dazu gehren etwa vernachlssigte Kinder und solche, bei denen ein Elternteil Alkoholiker oder inhaftiert ist, aber auch Mdchen und Jungen, deren Eltern sich trennten oder bei denen ein Elternteil an einer seelischen Erkrankung litt.
Die biomedizinischen Daten dieser Gruppe ergaben im Alter von 44 Jahren eine hohe allostatische Last. Um herauszufinden, welche Faktoren diese Last herbeifhrten, untersuchten die Autoren das Gesundheitsverhalten der Studienteilnehmenden, ihren Body Mass Index (BMI) und ihren soziokonomischen Status mit 23 und 33 Jahren.
Das Ergebnis: Bei Mnnern hingen 59 Prozent der erhhten allostatischen Last mit ungesundem Verhalten, einem geringen Bildungsgrad und einem niedrigen materiellen Status zusammen. Bei Frauen waren 76 Prozent der erhhten allostatischen Last mit Rauchen, bergewicht, einem geringen Bildungsgrad und geringem Einkommen assoziiert.
Physiologische Abnutzung
Die Forschenden schliessen daraus, dass schwerwiegende negative psychosoziale Kindheitserfahrungen die Gesundheit wahrscheinlich langfristig auf verschiedenen Wegen beeintrchtigen. Dazu heisst es in der Studie: "Gruppen, die negative Kindheitserfahrungen erlebten, knnen die Kosten dafr ihr ganzes Leben tragen, was sich in ihrer physiologischen Abnutzung im Erwachsenenalter zeigt."
Fr Harald Gndel, den rztlichen Direktor der Klinik fr Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universittsklinikum Ulm, ist die Studie wissenschaftlich und methodisch ein grosser Schritt nach vorn. In der Kindheit "werden viele biologische Regelkreise und Prozesse geprgt, die Folgen fr die lebenslange Gesundheit haben", so Gndel.
Frhere Studien htten in die selbe Richtung gedeutet, allerdings nicht mit dieser Qualitt. "Die Untersuchungen auf verschiedenen Ebenen zeigten, dass frhe traumatische Erlebnisse im wahrsten Sinne des Wortes 'unter die Haut gehen' und biologische Folgen haben, wenn auch mit zeitlicher Verzgerung", erklrte Gndel. (sda/dpa)