Hilfen und Hürden im blinden Alltag



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Hilfen und Hürden im blinden Alltag

In der Schweiz sind immer mehr Menschen sehbehindert oder blind. Vibrierende Uhren oder sprechende Waagen vereinfachen ihren Alltag. In Zukunft dürften vermehrt normale Produkte blindentauglich werden.

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Ohne Bildschirm: Zum Arbeiten braucht Regina Reusser nur ihre Tastatur mit Braille-Zeile.
Bild: Noemi Landolt


Alltagshilfen

Die Finanzierung der Hilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte ist in der Schweiz über die Invalidenversicherung (IV) geregelt. Wer bereits im erwerbsfähigen Alter erblindet oder sehbehindert ist, hat Anspruch auf Geld der IV — auch dann noch, wenn er oder sie eine Altersrente bezieht. All jene Personen, die erst im AHV-Alter von einer Sehbehin­derung betroffen sind, haben jedoch keinen Anspruch auf Geld der IV und müssen mit den Leistungen der AHV auskommen.
Von Noemi L. Landolt

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Einen Bildschirm sucht man auf dem Schreibtisch von Regina Reusser vergeblich. Sie arbeitet nur mit der Tastatur. Einer Tastatur mit Mehrwert: Die sogenannte Braille-Zeile zeigt sämtlichen Text auf dem Bildschirm in Blindenschrift an. Reusser fährt mit den Fingern über die Zeile, liest Mails, surft im Internet und navigiert über die Computeroberfläche.

In der Schweiz sind 325'000 Menschen blind oder sehbehindert, und es werden immer mehr. «Die Lebenserwartung steigt und mit ihr die Zahl der Personen, die an einer altersbedingten Sehbehinderung leiden», sagt Stephan Mörker, Ressortleiter Hilfsmittel des Schweizerischen Zentralvereins für das Blindenwesen (SZB). Mörker schätzt, dass 70 bis 80 Prozent der Sehbehinderten in der Schweiz älter als 65 Jahre sind. Die Nachfrage nach Lösungen für betroffene Personen steigt deshalb stetig.

Displays sind ungeeignet

In der Hilfsmittelberatungs- und Verkaufsstelle des SZB in Lenzburg, wo Reusser und Mörker arbeiten, sind die gängigsten Hilfsmittel ausgestellt. Auf den Regalen kleben runde Etiketten. Blinde und Sehbehinderte können diese ertasten und mit einem Lesegerät darüberfahren. Der Etikettenleser spielt den aufgenommenen Text ab und teilt den Sehbehinderten mit, welcher Gegenstand vor ihnen liegt.

Auch Reusser setzt im Alltag Markierungen ein. «Ich habe beim Herdschalter tastbare Punkte angebracht, damit ich die Hitze der Platte regulieren kann.» Sie habe Glück, dass in ihrer Wohnung ein Kochherd mit Drehschaltern und ohne Touchscreen stehe. Tatsächlich verfügen wegen der zunehmenden Digitalisierung immer mehr Haushaltsgeräte über ein Display, welches blinde Personen nicht bedienen können. Natürlich fehlt in der Verkaufsstelle der weisse Stock in verschiedensten Ausführungen nicht. «Er ist der Klassiker und meistverkaufte Artikel», sagt Mörker. Für Sehende sind allerdings die unbekannteren Hilfsmittel spannender. Sie geben einen Einblick, was alles möglich ist, und zeigen gleichzeitig, wo blinde und sehbehinderte Personen in ihrem Alltag Einschränkungen erleben.

Damit es beim Griff in den Kleiderschrank nicht zu unpassenden Farbkombinationen kommt, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Blinde und Sehbehinderte können – mithilfe einer sehenden Person – je nach Farbe unterschiedliche ertastbare Knöpfe am Kleidungsstück anbringen oder sich auf ein Gerät verlassen, das über 150 verschiedene Farb­nuancen misst. Hält man es an ein Kleidungsstück, verkündet es die Farbe. In einem anderen Regal liegen Uhren und Wecker, deren synthetische Stimmen auf Knopfdruck die Uhrzeit bekannt geben. Mörker stellt ein wachsendes Bedürfnis für neue Modelle fest. «Bis jetzt fehlen schöne, sprechende Uhren, die einfach zu bedienen sind, über eine gute Batterieleistung verfügen und die Uhrzeit verständlich und mit einer angenehmen Stimme verkünden.»

Zusammen mit Blinden und Sehbehinderten und einem Partner aus der Uhrenindustrie sei der SZB deshalb daran, etwas Neues zu entwickeln. «Super wäre es, wenn prominente Personen, deren Stimme die Sehbehinderten aus dem Radio oder Fernsehen kennen, für das Projekt gewonnen werden könnten. So hätten die Uhren einen Mehrwert», sagt Mörker. Zu wissen, wie spät es ist und wo im Tag man steht, ist gemäss Mörker für blinde und sehbehinderte Personen extrem wichtig, weil sie sich nicht immer an der Helligkeit orientieren können.

Im Regal sind nicht nur sprechende, sondern auch taktile Uhren ausgestellt. Bei einer Armbanduhr lässt sich das Glas aufklappen und die Zeit auf dem Zifferblatt ertasten. Einem anderen Modell sieht man auf den ersten Blick nicht an, dass es sich um eine Uhr handelt. Das kleine Plastikgerät hat drei silberne Knöpfe, welche die Anzahl Stunden und Minuten vibrieren.

Wenn man Regina Reusser, die fast blind zur Welt kam, beobachtet, fällt auf, dass sie die Hilfsmittel im Alltag ohne Berührungsängste nutzt und deren Vorteile kennt. Der Computer sei für sie sehr wichtig. Er ermöglicht ihr, Kontakte zu pflegen, zu arbeiten und einzukaufen. «Ich könnte schon im Laden einkaufen. Aber das ist sehr mühsam.» Reusser kauft deshalb online ein und lässt sich die Waren nach Hause liefern.

Zunehmend isoliert

Anders sieht es bei älteren Leuten aus. Eine aktuelle Studie des Zentrums für Gerontologie der Universität Zürich und des SZB hat gezeigt, dass der Aufwand für ältere Menschen viel grösser ist, wenn sie sich plötzlich neue Strategien aneignen und neue Routinen einüben müssen. Stephan Mörker vom SZB sagt, dass die Sehbehinderung für ältere Menschen eine doppelte Herausforderung sei. Zu den altersgebundenen Veränderungen im Leben kommen die Folgen der Sehschädigung hinzu. Die Studie zeigt, dass Personen, die erst nach der Pensionierung sehbehindert werden, mehr Mühe haben, die neue Situation zu akzeptieren. Nicht selten reagieren sie mit depressiven Verstimmungen, trauen sich nicht mehr unter Leute und leben zunehmend isoliert.

Die Studie hält auch fest, dass es bei älteren Menschen länger geht, bis sie sich eingestehen, dass sie an einer Sehbehinderung leiden und sich Hilfe holen. Das bestätigt Mörker: «Viele ältere Leute sagen sich, dass sie halt alt seien und deshalb nicht mehr gut sehen.» Um diese Altersgruppe auf die Hilfsmittel aufmerksam zu machen, gehe man bewusst nicht an Handicap-Messen, sondern an normale Seniorenmessen.

Obwohl Hilfsmittel im Alltag von Blinden und Sehbehinderten eine wichtige Rolle spielen, will Mörker nicht mehr, sondern weniger verkaufen. «Ich hoffe, dass wir keine Insellösungen mehr schaffen müssen, sondern normale Produkte auch für Blinde und Sehbehinderte zugänglich werden.» Mörker spricht von Schnittstellen und internationalen Normen. «Wofür eine sprechende Personenwaage anbieten, wenn eine Bluetooth-Schnittstelle, die den Wert über ein Smartphone bekannt gibt, bereits reicht?»

Das iPhone ist eines jener Geräte, das bereits heute für blinde und sehbehinderte Personen zugänglich ist. Es ist auch Reussers stetiger Begleiter und unterscheidet sich weder im Preis noch in der Aufmachung von dem einer sehenden Person. Sie hat einfach die integrierte Sprachsoftware aktiviert, die es ihr ermöglicht, den Touchscreen zu bedienen. Fährt Regina Reusser mit dem Finger über die Apps, liest ihr die Computerstimme vor, was es ist. Auch Text kann sie sich auf diese Weise vorlesen lassen. Antwortet sie auf eine Mail, kann sie den Text diktieren oder die virtuelle Tastatur benutzen, die ihr sagt, bei welchem Buchstabe ihr Finger gerade ist.

(Tages-Anzeiger)

Erstellt: 26.12.2014, 19:31 Uhr


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