Inflationsdifferenz, Zinsdifferenz oder doch Psychologie?

(PresseBox) (St. Gallen, 11.04.2014)

Die meisten Analysten erwarten einen stärkeren US‐Dollar im Verlauf des Jahres. Argumentiert wird meistens, dass die Zinsen in den USA schneller und stärker ansteigen werden als in Europa. Wenn man jedoch die historische Entwicklung des US‐Dollars betrachtet, ist kein signifikanter Einfluss der Zinsdifferenz zu erkennen.

Es gibt verschiedene Erklärungsmodelle für Wechselkursveränderungen, angefangen von der klassischen Kaufkraftparität bis zu den Carry‐Trade‐Modellen. Das Lager derjenigen, die eine Prognose von Wechselkursen als unmöglich betrachten, berufen sich auf den "Random Walk", also auf zufällige Preisbewegungen. Diese Erklärungsversuche gehen alle von rein rationalen Investoren aus und blenden die Psychologie und das Herdenverhalten aus, was ein Fehler ist.

Kaufkraftparität spricht gegen den Dollar

Die Kaufkraftparität besagt, dass unterschiedliche Inflationsraten zweier Länder über die Veränderung des Wechselkurses ihrer Währungen ausgeglichen werden. Das heisst, dass die Währung des Landes mit der höheren Geldentwertung sinken muss, damit die Kaufkraft der Bewohner beider Länder gleich bleibt. Die Inflationsrate in den USA ist höher als in der Eurozone, sowohl was die aktuelle Inflation als auch die von den Finanzmärkten über die nächsten fünf Jahre erwartete Inflation betrifft. Der Unterschied beträgt zwischen 0.6% und 0.8%. Entsprechend müsste der Dollar gegenüber dem Euro weiter an Wert verlieren.

Zinsdifferenz spricht für den Dollar

Die Zinssätze von US‐Dollar‐Swaps sind höher als diejenigen von Zinsswaps in Euro. Der Unterschied beträgt je nach Laufzeit zwischen 0.5% und 1.0%. Wenn die Annahme stimmt, dass die Fed ihre Zinsen ab dem nächsten Jahr früher und schneller anheben wird als die Europäische Zentralbank, wird sich diese Differenz zusätzlich vergrössern. Es wird also noch attraktiver, sich in Euro zu verschulden und dann das Geld in umgetauschten Dollars anzulegen. Entsprechend steigt die Nachfrage nach Dollars und dessen Kurs wird steigen.

Politik der Fed beeinflusst die Psychologie

Was nun? Beide Ansätze vergessen den Einfluss der Psychologie und der Erwartungen auf das Verhalten der Anleger. Momentan erwarten viele Investoren, dass sich die Eurozone rasch erholt. Deshalb kaufen sie europäische Wertpapiere oder spekulieren auf einen Anstieg des Euro. Beispielsweise ist der Anteil an spekulativen Long‐Positionen im Euro/US‐Dollar Future an der Chicago Mercantile Exchange (CME) angestiegen. Die Spekulationen um mögliche Zinserhöhungen der Fed werden ab dem Herbst die Erwartungen der Investoren in die andere Richtung verändern. Sie werden sich vermehrt amerikanischen Wertpapieren zuwenden und ihre Long‐Positionen im Euro an der Futures‐Börse auflösen, was dannzumal dem Dollar Auftrieb verleihen wird.

Die Dollar‐Anleger brauchen noch etwas Geduld

An den Märkten werden mögliche Zinserhöhungen in den USA früher ihre Schatten vorauswerfen als in Europa und die Anleger beeinflussen. Da dies jedoch erst im Herbst ernsthaft der Fall sein wird, erwarten wir für die nächsten Monate noch eine Seitwärtsbewegung.

Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Thomas Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 30 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von CHF 4,4 Milliarden. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.

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Über die St.Galler Kantonalbank AG

Die St.Galler Kantonalbank wurde 1868 gegründet und ist seit 2001 an der Börse SIX Swiss Exchange kotiert. Der Kanton St. Gallen hält als Mehrheitsaktionär 54.8% des Aktienkapitals. Als Universalbank bietet sie den Kunden in ihrem Heimmarkt die gesamte Palette von Finanzdienstleistungen an. In Zürich ist sie mit einer auf Vermögensverwaltung spezialisierten Niederlassung präsent. Mit ihrer umfassenden Dienstleistungspalette betreut sie Privatkunden in der Deutschschweiz in allen Fragen der privaten Vermögensplanung und Vermögensverwaltung. Am 31. Dezember 2013 beschäftigte die St.Galler Kantonalbank Gruppe insgesamt 1306 Mitarbeitende und verwaltete Kundenvermögen von CHF 36.1 Milliarden. Das Stammhaus besitzt Staatsgarantie und das Aa1‐Rating von Moody's

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