Glück, eine Frage des Trainings?

Wenn Sie sich diesen Artikel vorlesen lassen wollen benutzen Sie den Accesskey + v, zum beenden können Sie den Accesskey + z benutzen.

10. Dezember 2012

Zürcher Psychologen wollen die Menschen zufriedener machen.


  1. Psychologe Proyer Foto: bz

Für Menschen, die gern die Dinge selbst in der Hand haben, klingt es ausgesprochen attraktiv. Nach Ansicht von Zürcher Psychologen sind Glück und Zufriedenheit nicht nur eine Frage des Schicksals oder Zufalls – sondern mindestens auch eine des Trainings. Ihre These sehen die Forscher durch eine Studie bestätigt. Darin haben Teilnehmer über zehn Wochen an Charaktereigenschaften gefeilt, die das Lebensgefühl positiv beeinflussen. Das Ergebnis: Alle Studienteilnehmer fühlten sich danach besser.

Eingebettet ist die Studie in die sogenannte Positive Psychologie. Das ist jene Strömung der Wissenschaft, die sich mit der Frage beschäftigt: Was macht das Leben am meisten aus? Laut René Proyer, Psychologe an der Uni Zürich, hat sich seine Disziplin zuvor in einer schönen Erfolgsgeschichte damit beschäftigt, Dinge herauszukriegen, die schiefgelaufen sind im Leben eines Patienten. In der Positiven Psychologie sei man daraufhin dazu übergegangen, zu sagen: Lasst uns doch das, was gut ist, stärken. Ein kleiner Paradigmenwechsel sei das damals vor rund 15 Jahren gewesen, sagt Proyer, "beides ergänzt sich aber".

Werbung

Das Zürcher Team um Professor Willibald Ruch, Leiter der Fachgruppe Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik, hat das "Zürcher Stärken Programm" entwickelt. Als Basis diente ein Modell der US-amerikanischen Kollegen Martin Seligman und Christopher Peterson, die den Charakter des Menschen in sechs Tugenden und diese wiederum in 24 Stärken zerlegt haben, die mehr oder weniger die Zufriedenheit steigern.

Proyer und Co. haben während ihrer Studie 180 Testpersonen in drei Gruppen eingeteilt. Die erste trainierte zehn Wochen lang die Charaktereigenschaften Neugier, Optimismus, Dankbarkeit, Tatendrang und Humor. Die zweite übte fünf weitere – nämlich Sinn für das Schöne, Freundlichkeit, Kreativität, Liebe zum Lernen und Weitsicht. Das sind Charakterstärken, die ebenfalls einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden haben, aber nicht ganz so stark wie die Eigenschaften der ersten Gruppe. Die dritte (Kontroll-)Gruppe machte gar nichts.

Wie übt man Humor? Oder Neugier? René Proyer zufolge bestand das Training aus zwei Bausteinen. Einer sah so aus, dass die Teilnehmer alle zwei Wochen einen Abend lang im Institut geschult wurden. Zum Thema Neugier gab’s dort eine kurze Präsentation über die Eigenschaft sowie Übungen in der Gruppe. Ein Neugier-Parcours sollte Lust auf Neues machen, indem Doktoranden über Themen wie etwa "Wie funktioniert ein Intelligenztest?" informierten. Und für zuhause gab’s Hausaufgaben: Dabei sollten die Teilnehmer in puncto Neugier sich etwa überlegen, welches neue Essen sie ausprobieren wollen. In Sachen Dankbarkeit sollten sie einer nahestehenden Person einen Dankesbrief schreiben und ihn ihr auch vorlesen.

Sowohl zu Beginn als auch während und nach dem Stärkentraining haben die teilnehmenden Männer und Frauen Fragebögen zu ihrem Wohlbefinden ausgefüllt. Das Ergebnis nach zehn Wochen: Beide Gruppen fühlten sich heiterer und glücklicher. In der ersten Gruppe lag nach Angaben der Teilnehmer die Lebenszufriedenheit noch etwas höher als in der zweiten und hielt auch noch eine ganze Weile an. Bei der Kontrollgruppe, die gar nichts tat, passierte auch nichts.

Die Zürcher Psychologen wollen nun noch einen Schritt weitergehen. Sie haben ihr Stärkentraining so umgebaut, dass es online angewendet werden kann. Damit wollen sie, so René Proyer, herausfinden, ob die positiven Veränderungen des Lebensgefühls auch längerfristig anhalten können. Die ersten Teilnehmer haben im September begonnen, noch bis Ende des Jahres kann jeder, der möchte, sich kostenlos anmelden. Proyer verspricht eine individuelle Rückmeldung zu den persönlichen Charakterstärken – "und ein bisschen Glück".

Wert legen René Proyer und seine Kollegen aber darauf, dass es in der Positiven Psychologie nicht darum gehe, pausenlos glücklich zu sein und in ein übertriebenes positives Denken zu verfallen. Vielmehr sei das Ziel, neue positive Gewohnheiten aufzubauen und diese im Idealfall zu automatisieren. Proyer, 36, hat durchaus den Eindruck, dass sich die Arbeit auch positiv auf das Psychologenteam auswirke. Derzeit müssten sie sich durch einen Wust an Bürokratie quälen – da würde die ein oder andere auflockernde, scherzhafte Bemerkung Wunder wirken. Ob er nicht doch vielleicht heute schon mal geflucht hätte? "Nein, habe ich nicht", antwortet der Psychologe, er könne aber durchaus wunderbar fluchen.

Autor: Martina Philipp

Leave a Reply