Kanzlerdämmerung: Mutti hat uns verlassen!

Von Psychologie aktuell Politikexperte Maximilian von Thalen.

Man kann sich dieser Tage des Eindrucks nicht erwehren, dass die Bundeskanzlerin ihren politischen Instinkt irgendwo im Sommerurlaub verloren hat - und alles begann mit einem kollabierten Stuhl. Frau Merkel (CDU) war, wie jedes Jahr, mit ihrem Gatten Professor Joachim Sauer nach Bayreuth zu den Wagner Festspielen gereist. In der Pause von Tristan und Isolde dann der Kollaps.

Ein Sitzmöbel und ein Bayer als Menetekel?

Zeitungen hatten zunächst berichtet, Merkel sei in Ohnmacht gefallen. Auf dem Empfang nach der Premiere hieß es dann, der Grund für Frau Dr. Merkels Abgleiten unter einen Kaffeetisch sei ein kaputter Stuhl gewesen sein.

Demnach sei sofort ein neuer Stuhl besorgt worden und die Kanzlerin habe die Oper weiter genossen. Am selben Abend machte jedoch ein anderer wirklich schlapp: Bayerns Staatschef Horst Seehofer (CSU) ließ sich entschuldigen und begab sich wegen Unwohlseins in eine Klinik.

Wo ist Merkels legendäre Fortune und Weitsicht?

Seitdem läuft es für die Kanzlerin im Grunde nur noch schrecklich. Ausgerechnet jene Frau, der man nachsagte mit der naturwissenschaftlichen Präzision einer Physikerin zu regieren, die alles vom Ende her denkt - ausgerechnet sie agiert seit ihrer Rückkehr nach Berlin scheinbar unabgestimmt, chaotisch und ohne sichere Instinkte.

Mit einem Telefonat hat sie die Flüchtlingswelle nach Europa ohne interne Rücksprache beschleunigt. Ihre Parteifreunde, Horst Seehofer vorneweg, schlagen die Hände über dem Kopf zusammen und geißeln Merkels Politik als "Fehler". Die Kanzlerin hat darauf nur die Antwort, dass sie alles wieder so machen würde.

Vizekanzler Gabriel (SPD) schimpft derweil an einem Tag gegen sächsische Demonstranten ("Pack"), am nächsten Tag überholt er mit einer Das-Boot-ist-voll-Rhetorik auch noch die CSU scharf von rechts.

Trotzig, uneinsichtig und frei flottierend?

Als wäre das alles noch nicht genug, drohte die Bundeskanzlerin auch noch dem eigenen Volk, ihm das Vertrauen zu entziehen ("...dann ist das nicht mehr mein Land). Diese Variante eines Misstrauensantrags hatte es bis dato in der Geschichte der Demokratie auch noch nicht gegeben.

Merkel wirkt seitdem trotziger je größer die Kritik an ihr wird. Besorgten Bürgern riet sie als Lösung des Flüchtlingsproblems allen Ernstes zu häufigeren Besuchen des Gottesdienstes.

Die Umfragen der Kanzlerin beginnen, keineswegs überraschend, zu sinken und keines der seit Wochen eskalierenden Probleme ist auch nur ansatzweise gelöst.

Völlig unbeeindruckt?

Unbeeindruckt vom heimatlichen Chaos entschied die Bundeskanzlerin nun, dem Deutschlandfunk ein längliches Interview zu geben, in dem sie erklärte, warum sie alles richtig macht. "Ich würde diese Entscheidung (Anm. des Autors: die 'Einladung' aller syrischen Flüchtlinge) genauso treffen, das ist ja das, was jetzt zählt", plauderte Merkel munter in das Mikrofon.

Zuvor hatte sie noch dem CDU-Präsidium beschieden, man solle sich nicht so anstellen. "Ist mir egal, ob ich schuld am Zustrom der Flüchtlinge bin. Nun sind sie halt da", sollen ihre Worte gewesen sein.

Selbst das Regierungsflugzeug streikte!

Mitten in diesem Chaos geschah nun am Wochenende das Folgende: Die Bundeskanzlerin bestieg einen Airbus A310 Truppentransporter der Bundeswehr und flog nach Indien. Der eigentliche Regierungsflieger hatte eine Panne, man könnte fast ein weiteres Menetekel erahnen - doch zurück zu den Fakten.

Frau Dr. Merkel setzte sich also in ein Flugzeug nach Neu-Delhi, um dort einige Tage Regierungskonsultationen abzuhalten. In Indien. Einige Tage. Mitten in einer schweren Krise.

Ihr größter Fehler und der Anfang vom Ende!

Es kann gut sein, dass in den Geschichtsbüchern eines Tages dieser Flug nach Indien als Beginn des Endes von Angela Merkels Kanzlerschaft genannt werden wird - als symbolischer Auslöser einer Reihe von Ereignissen, die in ihrem Rücktritt oder ihrer Abwahl enden.

Hatte Merkel seit dem Sommer schon ihren Nimbus als ebenso hochintelligente wie unfehlbare Physikerin der Macht selbst in Stücke geschlagen und das Bild einer trotzigen Besserwisserin abgegeben - so hat sie jetzt eine psychologische "Todsünde" begangen: "Mutti lässt das fiebernde Kind allein". "Mutti lässt uns im Stich". "Mutti ist weggegangen". "Mutti hat uns nicht mehr lieb".

Das ist der Stoff, aus dem ganze Psychotherapien bestehen und die Kanzlerin hat es nicht verstanden.

Was ist da nur los?

Der professionelle Beobachter staunt angesichts einer derartigen Dichte an Entscheidungen, denen der richtige Instinkt definitiv nicht zugrunde liegt. Dabei hatte die Kanzlerin nach ihren Erfahrungen bei der Bundestagswahl 2005, die fast verloren ging, gelernt virtuos mit symbolischen Bildern zu spielen.

Sie bediente seitdem die Sehnsüchte der deutschen Wählerschaft als ausgleichende, pragmatische Technikerin des Regierens. Die Mutti der Nation, die 2009 im Rheingold-Express zum Wahlsieg fuhr. Die Hüterin unseres ruhigen Nachtschlafs, deren Wort ausreichte, um unsere Einlagen bei den Banken zu sichern. Ausgerechnet diese Frau bricht im zehnten Jahr ihrer Kanzlerschaft erst ein komplettes Chaos vom Zaun und verabschiedet sich dann mal eben nach Indien.

Erinnerungen an Margaret Thatcher!

Es kommen einem dabei unweigerlich Erinnerungen an die legendäre britische Premierministerin Margaret Thatcher in den Sinn. Diese war Ende 1990, auch schon etwas losgelöst vom Boden der Tatsachen, nach Paris gereist, während daheim ihre Partei in Aufruhr war. Als sie nach London zurückkehrte, war die Sache gelaufen und die Vorbereitung ihrer Entmachtung bereits in vollem Gange. Es blieb ihr folglich nichts anderes übrig, als "freiwillig" zurückzutreten.

Die Kanzlerin hätte C.G. Jung lesen sollen!

Es spricht manches Detail dafür, dass es Frau Dr. Merkel in gar nicht so ferner Zukunft ähnlich ergehen könnte. Denn eine Verstoßung durch die Mutter verzeiht man nicht. Weder als Individuum noch als Kollektiv. Die Kanzlerin hätte sich mit C.G. Jung und seinen Archetypen vertraut machen sollen. Jetzt ist es zu spät.

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