Hitler – Eine Karriere – TV

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1973 veröffentlichte Joachim C. Fest (1926 - 2006) im Frankfurter Propyläen-Verlag die wahrscheinlich einflussreichste und meistverkaufte der vielen Hitler-Biographien, die seit 1945 erschienen sind. Fests große Stärke bestand in seinem psychologischen Einfühlungsvermögen und den eindringlichen Sprachbildern, die er fand und mit denen er eine große Leserschaft erreichte. Vier Jahre nach Erscheinen des Buches gestaltete Fest gemeinsam mit Christian Herrendoerfer den zweieinhalbstündigen Dokumentarfilm "Hitler – Eine Karriere" auf Grundlage seiner Biographie. Der Film wurde seinerzeit kontrovers diskutiert und vor allem von linker Seite scharf angegriffen, da er sich beinahe ausschließlich auf Wochenschau-Material, also auf "offizielle Bilder" stützte. Ihm wurde vorgeworfen, dass der gesprochene Kommentar nicht ausreichte, um die Wirkung dieser Propagandafilm-Sequenzen zu konterkarieren.
Tatsächlich zeichnet der Film ein Hitler-Bild, das heute, über 30 Jahre nach der Uraufführung, aktuell ist – vielleicht sogar aktueller als damals, da es im Widerspruch zu den in den 70er Jahre vorherrschenden dogmatischen Geschichtsinterpretationen stand, die Hitlers Aufstieg unbedingt als politischen Schachzug des Großkapitals sehen wollten. Montage und Vertonung sind zurückhaltend, aber wirkungsvoll. Im Gegensatz zu zeitgenössischen TV-Dokumentationen Marke ZDF History oder Spiegel TV wird hier einiges an intellektueller Substanz spürbar; die Kommentare deuten die Bilder zum Teil in einer sehr spannenden und aufschlussreichem Weise und unterscheiden sich damit deutlich von den Fernsehdokumentationen, in denen die immer gleichen Deutungen gebetsmühlenartig über das Filmmaterial gelegt werden. Bestechend sind Aufnahmen, die Hitlers Werdegang vom Agitator zum Herrscher dokumentieren und in denen er mitunter noch "aus der Rolle fällt" – zum Beispiel eine unterwürfige Verbeugung andeutet, nachdem er ein Autogramm gegeben hat. Es ist vollkommen unverständlich, dass diese Aufnahmen im heutigen Zeitgeschichtsfernsehen nicht mehr verwendet werden, da sie psychologisch sehr viel aufschlussreicher sind als die immer gleichen Empfänge und Aufmärsche, die Hitler zu späteren Zeiten mit der immer gleichen Gestik und Mimik abgehalten hat. Die Schwäche des Films liegt dagegen zweifellos in seiner Neigung zur Freudschen Küchen-Psychologie: Fast krampfhaft ist er bemüht, eine erotische Komponente in Hitlers Beziehung zur Masse herauszuarbeiten. Dies geht nicht ohne Peinlichkeiten ab, wenn etwa im Zusammenhang mit einer Massenkundgebung, von "Begattungshunger" die Rede ist, oder Hitlers angebliche Potenz mit einem über ihm schwebenden, riesigen Zeppelin in Verbindung gebracht wird. An solchen Stellen macht sich der Zeitgeist negativ bemerkbar. Dennoch: Für das historisch interessierte Publikum ist dieser Film Pflichtprogramm, und gerade die Zuschauer, die sich fragen, warum sie sich NOCH eine Hitler-Dokumentation anschauen sollten, könnten mit "Hitler – Eine Karriere" eine positive Überraschung erleben.
Die Firmen Euro Video und Moviemax haben den Dokumentarfilm-Klassiker jetzt in einer edlen Ausgabe mit schön gestaltetem Pappschuber und 35-seitigem Hochglanz-Booklet herausgebracht. Die Covergestaltung entspricht dem damaligen Kinoplakat. Während des Films können zusätzliche Informationen und auch die (wenigen) für die internationale Fassung erweiterten Szenen abgerufen werden. Als Extras sind enthalten:
- Kino-Trailer, auch Kurzfassung
- erweiterte Szenen der internationalen Fassung (erweiterte Holocaust-Bezüge)
- ein 33minütiges Interview mit Joachim Fest durch Roger Willemsen
- biographische Skizzen (Texttafeln) des historischen Personals.

Höhepunkt der Extras ist zweifellos das Interview, das durchaus noch etwas länger hätte ausfallen können und leider abrupt abgebrochen wird. Das Booklet zeichnet in leicht verständlicher Form die Kontroverse nach, die der Film 1977 auslöste und rezeptionsgeschichtlich von besonderer Bedeutung ist. Der Beifall aus dem rechten Lager wird hierbei ebenso wenig ausgespart wie die Faschismus-Vorwürfe von links.

Alles in allem ist die DVD-Edition von Fests und Herrendoerfers Meilenstein als mustergültig zu bezeichnen und jedem wärmstens empfohlen, der sich für die Person Hitlers bzw. die NS-Zeit interessiert. (df)

Wertung: 10 von 10 Punkten (10 von 10 Punkten)

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