IMD2: Eine Frage der Psychologie – procontra

Es braut sich wieder etwas zusammen in der „europäischen Hauptstadt“. Über zwei Drittel der Versicherungskunden in Europa schließen ihre Verträge laut einer EU-Studie ohne angemessene Beratung ab. Zeit also für die obersten europäischen Verbraucherschützer, der IMD1 (Insurance Mediation Directive, zu Deutsch: Versicherungsvermittlungs-Richtlinie) von 2002 ein Update zu verpassen. Laut aktuellem Vorschlag soll die IMD2 nicht nur für Versicherungsvermittler gelten, sondern sämtliche Vertriebskanäle einbeziehen, also beispielsweise auch Direktversicherer. Die Ziele: mehr Transparenz, Vermeidung und Aufdeckung von Interessenkonflikten, höhere Beratungsqualität.

Im Einzelnen sehen die Pläne vor, dass ab 2014 beim Vertrieb von Lebensversicherungen ungefragt die Provision ausgewiesen werden muss. Für die anderen Versicherungsarten gilt eine fünfjährige Übergangszeit, dann kommt auch hier die Provisionstransparenz. Zudem sollen Vermittler ihren Bindungsstatus dem Kunden gegenüber offenlegen. Ein gänzliches Provisionsverbot soll für unabhängige Berater beim Verkauf fonds- und indexgebundener Lebensversicherungen gelten – unklar ist allerdings noch, welche Versicherungsformen genau unter die neu eingeführte Kategorie PRIP (Packaged Retail Investment Product) fallen.

Verbraucherschützer erfreut, Branche kritisch

Das Echo auf die Vorschläge fällt wie immer geteilt aus. Der europäische Thinktank MEDI begrüßt sie als „entscheidende Verbesserung der Rechtstellung des Verbrauchers“. Nachbesserungsbedarf sehen hingegen die Repräsentanten der Vermittler und Versicherungen. „Dass Versicherungsvermittler generell ihre Provisionen und damit ihre Vergütungen offenlegen müssen, ist zunächst nicht zu verstehen. Warum wird diese Pflicht nur in der Versicherungswirtschaft und nicht auch im Autohandel oder bei Möbelhändlern diskutiert?“, bringt Dr. Hartmut Nickel-Waninger, Vertriebsvorstand der Gothaer, den verbreiteten Einwand der Ungleichbehandlung auf den Punkt.

Nicht geregelt sei auch, was genau offengelegt werden müsse, ob also ein angestellter Berater seinen Anteil oder die Gesamtvergütung seines Unternehmens/seiner Bank nennen müsse. „Je nach Ausgestaltung kann dies zu erheblichen Verzerrungen in der Wahrnehmung bei den Verbrauchern führen, wenn es darum geht, das Preis-Leistungs-Verhältnis abzuschätzen“, so Dr. Nickel-Waninger weiter. Klar positioniert sich auch die HALLESCHE: „Wie bisher sollte es für die Lebensversicherung bei der Information über die einkalkulierten Abschluss- und Vertriebskosten verbleiben, gegebenenfalls auch die dadurch verursachte Renditeminderung“, kommentiert Vorstandsmitglied Frank Kettnaker.

Auch der VOTUM Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa konstatiert zwar „eine Vielzahl richtiger Regulierungsansätze“, fordert aber hinsichtlich der Provisionstransparenz „angemessene Justierungen“. „Wenn im Beratungsprozess nicht die Güte des Versicherungsprodukts, sondern die Höhe der Vergütung des Vermittlers in den Vordergrund gedrängt wird, ist damit dem Verbraucherschutz nicht gedient. Der ‚billigste‘ Vermittler liefert keineswegs die beste Absicherung und Beratung“, betont Geschäftsführer Martin Klein. Unisono mit anderen Branchenvertretern warnt er davor, dass Kunden zukünftig aus falsch verstandener Sparsamkeit auf Beratung verzichten könnten. Kritisch wird auch das partielle Provisionsverbot bewertet; der „Geiz ist geil“-Bürger, so die Befürchtung, sei kaum bereit, für eine unabhängige Beratung Geld zu zahlen, und verzichte häufig eher auf
Versicherungsschutz.

Von Seiten der EU-Kommission wird damit gekontert, dass der „große Umfang“ von Fehlberatungen bei Finanzprodukten eine Sonderbehandlung rechtfertige. „Nichts hält einen Vermittler oder ein Versicherungsunternehmen davon ab, transparenter zu sein“, fasst der Kommissionsbeamte Karel van Hulle den Ansatz der Reform zusammen. Das letzte Wort in dieser Sache ist jedoch noch nicht gesprochen. Fest steht nur: Vermittler werden in Zukunft ein Stück nackter vor ihren Kunden stehen. Denn, wie Frank Rottenbacher vom AfW Bundesverband Finanzdienstleitung erkannt hat: „Der Trend zur Provisionsoffenlegung ist allein schon deshalb unumkehrbar, da die Politik mit dieser Forderung beim Wähler nur gewinnen kann.“  

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