Homophobie ist Angst vor sich selbst

Ein männliches Paar küsst sich auf der Regenbogenparade 2011

Dass Menschen, die besonders homophob sind, oft ihr eigenes Begehren unterdrücken, ist eine Binsenweisheit der Psychologie. Nicht ganz so einfach ist es, sie empirisch zu überprüfen. Genau das haben nun britische Forscher gemacht. Ihr Resultat: Angst vor Schwulen und Lesben ist oft Angst vor sich selbst.

Psychologie
10.04.2012

Homosexuellenfeindlichkeit drückt sich vor allem bei Personen aus, die eine unbewusste Anziehung zum eigenen Geschlecht haben und denen autoritäre Eltern derartige Wünsche verboten haben, berichtet ein Team um Netta Weinstein von der Universität Rochester.

Die Studie:

"Parental autonomy support and discrepancies between implicit and explicit sexual identities: Dynamics of self-acceptance and defense" von Netta Weinstein und Kollegen ist im "Journal of Personality and Social Psychology" erschienen.

"Wer sich selbst als 'sexuell normal' einschätzt, sich bei unseren psychologischen Tests aber als stark angezogen vom gleichen Geschlecht herausstellt, könnte sich durch Schwule und Lesben bedroht fühlen, weil sie ihn an die eigenen Tendenzen erinnern", sagt Weinstein. "Sehr oft führen diese Menschen Krieg mit sich selbst und wenden ihren inneren Konflikt nach außen", fügt Richard Ryan von der Universität Rochester hinzu.

Implizites und explizites Begehren

In einer Reihe von Experimenten mit durchschnittlich 160 College-Studenten haben die Forscher die alte psychoanalytische Theorie der Folgen unterdrückten Begehrens mit Empirie ausgestattet.

Dabei wurde zuerst die bewussten und unbewussten sexuellen Vorlieben der Probanden ermittelt, Fragen nach der Kindheit und dem pädagogischen Verhalten der Eltern gestellt und danach ihre bewussten Einstellungen gegenüber Homosexuellen überprüft.

Das Resultat: Jene Studienteilnehmer mit autoritären Eltern zeigten eine viel stärkere Diskrepanz zwischen ihrer impliziten und ihrer expliziten sexuellen Orientierung. Teilnehmer mit liberaleren Eltern waren eher "im Einklang" mit ihren eigenen Wünschen.

Vater entscheidend

"In homophoben und kontrollierenden Elternhäusern macht es Angst, sich zu einer sexuellen Minderheit zu bekennen", sagt Weinstein. "Die Kinder riskieren es, die Liebe ihrer Eltern zu verlieren, deshalb unterdrücken viele diesen Anteil ihrer Identität."

Genau diese Personen sind es aber, die später besonders homophobe Einstellungen entwickeln und danach auch handeln. Sie sind laut der aktuellen Studie eher gegen liberale Gesetze und befürworten eher die Bestrafung von Homosexuellen.

Einen besonders starken Einfluss auf die künftigen Ansichten spielt der Vater: Ist er deutlich schwulen- und lesbenfeindlich, wirkt der Mechanismus der unterdrückten Begierde bei den Kindern besonders stark. Mütter sind in dieser Hinsicht weniger prägend, berichten die Forscher.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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