Ist Tinnitus gar kein Ohrenleiden?

Von Psychologie aktuell Redakteur Helge Huffstodt Elleser.

Eine App auf Rezept statt Infusionen und Kortisontherapie? Die Techniker Krankenkasse (TK) geht erstaunliche neue Wege. Mitglieder dieser Kasse können künftig auf Rezept den Zugang zu einer App gegen Tinnitus erhalten.

Wie das Hamburger Abendblatt berichtet, übernimmt die TK die monatlichen Kosten von saftigen 19,90 Euro für eine vom Hamburger Start-up Unternehmen Sonormed entwickelte Anwendung gegen das Piepen im Ohr.

Was soll man davon halten?

"Tinnitracks ist tatsächlich eine App auf Rezept, sie wird vom Arzt verordnet", sagte TK-Vorstandschef Jens Baas dem Abendblatt. Die App namens "Tinnitracks" sei eine Filtersoftware, mit der Tinnitus-Patienten ihre Lieblingsmusik so aufbereiten können, dass sie zur neuroakustischen Tinnitus-Therapie eingesetzt werden könne.

Dabei stelle der Arzt oder Akustiker zunächst fest, auf welcher Frequenz der Tinnitus eines Patienten liege. Exakt diese Frequenz filtere die App dann aus der Musik des Patienten heraus.

Höre der Patient die so aufbereitete Version seiner Lieblingsmusik, solle dabei der so genannte auditorische Kortex im Gehirn stimuliert werden. Dadurch soll die dem Symptom zugrunde liegende Überaktivität des Gehirns gelindert und die Lautstärke des Tinnitus somit verringert werden.

Aus einem Grund spannend!

Was in der Produktbeschreibung dieser Tinnitus-App so unauffällig in einem Halbsatz daherkommt, hat es faustdick im Gepäck! Denn erstmals wird quasi "hochamtlich" von einer Kasse festgestellt, dass Tinnitus zu wesentlichen Teilen eine Folge von Störungen im Gehirn ist. Die herkömmlichen Behandlungen richten sich stattdessen gegen vermeintliche Durchblutungsstörungen im Ohr!

Ein Paradigmenwechsel?

Unabhängig von der Frage, was die konkrete App zu leisten in der Lage ist, erleben wir hier als Beobachter und Patienten etwas Spannendes: neues Erkenntnisse bahnen sich, Jahre nachdem sie erforscht worden sind, langsam ihren Weg in die Arztpraxen.

Tinnitusexperten wissen nämlich schon seit vielen Jahren, dass die meisten Fälle des Leidens keineswegs etwas mit Durchblutungsstörungen im Ohr zu tun haben. Tatsächlich dürften Durchblutungsstörungen des Ohres sogar eher einer der selteneren Gründe sein.

Doch der Weg von der Erkenntnis zur praktischen Umsetzung ist lang, in der Medizin dauert er oft viele Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte. Das ist das eigentlich Spannende an der Nachricht über diese Tinnitus-App.

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