"Gut wäre, über die Angst zu sprechen"

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30. September 2015

BZ-INTERVIEW mit Verena Keil, die als Psychologin eine Studie zu Kinderängsten am Psychologie-Institut der Freiburger Universität verantwortet.


  1. Verena Keil Foto: Thomas Kunz

Neues Schuljahr – neues Glück? Nicht für alle Kinder. Schule – aber nicht nur sie – kann eine Quelle der Angst sein. Wann fängt sie an, das Leben so sehr zu beeinträchtigen, dass die Betroffenen und ihre Eltern therapeutische Hilfe suchen sollten? Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert eine Studie zu Kinderängsten am Psychologie-Institut der Freiburger Universität, für die noch Teilnehmerinnen und Teilnehmer gesucht werden. BZ-Mitarbeiterin Anita Rüffer sprach darüber mit der für das Projekt verantwortlichen Psychologin Verena Keil.

BZ: Frau Keil, sind Ängste bei Kindern nicht etwas ganz Normales?
Keil: Sie sind in der Tat Teil der normalen gesunden kindlichen Entwicklung. Je nach Alter treten unterschiedliche Ängste auf. Die Angst vor Geistern und Monstern, zum Beispiel, ist bei den meisten Kleinkindern verbreitet. Ältere Kinder hingegen haben häufig Angst vor schlechten Noten.
BZ: Können Ängste sogar gesund sein?
Keil: Angst ist eine gesunde Reaktion, die Kinder davor schützt, allzu waghalsig oder allzu zutraulich zu sein. Sie bewahrt sie vor einem extremen Risikoverhalten und damit der Gefahr, sich zu verletzen.

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BZ: Wann müssen Eltern sich Sorgen machen?
Keil: Eine klare Grenze zwischen dem, was noch normal und was ungesund ist, ist schwer zu ziehen. Deshalb sind unsere Forschungen zu Kinderängsten so wichtig. Normalerweise verschwinden sie von alleine wieder. Wenn die Angst aber extrem stark und lang anhaltend ist, fangen die Kinder an zu leiden und werden in ihren alltäglichen Aktivitäten eingeschränkt. Wir erforschen schwerpunktmäßig die sozialen Ängste bei Kindern. Ihre ausgeprägte Angst vor fremden Menschen oder vor Situationen, in denen ihre Leistung bewertet wird, kann dazu führen, dass sie gar nicht mehr zur Schule gehen können mit allen negativen Folgen für ihren späteren Lebensweg. Ihre Angst hat sich verselbständigt, und das sollte für Eltern schon ein Grund sein, sich Sorgen zu machen.
BZ: Sollen Eltern ihrem Kind glauben, wenn es ausgerechnet vor einem Referat angeblich starke Bauchschmerzen hat und meint, nicht zur Schule gehen zu können?
Keil: Sie sollten herauszufinden versuchen, was dahinter steckt. Wenn es sich um ein immer wiederkehrendes Muster handelt, sollten sie es ernst nehmen und Hilfe von außen in Anspruch nehmen: eine Beratungsstelle aufsuchen, einen niedergelassenen Therapeuten oder auch unsere Institutsambulanz, die mit unserem Forschungsprojekt kooperiert, das eine umfassende Diagnostik beinhaltet.
BZ: Wie können Eltern dazu beitragen, die Angst ihres Kindes in Grenzen zu halten?
Keil: Sie ihm ausreden zu wollen, ist die falsche Strategie. Gut wäre, über die Angst zu sprechen. Die Forschung geht von der Hypothese aus, dass überbehütende Eltern ihrem Kind nichts Gutes tun, wenn sie ihm alles abnehmen. Es kann dann nie die Erfahrung machen, eine Herausforderung selbst zu meistern und wird sehr ängstlich, sobald es auf sich alleine gestellt ist. Wenn die Eltern ihm hingegen zumuten, sich seiner Angst zu stellen und das gefürchtete Referat doch zu halten, bekommt es vielleicht eine tolle Rückmeldung von den Mitschülern und vom Lehrer. Das nächste Mal ist die Angst dann vielleicht schon viel kleiner.
BZ: Gibt es denn wirksame Hilfen, wenn ein Kind in seiner Angst gefangen bleibt?
Keil: Ein Therapeut wird mit dem Kind gemeinsam herausfinden, wovor es Angst hat und woher das kommen könnte, so dass es ein Verständnis für seine Ängste entwickeln kann. Danach hilft nur üben in Alltagssituationen, zum Beispiel einen fremden Menschen ansprechen und nach dem Weg fragen, zuerst gemeinsam mit einem Therapeuten, dann alleine.
BZ: Sie suchen für Ihre Studie also unter anderem Kinder, die Angst vor unbekannten sozialen Situationen haben. Ist das nicht paradox?
Keil: Diese Kinder sind besonders schwer zu finden. Aber für die, die schon mitgemacht haben, war es eine tolle Erfahrung. Sie haben sich was getraut, und es hat funktioniert. Hinterher waren sie total stolz darauf.


Das von der DFG mit 250 000 Euro geförderte Projekt sucht noch bis Ende 2016 zehn- bis dreizehnjährige Kinder, die noch nie in psychotherapeutischer Behandlung waren und unter Ängsten leiden. Die Teilnahme beinhaltet drei Untersuchungen von ein bis zwei Stunden Dauer am Nachmittag, über einen Zeitraum von drei bis fünf Wochen verteilt. Dafür gibt es eine Aufwandsentschädigung von 70 Euro in Gutscheinen für das Kind und 30 Euro in bar für die Eltern.

Kontakt: Institut für Psychologie, Telefon 0761/203-3012,

 

Autor: arü

Autor: arü

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