«Ich bin keine Männer-Trophäe»

Frau Roh, Sie haben Germanistik, Psychologie und Literaturwissenschaften studiert. Wie sind Sie 2007 auf die Idee gekommen, auch noch Modedesignerin zu werden?
Olga Roh: Als Kind habe ich sämtliche Vorhänge in unserem Haus zerschnitten – zum Missfallen meiner Mutter. Ich brauchte sie, um für meine Puppen schöne Kleider zu nähen. Meine Familie sagte mir jedoch eines Tages: ‹Wenn du Schneiderin werden willst, sei dir bewusst, dass du nicht ins Ausland reisen wirst. Du wirst ein Leben lang in irgendeinem Atelier in Moskau arbeiten.› Das war noch zu Zeiten der Sowjetunion. Diese Worte haben meinen Traum, die Welt zu sehen, zerstört. Ich habe mich deshalb dazu entschieden, Dolmetscherin zu werden, und begann mit 16 ein Fremdsprachen-Studium an der Universität in Moskau.



Olga Roh

Olga Roh stammt aus einer russischen Adelsfamilie und wuchs während der Sowjetzeit in Moskau auf. Mit 16 begann sie ein Studium der Fremdsprachen an der Universität in Moskau. Im Januar 1990 flüchtete sie in die Schweiz. Sie studierte Germanistik, Psychologie und Literaturwissenschaften an der Universität Bern. 2007 lancierte sie ihr Modelabel Rohmir. Der Name des Labels setzt sich aus Roh, dem Nachnamen ihres Mannes, und Mir, was auf Russisch Welt oder Friede bedeutet, zusammen. 2009 entwarf sie ihre erste Kollektion für Rohmir. Ihre Kleider werden in Luxusboutiquen in Monaco, Paris, London, Berlin, Hongkong, St. Moritz und Zürich verkauft. In Kürze wird die günstigere Zweitlinie Rohmiracle lanciert. Die Designerin ist mit dem Schweizer Vermögensverwalter Stephan Roh verheiratet und hat drei Kinder. Im Februar 2012 erscheint ihre CD, die von Uwe Fahrenkrog-Peterson, ehemals Keyboarder und Komponist von Nena, produziert wurde. Bis Ende Jahr ist die Lancierung des ersten Rohmir-Parfums vorgesehen.


Sie stammen aus einer russischen Adelsfamilie, die jedoch all ihre Besitztümer verloren hat ...
Ja, zur Sowjetzeit war man egalisiert. Jeglicher Besitz war nach der Revolution von 1917 beschlagnahmt worden. Das Gleiche Schicksal ereilte auch meine Familie. Ich bin zwar in einem Palast in Moskau aufgewachsen, aber de facto war es eine Kommunalwohnung, denn im Palast wohnten auch noch 43 andere Familien. Meine Familie und ich lebten in zwei Zimmern eines ehemaligen Tanzsaals meiner Urgrossmutter.

Wie sind Sie als junge Frau in die Schweiz gekommen?
Illegal – im Kofferraum eines Autos mit Schweizer Kennzeichen. Wie in einem Krimi. Im November 1989 fiel die Berliner Mauer. Im Januar 1990 gelang mir die Flucht aus der Sowjetunion.

Wer hat Sie in die Schweiz geschleust?
Eine Schweizer Familie, die mich von der DDR in die BRD und von dort aus in die Schweiz fuhr. Ich hatte grosses Glück. Ich habe nur gute Menschen auf meinem Weg getroffen. Die Familie hatte fünf Kinder und nahm mich als sechstes auf. Nach sechs Monaten der Illegalität durfte ich zum Rektor der Universität Bern gehen und er hat mir die einmalige Chance gegeben, mich bei der Fremdenpolizei anzumelden. Die Bedingung war jedoch, dass ich die Schweizer Maturaprüfung bestehe. Als eine der besten Studentinnen Moskaus musste ich also nochmals zu allen Prüfungen antreten. Danach habe ich an der Uni Bern Sprachwissenschaften, Literatur und Psychologie studiert.

Für Ihre neue Kollektion haben Sie Rankin verpflichtet, einen der bekanntesten und teuersten Modefotografen der Welt. Wie ist es Ihnen gelungen, als unbekanntes Modelabel einen Starfotografen wie Rankin zu überzeugen? War es nur eine Frage des Geldes?
Ich bin gut beraten worden. In London bin ich stark im Fashion-Business involviert. Rankins Frau Tuuli Shipster, Model und Bloggerin, trägt Kleider von Rohmir und konnte ihn davon überzeugen, mit mir zusammenzuarbeiten. Frauen können in dieser Welt so viel bewegen ... (lacht)

Im Februar erscheint Ihre erste CD mit dem Titel «Trophy Wife» (Trophäenfrau). Wird man als Millionärsgattin als Trophäenfrau verspottet?
Der Titel ist ironisch gemeint. Auch der Text enthält viel Ironie. Mein Mann und ich haben uns unser Vermögen hart erarbeitet. Ich bin keine Trophäe. Meine erste CD ist ein grosses internationales Projekt. Die CD enthält auch das Remake eines Songs, der vor 25 Jahren zum Welthit wurde. Mehr darf ich nicht verraten. Ich bin sehr glücklich darüber, auch als Sängerin arbeiten zu dürfen.

Für Ihre CD haben Sie mit dem erfolgreichen Musikproduzenten und Komponisten Uwe Fahrenkrog-Petersen zusammengearbeitet.
Unsere Zusammenarbeit ist ein rein freundschaftliches Projekt. Uwe hat nach einer Person gesucht, die in seine Welt passt. Ich bin schrill und habe eine spezielle Stimme. Natürlich kann man sie nicht mit derjenigen einer professionellen Opernsängerin vergleichen. Die meisten Songs wurden in Berlin-Mitte aufgenommen, in einem Studio, in dem schon Bon Jovi, Simply Red und Sarah Connor waren. Uwe Fahrenkrog-Petersen ist sehr professionell und war in den Achtzigerjahren mit der Band Nena sogar bekannter als Madonna.

Star-Designer Roberto Cavalli sagte mir kürzlich in einem Interview, er würde allen davon abraten, mit dem Ehepartner im gleichen Business zu arbeiten. Ihr Mann finanziert Ihr Business, Sie sind als Designerin die kreative Kraft.
Am Anfang stand der Glaube an ein gemeinsames Projekt. Mein Mann kennt mich sehr gut. Er weiss, dass ich einen starken Willen habe, topseriös arbeite und nicht auf halbem Wege stehen bleibe. Er hat mir nach Möglichkeit immer geholfen. Für ihn war aber auch von Anfang an klar, dass sich Rohmir zu einem lukrativen Geschäft entwickeln würde. In meiner Fabrik in Hongkong, die ich vor vier Jahren gekauft habe, bin ich jedoch mein eigener Chef. Die Fabrik zählt 120 Angestellte. Einst nähten sie Kleider für Donna Karan und Ralph Lauren, die ihre Produktion in der Zwischenzeit in billigere Länder wie China, Vietnam und Sri Lanka verlagert haben.

Ich gehe nicht davon aus, dass 120 Angestellte das ganze Jahr über nur Kleider von Rohmir nähen?
Nein. Ich habe zwar eine grosse Kollektion, doch die Fabrik nimmt auch Aufträge von anderen Kunden aus Italien und den USA an.

Am Anfang Ihres kurzen Shooting-Videos steht «von der Visionärin Olga Roh designt». Coco Chanel, Yves Saint Laurent und Alexander McQueen waren Visionäre. Was ist an Ihrer Mode so einzigartig, was die Welt bis heute noch nicht gesehen hat?
Das Video wurde während des Rankin-Shootings aufgenommen. Das Studio-Team war von der Wandelbarkeit meiner Kleider so begeistert, dass es mir das Video gewidmet hat. Ich habe es mit grossem Dank angenommen. Ich bin jedoch weit davon entfernt, eine Visionärin zu sein. Die Zeit wird zeigen, ob es sich gelohnt hat und ob ich visionär genug war.

Im Grossformat auf dem Videoportal

Olga Roh in der RTL-Sendung «Das Leben der Superreichen» (Video: YouTube, RTL)


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