Gruners "Flow" im kress-Check: Auf die Verpackung kommt es an

Schon seit einigen Jahren zieht es Gruner+Jahr mit Macht in die Nische: Während die Auflagen großer Zeitschriften beständig bröckeln, gedeihen dort einige Pflänzchen recht gut, seien es Titel für Hundeliebhaber ("Dogs"), wohlhabende Männer, die gerne Fleisch essen ("Beef"), oder Jung-Karrieristen, die es auch mal richtig krachen lassen ("Business Punk"). Mit "Flow" nimmt sich G+J jetzt die nächste Nische vor, es ist die für kreative Frauen mittleren Alters, die sich für Psychologie interessieren, eine Vorliebe für Papier-Gadgets haben und ihrer Umgebung mit - Achtung: Heftjargon - "Achtsamkeit" begegnen.

Papier und Psychologie - das klingt wie ein Witz, ist es aber nicht. G+J hat die Lizenz für "Flow" von der finnischen Verlagsgruppe Sanoma erworben, die in den Niederlanden mit dem Konzept erfolgreich ist. Sucht man eine Schublade für "Flow", ist die der DIY-Zeitschrift (steht für "Do It Yourself") am geeignetsten: In den meisten "Flow"-Beiträgen geht es ums Selbermachen, um schöne Dinge und die Frauen, die sie gestaltet haben. Chefredakteurin Sinja Schütte und ihre Redaktion widmen sich in der ersten Ausgabe mit einiger Inbrunst dem Häkeln, Backen, Basteln, Fotografieren oder Bloggen. Die Niederlande erscheinen dabei als Hochburg der Kreativität: Viele der in "Flow" vorgestellten Künstlerinnen kommen daher - das Heft kann seine Herkunft nicht verleugnen.

Abo-Werbung mit Papier-Gadgets

Bemerkenswerter als die Geschichten sind indes Gestaltung und Ausstattung der Zeitschrift - sie ist selbst ein Statement: "Flow" ist auf acht verschiedenen Papiersorten gedruckt und enthält Scherenschnitte, Geschenkpapierbögen, ein Notizbuch und Sticker. Sogar für die Abo-Werbung setzt G+J aufs Papier: Abonnentinnen bekommen alle Heft-Gadgets noch einmal extra.

Ein anderer deutscher Verlag hat vor drei Jahren ebenfalls eine sehr spezielle Frauenzeitschrift aus den Niederlanden geholt und ist damit gut gefahren: Bauer erzielt mit dem "Mindstyle"-Magazin "Happinez" mittlerweile eine Auflage von fast 140.000 verkauften Exemplaren. Zwischen beiden Heften gibt es Übereinstimmungen, aber die Unterschiede überwiegen: Anders als "Happinez" ist "Flow" z.B. selbst im Psycho-Teil esoterikfrei. Die einschlägigen Texte im G+J-Titel variieren die Botschaft, dass man aufmerksam durchs Leben gehen, den Moment genießen und Beziehungen pflegen soll. Das plätschert mehr, als es fließt. Überhaupt darf man "Flow" nicht mit einem Nutzwert-Heft verwechseln: Es geht um Inspiration, nicht um die Details - das Häkeln oder Bloggen lernt man bei der "Flow"-Lektüre nicht. Ein bisschen verhält es sich mit der Zeitschrift wie mit einem Geschenk, dessen Verpackung wertvoller ist als der Inhalt.

"Flow" liegt seit dem 19. November am Kiosk und kostet 6,95 Euro. Das Heft hat 140 Seiten, die Druckauflage beträgt 100.000 Exemplare. In Zukunft soll "Flow" viermal jährlich erscheinen.

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