Kindheitstrauma steigert Risiko für spätere Krankheiten

Interview: Gisela Gross, dpa

Berlin (dpa) - Opfer von Kindesmisshandlungen haben Forschern zufolge ein erhöhtes Risiko für körperliche Erkrankungen.

Woran das liegt und was es noch zu erforschen gilt, erläutert die Psychologie-Professorin Christine Heim von der Berliner Charité. Die Klinik richtet eine Tagung zu dem Thema aus, die am Donnerstag begonnen hat.

Was weiß man bislang darüber, wie sich Gewalt und Vernachlässigung auf die Gesundheit der Opfer auswirken? 

Christine Heim: Eine ganze Menge. In den USA und Europa ist vielfach gezeigt worden, dass Traumata und andere starke Stresserfahrungen in der Kindheit Risikofaktoren sind für eine Reihe von Erkrankungen im späteren Leben. Das wurde vor allem für Depressionen, Angststörungen und Abhängigkeiten erforscht. Aber man hat erkannt, dass es auch ein Risikofaktor ist für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall, Diabetes, Immunerkrankungen und Krebs.

Woran liegt das? Was bewirken Gewalterfahrungen im Körper?

Christine Heim: Es scheint sich im Organismus, im Gehirn, im Immunsystem durch das Kindheitstrauma etwas zu verstellen, das anfälliger macht für bestimmte Erkrankungen. Unser Gehirn verarbeitet ja den Stress und wird massiv durch Erfahrungen geformt. Die Genetik gibt den Bauplan vor, aber was ausgebildet wird an Schaltkreisen hängt von Erfahrungen ab.

Emotionale Erfahrungen und Stress früh in der Entwicklung eines Kindes können zum Beispiel genau diese Schaltkreise programmieren, die an der Anpassung an Stress beteiligt sind. Wenn die negativ beeinflusst werden, kann das gut erklären, warum Betroffene später anfälliger sind.

In welchem Alter zeigen sich Folgen der Kindheitserfahrungen?

Christine Heim: Frühe Stress- oder Traumaerfahrungen verändern den Schwellenpunkt im Gehirn und im Körper für weitere Stressreaktionen: Die Personen werden später selbst bei geringerer Belastung eher depressiv, zum Beispiel. Nach der Pubertät und im Erwachsenenalter kommen weitere Faktoren hinzu, so dass Krankheiten ausgelöst werden.

Es gibt nur wenige Studien mit traumatisierten Kindern, die über die Zeit hinweg begleitet werden. Dabei wurden größtenteils keine biologischen Marker gemessen. Einige Kinder bleiben ja auch trotz eines Traumas gesund. Wenn wir die Ursachen besser verstehen würden, könnten wir neue Maßnahmen ableiten, um die Anpassungen zu reparieren, bevor die Krankheit auftritt. Denkbar sind medikamentöse Ansätze und Verhaltenstherapien. Da muss die Forschung hin.

Zur Person: Professorin Christine Heim ist Direktorin des Instituts für Medizinische Psychologie an der Berliner Charité. Sie forscht unter anderem zu den Folgen früher Stressreaktionen.

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