Hier wird der Sprit noch wie ein Stück Butter verkauft – Rhein

Von Christiane Barth

Eschelbronn. Ist am Ende alles nur Psychologie? Der verwirrende Preistanz an den Tankstellen führt dazu, dass man als motorisierter Fahrer ständig die Zahlen der Anzeigensäulen im Visier hat. Da fällt es aber auch auf, wenn auf einer Preistafel über Wochen nahezu unverändert die Ziffern prangen: Bei Uwe Stier bleibt der Liter Super derzeit bei konstanten 1,67 Euro, Diesel bei 1,53 Euro. Und das völlig unberührt davon, wie turbulent die Konkurrenz das Spiel mit den Preisen treibt. In der Industriestraße scheint man dem aufgepeitschten Treiben mit ständig wechselnden Preisen stoisch zu trotzen. "Als freie Tankstelle kann ich den Sprit noch wie ein Stück Butter verkaufen", erklärt Uwe Stier. Da ist die Rechnung ganz einfach: Er kauft den Kraftstoff zu einem bestimmte Preis ein, legt seine Gewinnspanne fest und bestimmt den Verkaufspreis. Dass dieser sich dann über Wochen halten kann, liegt auch daran, dass Uwe Stier eine kleine Tankstelle betreibt. 40.000 bis 50.000 Liter Sprit verkauft er im Monat. Die Tanks werden etwa alle drei Wochen gefüllt. So lange bleibt der Preis dann eben stabil.

Wenn der Lieferant weg ist, steigt Stier auf die Leiter an der Waschanlage und zurrt die Ziffern an der Anschlagtafel mit großen Schrauben fest. Würde er die Preissprünge mitmachen, könnte das für ihn regelrecht zur sportlichen Disziplin werden. Denn eine digitale Anzeigetafel hat er nicht. "Brauch ich nicht", dachte er damals kurz vor der Jahrtausendwende, als er das Autohaus und auch die ganze Tankstelle umbaute, um die damals neuen Umweltauflagen zu erfüllen. Vor zehn, 15 Jahren änderte sich der Spritpreis nur minimal, und das nur alle paar Wochen. Aber auch heute denkt Uwe Stier nicht daran, nachzuziehen. Zu teuer. "Für das Geld kann ich gut ein paar Mal die Leiter rauf und runter steigen".

Eine Zeit lang machte er die Preissprünge der umliegenden Tankstellen mit. "Wenn morgens Bekannte zu mir kamen und sagten, ich sei viel zu billig, weil der Sprit woanders ein paar Cent mehr kostete, bin ich mit dem Preis raufgegangen. Zwei Stunden später kam jemand und sagte, ich sei viel zu teuer, die anderen seien billiger." Da entschied er sich für eine Preispolitik, mit der er leben - und arbeiten kann: Würde er mehrmals täglich den Spritpreis der Umgebung anpassen, hätte er bald keine Zeit mehr, Autos zu reparieren. Zudem: Daran, die Verbraucher zu verunsichern und zu verwirren, liegt ihm nicht.

"Die Kunden blicken ja gar nicht mehr durch", so Uwe Stier. Das ständige Auf und Ab der Preise verschleiere, dass es im Mittelwert eigentlich konstant nach oben gehe. Was heute als günstig gilt, war noch vor einigen Wochen der Gipfel der Unverschämtheit. Und so wird auch mit der Toleranz der Fahrer gespielt. Uwe Stier sieht sich als freier Händler aber in einer noch einigermaßen guten Situation. "Selbst die Pächter der großen Tankstellen können ihre Preise nicht selbst bestimmten, den bestimmen die Konzerne".

Den großen Reibach macht das Opel-Autohaus freilich nicht mit dem Kraftstoff. Bis zum Jahr 2000 allerdings war das wenigstens ein bisschen anders. Da flossen etwa 120 000 Liter im Monat durch den Zapfhahn. Dann bestimmten immer mehr die fusionierten Konzerne den Markt. Und als kleiner Mitstreiter blieben da wenig Chancen. Selbst beim 24-Stunden-Tankautomat, den Uwe Stier im Zuge des Umbaus gleich installierte und den er im letzten Jahr mit einem neuen Bedienterminal aufrüstete. Schließen kommt für ihn jedoch nicht in Frage: "Das würde Unsummen verschlingen". Daher gilt für ihn das alte Händlerlatein: "Ich habe investiert, jetzt bleibe ich dabei".

Und er gönnt sich den Luxus, kopfschüttelnd dem wilden Treiben an den umliegenden digitalen Anschlagtafeln zuzuschauen. "Der Preis, wenn man Sinsheim reinfährt, ist nie der gleiche, wenn man rausfährt."

Dass beim Benzinpreis Angebot und Nachfrage schon lange nicht mehr den Markt bestimmen, ist also offensichtlich: "Die Leute werden darauf trainiert, sofort zu tanken, wenn's ein bisschen runter geht", erklärt sich Uwe Stier das Phänomen. Die Psychologie eben.

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