Kaufrausch: Wenn die Duftwolke glücklich macht

Spaß am Geldausgeben – Der Wuppertaler Professor Wolfram Boucsein klärt auf, warum wir Glück empfinden, wenn sich die Einkaufstaschen füllen und warum das gefährlich sein kann.

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privat

Professor Wolfram Boucsein hat sich 2008 mit einer Firma für Neuromarketing in Wuppertal selbstständig gemacht.

Herr Boucsein, Sie waren 28 Jahre lang Lehrstuhlinhaber für Physiologische Psychologie an der Uni Wuppertal und sind Experte für das Einkaufsverhalten von Kunden: Was läuft im Körper ab, wenn wir in ein Geschäft gehen?

Wolfram Boucsein: Es werden Hormone wie Serotonin, Dopamin und Endorphine im Gehirn frei gesetzt. Die bewirken, dass man sich glücklich fühlt. Der Körper zeigt dann Signale wie Schwitzen, beschleunigter Herzschlag und Muskelreaktionen im Gesicht.

Warum macht Einkaufen überhaupt glücklich? Was ist der Auslöser dafür, dass diese Hormone ausgeschüttet werden?

Boucsein: Das ist ähnlich wie beim Pawlowschen Hund. Der Kunde geht mit einer gewissen Erwartungshaltung in ein Geschäft – nämlich, dass sein Verhalten belohnt wird. Die positive Erwartung, etwas kaufen zu können, löst das Glück aus.

Wann fühlen wir uns glücklich? Schon beim Betreten des Geschäftes oder erst beim Kauf?

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Wolfram Boucsein (67) ist seit 37 Jahren Universitätsprofessor für Psychologie, 28 Jahre davon an der Uni Wuppertal. 2009 wurde er emeritiert und machte sich mit der Neuromarketing-Firma „Psyrecon“ an der Alten Freiheit 1 selbstständig. Die Mitarbeiter testen, wie sich Produkte auf Kunden auswirken.

Das Ziel ist es, bislang unsichtbare und nicht nachvollziehbare Zustände und Prozesse, welche die Entscheidung eines potenziellen Käufers für oder gegen ein Produkt steuern, zu erforschen.

Boucsein: Das ist unterschiedlich. Mancher ist schon glücklich, wenn er weiß, er könnte das Kleid kaufen, bei anderen setzt das Gefühl erst ein, wenn sie das Kleid auf einer Party zum ersten Mal tragen können.

Kann man dieses Glücksgefühl beim Einkaufen messen?

Boucsein: Ja. Allerdings ist es schon schwer, diesen Vorgang in einer Laboratmosphäre nachzubilden. Ein Kernspintomograph rattert laut und Fotos von Produkten können die Kaufsituation nicht wirklich ersetzen. Deshalb ist es am besten, der Versuchsperson Elektroden am Körper zu befestigen und sie bei ihrem Einkauf direkt zu begleiten. So können dann beispielsweise feuchte Hände oder ein beschleunigter Herzschlag vor Ort erfasst werden.

Können die Hormone der Kunden bewusst ausgelöst oder unterstützt werden?

Boucsein: Düfte, Musik, die Gestaltung der Regale – es gibt zahlreiche Möglichkeiten, damit sich der Kunde wohl fühlt und zum Kauf animiert wird.

Gibt es einen bestimmten Duft, der glücklich macht?

Boucsein: Die beste Wirkung zeigen Düfte, die gar nicht genau definiert werden können. Der Kunde betritt ein Geschäft und ihm kommt keine Duftwolke entgegen, sondern es riecht einfach unterschwellig angenehm. Die Dekoration bewirkt auch sehr viel bei der Kaufstimmung. Ein Wühltisch im Eingangsbereich verbreitet keine gemütliche Atmosphäre. Schönes Design ist wichtig.

Sind diese Glücksgefühle auch ein Grund, warum Einkaufen zur Sucht werden kann? Will man einfach mehr vom schnellen Glück?

Boucsein: Genauso ist es. Wie bei anderen Süchten auch, kann das Bedürfnis nach diesen Hormonen so groß werden, dass der Betroffene die Relation verliert. Er gibt mehr Geld aus als er hat, um sich glücklich zu fühlen.

Setzt beim Einkaufen demnach manchmal unser rationales Denkvermögen aus?

Boucsein: Glück ist eben etwas Irrationales. Da kann der Verstand schon mal in den Hintergrund rücken. Wer kennt das nicht? Man kommt nach Hause und fragt sich: Warum habe ich das jetzt gekauft?



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