Gut die Hälfte ist Psychologie

"Es gehe uns relativ gut", versicherte der Bundesminister der Finanzen, Wolfgang Schäuble, beim Bürgertreff in der Balinger Stadthalle. "Wir haben die meisten Arbeitsplätze seit dem Zweiten Weltkrieg und den höchsten Konsum." Aber es herrsche auch weltweit und im eigen Land Verunsicherung. Gut 50 Prozent der Finanz- und Wirtschaftspolitik sei Psychologie.

Von den gut 730 000 Beschäftigten in der deutschen Autoindustrie werden fünf Millionen Fahrzeuge pro Jahr hergestellt und davon gut zwei Drittel exportiert. Dies mache deutlich, dass Deutschland unmittelbar mit der weltweiten Entwicklung verknüpft ist. Aber ohne diese Verflechtung gäbe es auch keinen Wohlstand in Deutschland. "Ohne Einbindung in Europa wären wir verloren", so Schäuble deutlich, denn zwei Drittel aller Exporte gehen in das EU-Ausland. Ohne einheitliche Währung hätten die Europa-Staaten keinen Fortschritt. "Und da sind wir gut beraten, wenn man da nur auf die arme Schweiz schaut, die jetzt leidet."

"Wir brauchen ein starkes und handlungsfähiges Europa", forderte Schäuble. Notwendig sei zumindest eine gemeinsame Haushaltspolitik, denn die politische Union sei in den 90er Jahren gescheitert, "und derzeit ringen wir wieder darum". - "Übrigens geht es nicht um eine Eurokrise, sondern um eine Schuldenkrise einzelner Mitgliedsländer. Der Euro als Währung ist stabil." Aber die Erkenntnis seit der Bankenkrise: Die Finanzmärkte müssen stärker reguliert werden. "Hier finden zu 90 Prozent reine Geldgeschäfte statt, bei denen Billionen fließen." Hier müsse eine starke Regulierung greifen, wie beispielsweise eine Finanztransaktionssteuer, "und damit müssen wir in Europa beginnen, sonst wird es nichts", meinte Schäuble. Der Finanzsektor solle sich auf seine Aufgaben beschränken und für die Geld-Liquidität in der Wirtschaft sorgen.

Grundsätzlich kranke das System aber an einer zu hohen Staatsverschuldung, was zu einer Inflation führen könne und die wolle man in Deutschland nicht - weil schon zu oft erlebt. Dabei bringe der Euro Stabilität. Allerdings dürften keine falschen Anreize gegeben werden. Jeder müsse seine Dinge in Ordnung bringen, die Regeln müssten durchgesetzt werden "und wir müssen helfen, aber nicht ohne Grenzen". Die Wettbewerbsfähigkeit aller müsse erhöht werden und das gehe nur mit ständig verbesserter Bildung, mit einem dualen System, mit einem innovativen Mittelstand. "Wir müssen in Europa flexibler reagieren, zum Beispiel bei einer Jugendarbeitslosigkeit von 40 Prozent in Spanien. Wir suchen doch Fachkräfte." Deutschland müsse am Puls der Zeit bleiben, sich ständig verbessern, für ein Miteinander arbeiten, politische Entscheidungen durchhalten, denn Engagement lohne sich in Europa - und auch vor Ort.

Balingens Oberbürgermeister Helmut Reitemann freute sich nicht nur über den prominenten Gastredner beim Bürgertreff, sondern auch über die große Zahl der Besucher. Mit einer Bilderschau unterlegt, warf Reitemann einen Blick zurück auf das Jahr 2011, ging auf verschiedene Bauprojekte wie die Torbrücke ein, den Bau der Frommerner Ortsdurchfahrt und der dritten Spur auf der B 463, die nun endlich umgesetzt werde. Von ihm erwähnt wurden aber auch die Rekultivierung der Schlackenhalde, diverse Hochwasserschutzmaßnahmen, der Bau von Feuerwehrgerätehäusern und die Anschaffung neuer Fahrzeuge.

Auf dem Gebiet der emeuerbaren Energien habe man sich in Balingen für Solarstrom stark gemacht und das Projekt in der Kläranlage Balingen voran gebracht.

Die Vorgaben für die Kleinkindbetreuung seien in Balingen bereits erfüllt. Es wurden neue Jugendtreffs eingerichtet, eine Kinderakademie angeboten, der Wettbewerb "Schüler experimentieren" ausgerichtet, was sich in diesem Jahr wiederholen wird, und man könne inzwischen in Balingen sogar studieren.

Im Sport stehe man mit dem HBW nach wie vor in der Handball-Bundesliga, im Bereich der Leichtathletik ist man in der Jugend bundesweit Spitze. Aber auch die Kultur sei, wie in den Jahren zuvor, gepflegt worden, mit Ausstellungen in der Zehntscheuer und der Rathausgalerie. Es gab Open-Air-Angebote auf dem Marktplatz, genauso wie auf dem Messegelände. "Wieder kamen gut 20 000 Besucher zum ,Bang your head." Und in diesem Jahr werden sie wieder kommen, hofft Reitemann. Der bundesweite Wettbewerb BW-Musix wurde in der Volksbankmesse ausgetragen und zu den verschiedenen Messen in Balingen kamen insgesamt 35 000 Besucher. Die Zahl der einkommensteuerpflichtigen Einwohner sei gestiegen. Die Stadthalle konnte ihren 30. Geburtstag feiern, der Handels- und Gewerbeverein sein 150. Jubiläum.

In diesem Jahr wird der Weltstar Herbert Grönemeyer auf dem Balinger Messegelände zu Gast sein. Reitemann: "Ich denke, das ist auch ein Beweis für die Attraktivität unserer Stadt Balingen in der Region. Bei uns wird viel gemeinsam geleistet und es gibt sehr viel ehrenamtliches Engagement, das unsere Stadt voran bringt."

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