Glück in der Partnerschaft: Die Beziehungsformel

Beziehungsformel – das klingt nach Mathematik und wirkt in Zusammenhang mit dem für die meisten unvorhersehbaren Verhalten von Menschen, mit dem sich Psychologen beschäftigen, nicht so recht zusammen. Was also muss man anstellen, um zu einer Beziehungsformel zu kommen und einer so erfolgreichen zudem?

Ein Blick ins Love-Lab

Sehen wir uns den Versuchsaufbau an: John Gottman brauchte dazu ein Love-Lab. Sein Liebeslabor richtete er in einem Einzimmerappartement mit Seeblick in Seattle ein. Es hat ein Bad, ein Schlafsofa, einen Fernseher und auch eine kleine Küchenzeile. Alles also, was man zum Leben zunächst einmal braucht.

Dann suchte der Psychologe Paare, die sich freiwillig bereit erklären, sich beim Streiten, Leben und Reden beobachten zu lassen. Die Paare blieben manchmal nur einen Tag, manchmal ein ganzes Wochenende. Die meisten vergaßen nach kurzer Zeit die ungewöhnliche Umgebung und sprachen frei und unverstellt aus sich heraus. Über 3000 waren es über 40 Jahre verteilt, die Gottman beobachtet hat. Die dabei gewonnen Daten hat er in zig-facher Hinsicht ausgewertet. Eines der bahnbrechendsten Ergebnisse, das er erzielte, ist die Beziehungsformel.

Jetzt fehlt noch die Technik: In allen Ecken – außer im Badezimmer – sind Videokameras installiert, mit denen er aus jeder Perspektive jede kleinste Veränderung in Körperhaltung, Mimik und Reaktion einfangen kann. Zusätzlich verkabelte der Paartherapeut bei Bedarf die Akteure, um ihre Körperreaktionen zu messen. Herzschlag, Pulsfrequenz, Schweißmenge auf den Handinnenflächen – all diese Daten sammelte er, um daraus allgemeingültige Rückschlüsse zu ziehen.

Am Ende hatte Beziehungsforscher Gottman einen Berg an Daten, die belegen, wie Paare miteinander umgehen, was sie übereinander und zueinander sagen und was das jeweils für körperliche Reaktionen hervorruft. Nur ein 15 Minuten langes Paarvideo, in dem beide über ihre Partnerschaft reden, reicht ihm heute, um nach eigenen Aussagen mit 94-prozentiger Wahrscheinlichkeit vorherzusagen, ob sich ein Paar irgendwann einmal scheiden lassen wird, oder nicht.

So setzt sich der Dow-Jones-Indes der Ehe zusammen

Mit Voodoo-Zauber hat das nichts zu tun, sondern vielmehr mit einem Haufen an Parametern, die er zum Dow-Jones-Index einer Ehe zusammensetzt. Dieser persönliche Börsenkurs einer Partnerschaft liefert hohe Werte, wenn die Partner beieinander "hoch im Kurs" sind und niedrige Werte, wenn sie streiten und rücksichtslos sind. Insgesamt zwanzig verschiedene Parameter, für die je ein Punkt gegeben oder abgezogen wird, werden dafür miteinander verrechnet. Pluspunkte für ihre Beziehung sammeln Paare, "die aktiv Nähe zwischeneinander herstellen", weiß auch Dr. Ilka Vasterling, Psychologin und Paartherapeutin in der Ambulanz der Technischen Universität Braunschweig.

Sich einander zuzuwenden und auch im non-verbalen Bereich positive Signale zu senden zählen zu den Pluspunkten. Menschen, die grundsätzlich positiv zueinander stehen, zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Gespräch mehr positive als negative Signale zeigen. Auch hier greift eine Formel, die die Paartherapeuten verwenden: "Liebe und Streit müssen in einem Verhältnis von fünf zu eins miteinander stehen", sagt Vasterling. Wer seinen Partner also anschnauzt, der sollte danach mit fünf netten Gesten das in Schieflage geratene Verhältnis wieder in die Waage bringen. Das Prinzip "Fünf mal Blümchen kaufen für einmal anmotzen" gilt auch für kritische Gesprächssituationen. Man muss fünf positive Reaktionen senden, um ein negatives Feedback wegzuradieren.

Die Sache mit der Treulosigkeit

Scheiternden Beziehungen wirft Gottmann Treulosigkeit vor. Das hat nicht immer was mit Fremdgehen zu tun. "Wenn ein Ehemann seine Karriere grundsätzlich über die Beziehung stellt, ist das Untreue", so John Gottman in seinem Buch "Die Vermessung der Liebe". Gefühlskälte, Egoismus, Ungerechtigkeit und destruktives Verhalten wertet der Paartherapeut ebenso als Untreue. Das Gegengift, das eine Beziehung retten kann heißt "Vertrauen".

Schön und gut, mögen Sie jetzt denken. Vertrauen ist eine nette Sache, aber nicht wirklich greifbar. Wie sollen man dahinter kommen, wie viel Vertrauen einem der Partner schenkt? Messen lässt sich das kaum. Die überraschende Antwort des amerikanischen Paartherapeuten hingegen lautet: Es lässt sich sogar mathematisch berechnen und wissenschaftlich untersuchen. So soll es sogar möglich sein, wankende Beziehungen zu retten und eine Art Liebes-GPS zu entwickeln.

Warum Vertrauen die Grundlage fürs Liebes-GPS ist

Entgegen der Meinung vieler Psychologen und Sozialwissenschaftler ist es dazu aber notwendig, Vertrauen nicht als einen von vielen Faktoren einer starken Beziehung zu sehen, sondern es gemeinsam mit Loyalität als die entscheidenden Faktoren zu sehen, die das Miteinander gelingen lassen oder eben nicht.

Berechenbar wird auch das, weil alles, was wir im Rivalisieren und Streiten miteinander tun, laut Gottmans Annahme, bestimmten Regeln folgt. Ziel Nummer eins ist es immer, für sich selbst den größtmöglichen Nutzen zu erzielen. Jetzt genau kommt das Vertrauen ins Spiel. Denn Paare, die sich nur bildlich gesprochen heiße Kartoffeln hin und her werfen und warten, wer sich die Finger als erster verbrennt, kommen zu keinem befriedigenden Ergebnis. Immer wird einer der Verlierer sein.

Paare hingegen, die auf einer gesunden Vertrauensbasis agieren und miteinander kooperieren, um zum Beispiel gemeinsam die Wohnung aufzuräumen, erreichen damit mit Vertrauenspunkte. Sie nehmen Rücksicht aufeinander, lassen sich gedanklich auf den anderen ein. Denn Fakt ist: Eine Wohnung aufzuräumen ist in der Regel eine unliebe Notwendigkeit, die erledigt werden muss.

Was ein Nobelpreisträger mit Liebe zu tun hat

Je mehr sich jeder der Partner versucht in den anderen hineinzudenken, desto stabiler wird die Partnerschaft. So könnte Thomas zum Beispiel denken: "Mia möchte sicher nicht das Badezimmer machen, weil dort immer so viele Bartstoppeln von mir im Waschbecken kleben und sie sich dann wie meine Putzfrau fühlt." Und darum selbst die Badreinigung übernehmen. Wenn beide im Vertrauen zueinander die Wünsche des anderen in ihre eigenen Überlegungen einbeziehen, wird für beide der bestmögliche Profit erreicht. Um beim Beispiel zu bleiben: Beide erledigen gemeinsam das ungeliebte Säubern der Wohnung und stellen so das sogenannte Nash-Gleichgewicht her, das auf den Mathematiker und Nobelpreisträger John Nash zurückgeht.

Wenn auch mancher der festen Überzeugung ist, gemeinsames Interagieren sei etwas mehr als eine Rechnung, der mag auf anderem Wege früher oder später die persönliche Wahrheit finden, die der der amerikanische Beziehungsspezialist mathematisch vorhersagt. Sicher ist: Probleme führen – unabhängig davon, ob sie vor laufender Videokamera entstehen, oder im Off auf Dauer zum Beziehungscrash.

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